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Aufenthaltsrecht auch ohne Familie

■ Bundesverwaltungsgericht widerspricht Baden–Württembergs Ausländerpraxis / Mehr Rechts– sicherheit für Ausländer / Rückkehrabsichten und „soziale Einordnung“ nicht im Widerspruch

Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - In der Bundesrepublik lebenden Ausländern darf nicht allein deswegen eine Aufenthaltsberechtigung verweigert werden, weil ein Ehepartner und die Kinder noch in der Heimat leben. Mit dieser Entscheidung gab gestern der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in insgesamt sieben Fällen türkischen und jugoslawischen Arbeitnehmern recht, die mit Unterstützung der IG Metall gegen die gängige Praxis der baden–württembergischen Ausländerbehörden geklagt hatten. Unter Berufung auf eine Verwaltungsvorschrift des baden– württembergischen Innenministeriums hatten die Behörden Ausländern die Aufenthaltsberechtigung mit der Begründung versagt, das Getrenntleben von ihren Familien sei ein deutliches Indiz dafür, daß sie sich nicht in das „soziale und wirtschaftliche Leben“ der Bundesrepulik integriert hätten. Außerdem sei zu erwarten, daß sie nach Beendigung ihrer Erwerbstätigkeit wieder zu ihren Familien in die Heimat zurückkehren würden. Daher hätten sie auch keinen Anspruch auf eine Aufenthaltsberechtigung. Dem widersprach jetzt das Bundesverwaltungsgericht mit einer eindeutigen Entscheidung: Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung sei, daß der Ausländer mindestens fünf Jahre in der Bundesrepublik gelebt und sich in das soziale und wirtschaftliche Leben eingefügt habe, wozu z.B. deutsche Sprachkenntnisse und ausreichender Wohnraum gehören. Diese Einordnung in deutsche Lebensverhältnisse setze jedoch nicht voraus, daß auch die Familie in der Bundesrepublik lebt. Auch mögliche Rückkehrabsichten in die Heimat stünden dieser „Einordnung“ nicht entgegen und seien kein Grund, einem Ausländer die Aufenthaltsberechtigung zu versagen. Diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte auch über Baden–Württemberg hinaus für verheiratete Ausländer von Bedeutung sein.

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