: Palästinensischer Studentenführer soll deportiert werden
■ Hochschulwesen in den israelisch besetzten Gebieten weitgehend lahmgelegt / Allein in der letzten Woche wurden 150 Palästinenser inhaftiert / Protestveranstaltung gegen Festnahmen und „administrative Haft“
Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die palästinensische Universität Bir Zeit, in der israelisch besetzten Westbank gelegen und vor zwei Wochen für vier Monate geschlossen, scheint die Besatzungsbehörden nachhaltig zu beschäftigen. Am Montag erließ der für die Westbank zuständige Kommandant, General Ehud Barak, eine Deportationsorder gegen den palästinensischen Studenten Marwan Barghouti, der Vorsitzender des Studentenrats von Bir Zeit ist. Der 28jährige war zwei Tage zuvor festgenommen worden. Ihm wird vorgeworfen, „gewaltsame Demonstrationen innerhalb und außerhalb des Universitätsgeländes angestiftet“ zu haben sowie „die Ziele der PLO zu verbreiten“. Ein israelischer Militärsprecher gab an, Barghouti habe sich in der Westbank und anderswo mit „feindlichen Elementen“ getroffen, um seine Aktivitäten zu organisieren. Barghouti war seit 1984 Mitglied des Studentenrates, und wurde im folgenden und in diesem Jahr als Vertreter einer der PLO nahestehenden Liste zum Vorsitzenden gewählt. Im August 1985 wurde er für sechs Monate in „administrative Haft“ (ohne Anklage und Urteil) genommen. Wie ein Militärsprecher bekanntgab, kann Barghouti jetzt Widerspruch gegen die Deportations–Order einlegen. In dem palästinensischen Theater Al Hakawati in Ostjerusalem wurde unterdessen eine Protestkundgebung gegen die massiven Festnahmen der letzten Zeit und die zunehmende Anwendung der „administrativen Haft“ abgehalten. Allein in der letzten Woche wurden 150 Palästinenser inhaftiert. Zu den bekannten Persönlichkeiten, die ohne Anklage im Gefängnis sitzen, gehört Feissal Husseini, der Leiter der Jerusalemer „Gesellschaft für palästinensische Studien“ und Gründer des israelisch–arabischen „Komitees gegen die eiserne Faust“ ist. Dieses Komitee hatte auch die Protestveranstaltung organisiert, an der unter anderem der arabische Parlamentsabgeordnete Mohammed Wattad von der Mapam teilnahm. Vor dem Theater, wo die Kundgebung stattfand, demonstrierte eine Gruppe israelischer Siedler von der radikalen Gush–Emunin–Bewegung. Sie forderten, daß Husseini und seine Freunde deportiert und das Theater sowie alle arabischen Zeitungen geschlossen werden. Auch der „Arabische Rat für Höhere Erziehung“ meldete sich gegen die jüngsten Repressionsmaßnahmen zu Wort. Der Präsident der Bir Zeit Universität, Gabi Baramki, erklärte, die Schließung der Lehranstalt für die Dauer von vier Monaten führe dazu, daß die Studenten, die vor dem Examen stünden, das Stundienjahr verlören. Sein Kollege von der Al Najah Universität in Nablus wies darauf hin, daß die wiederholten „präventiven Schließungen“ auch hier den Lehrbetrieb praktisch unmöglich machten. Außerdem seien derzeit sieben Studenten von Al Najah in „administrativer“, siebzehn weitere in „normaler“ Haft, sieben seien wegen „Verstößen gegen Ruhe und Ordnung“ zu Gefängnisstrafen verurteilt worden und weitere achtzehn könnten nicht studieren, da sie ihre Heimatorte nicht verlassen dürften. Unter diesen Bedingungen werde das Universitätswesen in der Westbank und dem Gaza–Streifen praktisch lahmgelegt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen