piwik no script img

Abgas–Tricks auch in der Mitteklasse

■ Auch bei Fahrzeugen ohne geregelten Katalysator wird durch eingebaute Schalter die Abgas–Reinigung verschlechtert / Grüne: Die Norm wird nur in einem engen Testbereich eingehalten

Von Manfred Kriener

Berlin/Bonn (taz) - Die Abgas– Misere der deutschen Automobilindustrie haben die Grünen gestern um eine neue Variante bereichert. Auf einer Pressekonferenz in Bonn berichteten sie „über einen weiteren Schadstoff–Betrug“, dessen Auswirkungen „noch gravierender sind als beim Katalysator“. Nicht nur bei den Kat–Fahrzeugen in der Klasse ab 2,0 Liter, sondern auch in der dar unter liegenden Klasse werde mit Trickschaltern gearbeitet. Nach Recherchen der Grünen, die der Abgeordnete Jochen Brauer vorstellte, gibt es eine Palette unterschiedlicher Schalter und Fühler, die alle nur eine Funktion hätten: die Schadstoff–Optimierung in bestimmten Betriebszuständen zu umgehen. Die Hersteller, so der Vorwurf Brauers, „trimmen die Fahrzeuge so hin, daß sie lediglich innerhalb des engen Testbereichs die Abgas norm einhalten“. Als Testbereich wird jener Fahrzyklus verstanden, den der TÜV bei der Zulassung des Fahrzeuges für die Abgas–Messungen heranzieht. Bei den Kat–Fahrzeugen werden z.B. im Testbereich maximal 97 km/h gefahren (US–Norm). Für die Fahrzeuge unterhalb dieser Klasse (Euronorm) gilt als Testbereich ein Stadt–Zyklus, der nur bis zu einer Geschwindigkeit von 54 km/h reicht. Durch Geschwindigkeitsschalter, wie ihn nach Informationen der Grünen z.B. die Firma Opel für ihre neuen 1,6 Liter–Maschinen benutzt, werde dann ab Tempo 60 der Zündmechanismus so manipuliert, daß nicht mehr der Schadstoffausstoß sondern der Kraftstoff–Verbrauch optimiert wird. Dadurch würden „Stickoxide im höheren Geschwindigkeitsbereich fast unbegrenzt ausgestoßen“. Im Unterschied zu den Kat– Fahrzeugen, bei denen die optimale Schadstoffreinigung zugunsten von Motorkraft und Geschwindigkeit geopfert wird, gehe es den Herstellern in der Mittelklasse eher um das Einsparen von Kraftstoff. Und während bei den Kat–Fahrzeugen als Ergebnis der Trick–Schaltungen vor allem mehr Kohlenmonoxid und mehr Kohlenwasserstoffe emittiert werden, sind es in der Euronorm– Klasse die als Waldkiller erkannten Stickoxide. Opel hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Behauptung, daß die Abgasreinigungssysteme durch Trickschaltungen außer Funktion gesetzt würden, sei unhaltbar, erklärte die Rüsselsheimer Zentrale. Opel hat fast recht: Die Abgas–Reinigung wird tatsächlich nicht vollständig außer Betrieb gesetzt, sondern „nur“ in ihrer Funktion ganz erheblich beeinträchtigt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen