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I N T E R V I E W „Ich bin gegen jede Riesen–Deponie“

■ Lübecks Umweltsenator Hilpert zur neuen Giftmüll–Perspektive nach dem Kauf der Deponie Hoheneggelsen durch das Land Niedersachsen / „Ich plädiere für kleinere Deponien, die man im Notfall auch wieder beseitigen kann.“ Das Land Niedersachsen hat, wie gestern berichtet, mehrheitlich die Giftmüll–Deponie Hoheneggelsen übernommen. Giftmüll aus Niedersachsen soll künftig unter der Regie des Landes in Hoheneggelsen und nicht mehr in Schönberg (DDR) abgelagert werden. Der Kauf diene auch dazu, den Müll–ourismus zu unterbinden, sagte der niedersächsische Umweltminister Remmers. Gleichzeitig sollen die Müll–Gebühren kräftig erhöht werden. Die taz befragte den Lübecker Umweltsenator Egon Hilpert (SPD), der seit Jahren gegen die Giftmüll–Ablagerung in Schönberg streitet, zu den Auswirkungen des niedersächsischen Coups.

taz: Welche Auswirkungen hat der Kauf der Giftmülldeponie Hoheneggelsen durch das Land Niedersachsen auf den Giftmüll–Tourismus zur DDR–Deponie Schönberg vor der Haustüre Lübecks? Hilpert: Niedersachsen fällt damit als Lieferant für Schönberg aus und das begrüßen wir außerordentlich. Die niedersächsische Regierung vollzieht jetzt nur, was das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden hat. Lüneburg hat uns mit unserer Klage gegen die Transport–Genehmigungen nach Schönberg Recht gegeben, und eine Landesregierung, die auf rechtsstaatlichen Füßen steht, kann natürlich nicht mehr nach Schönberg liefern, weil das Urteil von Lüneburg bis zur Hauptverhandlung verbindlich ist. Schleswig–Holstein liefert trotzdem weiter und hat damit den Boden rechtstaatlicher Prinzipien verlassen. Wenn ein Gericht entschieden hat, dann müßte diese Entscheidung auch gelten, das war schon bei Friedrich dem Großen so. War der Kauf von Hoheneggelsen und die geplante Erweiterung auf 2,5 Mio. Tonnen der letzte Rettungsanker für Niedersachsen? Das kann ich nicht beantworten. Es soll ja bereits ein Ausweichplan für Schönberg vom niedersächsischen Kabinett beschlossen worden sein, aber davon wissen wir nur gerüchteweise. Auf jeden Fall begrüßen wir, daß Niedersachsen jetzt als Lieferant ausfällt. Neben Berlin, Bayern und Rheinland–Pfalz ist dies damit das vierte Bundesland, das nicht nach Schönberg liefert. Können Sie sich vorstellen, daß auch andere Bundesländer, vor allem Hamburg, Bremen und Schleswig–Holstein, künftig in Hoheneggelsen einlagern und nicht mehr in Schönberg? Ich hoffe es. Aber es wird teurer werden in Hoheneggelsen. Die Einlagerung kostet dort dreimal mehr als in der DDR. Die Deponie–Gebühren in Hoheneggelsen sollen auf 300 Mark je Tonne erhöht werden. Das wird die Industrie und die Abfall–Wirtschaft eher abschrecken als zum Verzicht auf Schönberg bewegen. Die Industrie ist solange nicht bereit, ihre Produktion umzustellen, solange sie ihre giftigen Abfälle billig ablagern kann. Ich bin da vielleicht etwas radikaler als die Grünen, aber ich glaube, daß man die Industrie zwingen muß, ihre Produktion umzustellen. Diese Produktion von Gift auf unserer Erdoberfläche ist nicht mehr zu verantworten. Im Grunde spielt es ja schon fast keine Rolle mehr, wohin das Gift abgeschoben wird. Die Deponie in Hoheneggelsen gilt nicht als sicher. Sie kann deshalb auch keine verantwortbare Alternative zu Schönberg sein. Ich kämpfe nicht für Hoheneggelsen. Ich habe Verständnis für alle Menschen, die in der Nähe einer solchen Deponie wohnen und sich dagegen wehren. Das tun wir hier in Lübeck auch. Ich verbinde den Kampf gegen Schönberg damit, daß ich sage, wir müssen an die Produktion ran. Ich kämpfe dafür, daß keine Tonne Giftmüll aufgeladen wird. Das müssen Sie sich mal ansehen, wenn hier die 30–Tonner über die Grenze gehen. Das sind kleine, fahrende Einfamilienhäuser. Das Zeug ist nicht kontrollierbar, die Giftstoffe, die entstehen, sind überhaupt nicht erfaßbar. Deshalb bin ich im Grunde gegen jede Riesen–Deponie, auch gegen Hoheneggelsen. Ich plädiere für kleinere Deponien, die man im Notfall auch wieder beseitigen kann. Die Riesen–Dinger sind doch nicht mehr beherrschbar. Interview: Manfred Kriener

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