piwik no script img

Prozeß in Israel wegen PLO–Kontakten

■ Weil sie mit einer Delegation der israelischen Friedensbewegung im November 1986 in Bukarest politische Gespräche mit Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation geführt haben, stehen vier Israelis vor Gericht / Bei möglichen Nahost–Friedensgesprächen soll die PLO ausgeschaltet werden

Aus Tel Aviv Amos Wollin

In Israel stehen derzeit vier jüdische Mitglieder einer Delegation vor Gericht, die im vergangenen November in Bukarest mit Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zusammengetroffen waren. Die Begegnung, die unter dem Patronat des rumänischen Staatschefs Ceaucescu stand, sollte Möglichkeiten für israelisch–palästinensische Friedensverhandlungen ausloten. In diesem Prozeß kommt erstmals ein im letzten Sommer verabschiedetes Gesetz zur Anwendung, das Kontakte zu PLO–Vertretern mit Haftstrafen bis zu drei Jahren bedroht. Es handelt sich dabei um einen Zusatz zu einer bereits bestehenden „Verordnung zur Terrorvermeidung“, die mit der Staatsgründung im Jahre 1948 in Kraft trat, um gegen rechtsgerichtete jüdische Untergrund– Gruppen vorzugehen. Die vier Angeklagten gehören linken Parteien oder Gruppen an. Einer von ihnen, der Mapam–Partei–Aktivist Latif Dori, kollidierte erst einmal mit seiner eigenen Führung, die Zusammenkünfte mit PLO–Vertretern ablehnt. Ein anderer Angeklagter, Ruben Kaminer, steht an der Spitze einer winzigen Gruppe mit dem Namen „Israelische Sozialistische Linke“. Bei dem dritten handelt es sich um Eliezer Feiler aus dem Kibbuz „Yad Hanna“, der als Vertreter der von der Kommunistischen Partei geführten „Demokratischen Front“ mit nach Bukarest reiste. Vor Gericht steht schließlich auch Jael Lotan, eine bekannte Literatur–Kritikerin. Hauptverhandlung im Juni Nach der Verlesung der Anklageschrift, die sechzehn Punkte umfasst, erklärten sich die vier Angeklagten für „nicht schuldig“. Ihre Verteidiger, Awigdor Feldmann und Amnon Zichori, protestierten zunächst dagegen, daß der Prozeß in der entlegenen Kleinstadt Ramleh stattfindet, in deren Umgebung keiner der Angeklagten lebt. Vergebens be mühten sie sich, Richter Baizer davon zu überzeugen, das Verfahren sofort einzustellen, weil das „Anti–Friedens–Gesetz“ keine präzisen Definitionen enthält. Der verbotene „Kontakt“ zu PLO–Mitgliedern könne beispielsweise bedeuten, „daß ich mich strafbar mache, wenn ich nach einem Autounfall in Honolulu einen PLO–Mann um seine Versicherungspapiere bitte“. Nach diesen Präliminarien soll das Hauptverfahren jetzt Mitte Juni stattfinden. Der Prozeß steht vor dem Hintergrund neuer Bemühungen in Israel, die PLO als politischen Faktor auszuschalten. Seit einem guten halben Jahr verstärkt die Regierung Aktivitäten in den besetzten Gebieten, die zur Bildung eines israelisch–jordanischen Kon dominiums führen sollen. Außenminister Peres spricht in diesem Zusammenhang von einem „internationalen Rahmen“, der König Hussein eine Rückendeckung für Verhandlungen mit Israel geben solle. Das diplomatische Tauziehen um eine Nahost–Friedenskonferenz geht auch darum, welche Palästinenser als „authentische Vertreter“ der besetzten Gebiete hinzugezogen werden. Informationszentrum geschlossen Für Israels Regierung kommt die PLO als „terroristische Organisation“ nicht infrage. Daher bemüht sie sich, den Einfluß der Befreiungsorganisation und aller Gruppen in „Großisrael“ drastisch einzuschränken, die sich für das palästinensische Selbstbestimmungsrecht einsetzen. Redakteure der einflußreichen arabischen Zeitungen, die in Ostjerusalem erscheinen, wurden von israelischen Sicherheitsorganen aufgefordert, ihre PLO– freundliche Berichterstattung zu unterlassen. In den Universitäten und Stadtverwaltungen der Westbank und des Gaza–Streifens unterstützen die israelischen Behörden aber auch mit „Zuckerbrot“ alle Tendenzen, die der PLO politisch entgegenwirken. Gelder für eine „Verbesserung der Lebensqualität“ in den besetzten Gebieten, die in erster Linie aus Amman und Washington stammen, schieben die Israelis sogenannten „positiven Elementen“ unter den Palästinensern zu. Auch die im Februar verfügte Schließung des „Alternativen Informationszentrums“ in Westjerusalem für sechs Monate und die zeitwei lige Inhaftierung seines Leiters, Michel Warshavsky ist Teil dieser Politik. Die Brücken sollen zerschlagen werden, die im jüdisch– arabischen Jerusalem zwischen beiden Bevölkerungsgruppen allmählich aufgebaut worden sind. Die Behörden beschuldigen Warschavski und sein Pressebüro, der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ von George Habasch „gedient“ zu haben. „Unsere Kunden passen den Behörden nicht“ Das Zentrum belieferte Medien, vor allem auch ausländische, mit Berichten über Themen aus den besetzten Gebieten, die in den staatlichen Medien und der Presse nicht oder wenig berücksichtigt werden: Zustände in den Gefängnissen, Maßnahmen gegen Gewerkschaftsführer und Journalisten oder Proteste gegen die Besatzungspolitik. Warshavskis Partner, der Professor für Mathematik Emanuel Farjoun, meinte zu der vorrübergehenden Schließung des Pressebüros: „Sie wissen natürlich, daß wir nicht von Habasch leben, sondern unsere Informationsarbeit durch kommerzielle Büro–und Druckerei–Dienste finanzieren. Aber unsere Kunden passen den Behörden nicht. Wir drucken die Publikationen des Anti–Apartheid–Komitees, der Vereine gegen Rassismus in Israel, die hebräische Zeitung des palästinensischen Rechtsanwalts Ziad Abu Ziad, Gescher (Brücke) oder die Flugblätter des arabisch–jüdischen Komitees gegen die Politik der eisernen Faust.“ Die Regierung schloß das Zentrum aufgrund der britischen Notstandsverordnung von 1945 und der Anti–Terror–Bestimmung von 1948, die jetzt erstmals, wie auch im Prozess gegen die vier Rumänienreisenden, gegen jüdische Institutionen und Bürger angewandt werden. „Langsam aber sicher werden anti–demokratische Normen der Behörden in den besetzten Gebieten auf Israel selbst übertragen“, meint Farjoun, „Auch Juden fallen ihnen jetzt zum Opfer.“ Ausländische Diplomaten in Jerusalem, die das Material des Informationszentrums ebenfalls beziehen, vertreten die Auffassung, daß die Regierung auch der Weltöffentlichkeit klarmachen will, daß die PLO und alle Gruppen, die mit ihr zusammenarbeiten, als Gegner angesehen werden müssen und daß eine Beteilung der PLO an künftigen Verhandlungen ausgeschlossen ist. „Das ist ein zentrales Element im Konzept von Außenminister Peres, wenn er von dem Rahmen einer internationalen Konferenz für bilaterale Verhandlungen mit Jordanien spricht“, bemerkt auch ein Beamter des französischen Konsulats. Seit letzten Dienstag ist Wahrshavski wieder frei. Der Oberste Gerichtshof entschied, ihn gegen Kaution freizulassen. Sein Büro aber bleibt geschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen