piwik no script img

Lieber Touristen als Oliven ernten

■ ... sagten sich 56 Frauen der griechischen Insel Lesbos und gründeten eine „Frauen–Touristik Genossenschaft“ / Ihr ungewöhnliches Projekt bringt ihnen Spaß und eigenes Geld / Von Routine keine Spur

Silbergrüne Wälder soweit das Auge reicht. Lesbos zählt zu den grünen Inseln der Ägäis. Oliven, Kiefern und immer wieder Olivenhaine sieht man auf der knapp zweistündigen Busfahrt von der Hafenstadt Mytilini nach Petra, einem kleinem Dorf an der Nordküste. Bis vor kurzem waren Oliven auch die einzige Einnahmequelle für die Frauen dort, eine Saisonarbeit in den Wintermonaten. „Wir hatten nur die Oliven, Bauernarbeit“, erzählt Voula von dem mühsamen Geschäft. „Wir haben Oliven gesammelt. Eine andere Arbeit hatten wir nicht. Auch wenn es geschneit hat, muß man eben trotzdem rausgehen, um die Oliven zu bekommen. Für den ganzen Tag gabs nur 600 Drachmen (ca. 8 DM).“ Das hat sich geändert. Vor drei Jahren wurde in Petra die erste Frauen–Touristik– Genossenschaft Griechenlands gegründet. Die von der sozialistischen Pasok–Regierung eingerichtete Gleichberechtigungsstelle in Athen hatte 1984 die Anregung dazu gegeben. Sie hatte die Griechinnen dazu aufgerufen, sich in Berufsgenossenschaften zu organisieren, um materielle Unabhängigkeit zu gewinnen. Die Reaktion war gleich null. Eleni Chioti allerdings, jetzt Vorsitzende der Genossenschaft in Petra, ergriff die Initiative. Sie ist eine lebendige, kluge Frau, die gern lacht: „Der ganze Anfang war erlogen.“ Kurzerhand hatte sie aus Begeisterung für die Idee offiziell 30 interessierte Frauen gemeldet. In Wirklichkeit gab es nicht eine einzige. Aber dann ist sie eben von Haustür zu Haustür gegangen und hat 26 Frauen gefunden. Inzwischen gehören der Genossenschaft 56 Frauen an, die mehr als 280 Betten anbieten. Keine von ihnen besitzt mehr als vier Zimmer, denn das gehört zu den Regeln. Die Frauen wollen eine andere Form des Tourismus, d.h. vor allem keinen Massenbetrieb. Das macht sich auch in der Art bemerkbar, wie sie ihre Gäste begrüßen. Da ist von Routine und Desinteresse nichts zu spüren. Wenn der Bus aus Mytilini auf dem Dorfplatz ankommt, stehen sie schon bereit: Frauen jeden Alters - die Jüngste ist 21, die Älteste 77 - holen sich ihre Touristen ab. Die Zimmer werden zentral verteilt, entlohnt wird einmal im Monat aus der gemeinsamen Kasse und zwar anteilig nach Zimmerangebot, nicht nach wirklich stattgefundenen Übernachtungen. „Am Anfang empfanden es die Frauen als Ungerechtigkeit, daß diejenigen genausoviel bekamen, die weniger Übernachtungen hatten und, statt zu arbeiten, spazieren gehen konnten“, beschreibt Eleni Chioti das schrittweise Umdenken der Frauen, „aber jetzt wollen die meisten lieber Gäste haben, weil es Spaß macht und Abwechslung bringt.“ Die Frauen von Petra lassen die Touristen am täglichen Leben teilnehmen. Man kann zugucken, wie Käse und Nudeln hergestellt werden, wie man Sirupfrüchte einlegt und Teppiche webt. Wer will, kauft die Zutaten zum Mittagessen in einem der kleinen Läden und kann sich von der Genossenschaftsfrau zeigen lassen, wie man auf griechisch im Kochtopf rührt. Und der Ehemann nimmt die Gäste auch schon mal mit, wenn er mit seinem Boot zum Fischfang ausfährt. Ansonsten haben Männer in der Genossenschaft nichts zu suchen. In den ersten fünf Jahren sind Männer ausgeschlossen, heißt es in den Statuten. „So hatten wir erstmal unsere Ruhe, und nach fünf Jahren sehen wir weiter“, sagt Eleni Chioti und lacht. Dreimal pro Woche organisieren die Frauen Ausflüge in die Umgebung, nach Eressos z.B., wo Sappho im 6. Jh. v.u.Z. ihre Mädchenschule führte, nach Sigri in die versteinerten Wälder oder ganz einfach mit dem Boot zu einer entlegenen Badebucht. Seit neuestem führen die Frauen auch ein Restaurant. „Ah, lecker“, ist eines der fünf deutschen Wörter, die Voula kennt. Die Verständigung funktioniert vor allem mit Händen und Füßen, ein bißchen Englisch, nur Ria spricht Deutsch, genauer gesagt Schwäbisch. Bei den Zimmerbuchungen gehen sie gern auf Sonderwünsche ein: sei es ein Zimmer bei der Genossenschaftlerin vom Vorjahr oder ein Haus nur für Frauen. Wenn Kinder dabei sind, vermitteln sie auch gern an Familien mit Kindern gleichen Alters. Doris Wille Reservierungen nimmt man am besten direkt in Petra vor. Ein Einzelzimmer kostet 12 DM, ein Doppelzimmer 20 DM, Frühstück pro Person 3,30. (Als Touristen können auch Männer kommen.) Es bestehen direkte Flugverbindungen nach Mytilini/Lesbos. Täglich gehen auch vier Flüge von Athen und einer von Thesaloniki auf die Insel. Außerdem gibt es regelmäßigen Fährverkehr. Frauen–Touristik–Genossenschaft Petra, Mytilini, 81100 Lesbos/Griechenland. Briefe sind auf Deutsch möglich, am einfachsten ist ein kurzer Anruf auf Englisch. Tel.: 0030/253/41238

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen