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Verhandlung ohne Baby Doc

■ Gestern begann in Frankreich ein Gerichtsverfahren, mit dem die jetzige Regierung Haitis die vom früheren Diktator des Landes, Jean–Claude Duvalier, veruntreuten Millionen wieder eintreiben will

Aus Grasse Georg Blume

„Jean–Claude Duvalier und ich wünschen nur eine Sache: in Haiti vor Gericht zu stehen. Frankreich ist nicht der Ort, an dem wir uns verteidigen.“ Das erklärte in der französischen Stadt Grasse der ehemalige Finanzminister der Baby–Doc–Diktatur, Franz Merceron, seinem Richter. Er war als einziger Angeklagter zum Beginn des Zivilprozesses erschienen, in dem Duvalier, seiner Frau und seinem Berater Sambour sowie Merceron der Mißbrauch öffentlicher Gelder von seiten der neuen Regierung in Haiti vorgeworfen werden. Duvalier soll 900 Mio. Dollar aus dem Staatshaushalt im Laufe seiner Amtszeit zu persönlichen Zwecken verwendet haben, die sich heute zum großen Teil auf schweizer und französischen Konten befinden, oder in diesen Ländern angelegt sind. Diese haben inzwischen die ihnen bekannten Wertanlagen und Guthaben des Diktators beschlagnahmt. Das Zivilgericht in Grasse, in dessen Nähe die Familie Duvalier in einer Villa an der Cote–dAzur seit etwa einem Jahr untergekommen ist, hatte gestern zu Prozessbeginn über die eigene Zuständigkeit in der Sache zu entscheiden. Der Pariser Staranwalt Sauveur Vaisse, der Duvalier verteidigt, warf den Klägern vor, einen politischen Prozeß zu führen, der als solcher nur in Haiti geführt werden könne: „Dann aber würde er die gesamte politische Klasse betreffen, die heute noch an der Macht ist und lange Zeit von Duvalier profitierte.“ Er verwies auf die Scheinheiligkeit der haitischen Regierung, die nun in Frankreich Klage führe, aber vor einem Auslieferungsverlangen um Duvalier an die französische Regierung zurückschrecke. Das Gericht müsse das Verfahren einstellen. Dagegen rechtfertigten die Anwälte der haitischen Regierung ihre Anklage mit dem Verweis auf das letztes Jahr in Paris gegen Duvalier verhängte Urteil, mit dem seine französischen Konten beschlagnahmt wurden. Das Urteil bestätige, daß Duvalier in Frankreich vor Gericht gestellt werden könne, zumal auch die Gelder, die Haiti zurückfordere, zum Teil in Frankreich angelegt seien. In der Tat muß das Gericht in Grasse, dessen Entscheidung über eine Einstellung des Verfahrens erst für den 23. Juni erwartet wird, über einen Präzedenzfall urteilen. Niemals zuvor klagte in Frankreich eine ausländische Regierung auf die Rückführung von im eigenen Lande entwendeten Geldern. Jean–Claude Duvalier lebt seit seinem Sturz ohne offiziellen Status in Frankreich. Bisher lehnten zehn Länder Ausweisungsgesuche von der französischen Regierung ab.

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