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I N T E R V I E W „Das Hauptproblem ist der Freier“

■ Liliane von Rönn (“Solidarität Hamburger Huren“) über die von der Stadt Frankfurt geplanten AIDS–Zwangsmaßnahmen gegen Prostituierte und Strichjungen

taz: Was halten Sie vom Plan der Stadt Frankfurt, „unbelehrbare Prostituierte“ abzusondern? Liliane von Rönn: Das ist der völlig falsche Weg. Kranke auf diese Art aufzubewahren, ist unmenschlich. Es hat außerdem keinerlei Wirkung zur Eindämmung der Krankheit. Ich halte das für eine reine Beruhigungsmaßnahme für die Öffentlichkeit. Es lenkt von den wirklichen Problemen ab. Welches sind denn die wirklichen Probleme? Das Hauptproblem ist das Verhalten der Freier. Ich kenne keine einzige Prostituierte, die von sich aus, egal ob sie gesund, krank oder drogenabhängig ist, ohne Gummi arbeitet. Der Freier verlangt das. Und dann sind natürlich Frauen, die drogenabhängig sind, die das Geld dringend brauchen, gezwungen, darauf einzugehen. Hier wird doch Ursache und Wirkung verwechselt. Was wäre euer Vorschlag? Wie kann man drogenabhängige, infizierte Frauen vom Strich holen? Es müssen vernünftige, akzeptable Therapie– Möglichkeiten angeboten werden. Die Frauen müssen eine Ersatzdroge kriegen, damit sie erstmal eine Atempause bekommen. Also Methadon–Programme... Beispielsweise. Ohne Ersatzdrogen sind die Frauen gezwungen, täglich aufs neue Geld heranzuschaffen, schon um die starken Schmerzen, die sich beim Entzug einstellen, zu umgehen. Man muß endlich von den alten Therapieformen abrücken. Die haben sich längst als unbrauchbar und unwirksam erwiesen. Man hält idiotischerweise daran fest, ohne nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die von den Betroffenen auch akzeptiert werden. Es geht bei den Zwangsmaßnahmen um den Typ der „charakterlich nicht mehr ansprechbaren Prostituierten“, der es als Folge ihrer Drogenabhängigkeit egal ist, ob sie jemanden ansteckt oder nicht. Ich habe einige Kontakte zu drogenabhängigen Frauen. Die mir bekannten drogenabhängigen Frauen würden vernünftige Therapieformen, wenn sie angeboten werden, auch akzeptieren. Aber die Therapien dürfen nicht repressiv sein. Ähnliche Maßnahmen wie jetzt in Frankfurt werden bald auch in anderen Städten folgen, bis hin zum Verbot der Prostitution. Hier wird der Versuch gemacht, bei den ungeliebten Randgruppen Zwangsmaßnahmen und Kasernierungen durchzuziehen. Die Leute, die das gut finden und die sich in einer Scheinsicherheit wiegen, die sollten sich mal überlegen, ob sie nicht morgen oder übermorgen selbst betroffen sind. Plötzlich heißt es dann, wir werden Herrn Kriener oder Herrn Mayer kasernieren, weil er welchselnde Sexualpartner hat. Hier werden die Schienen für die Zukunft gelegt, und davon ist jeder betroffen. Für uns ist es sehr wichtig zu sagen, daß genau das Gegenteil erreicht wird, von dem, was bezweckt wird. Durch die Kasernierung glaubt der Freier, daß jede Gefahr beseitigt ist und er jetzt erst recht Verkehr ohne Gummi verlangen kann. Manfred Kriener

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