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I N T E R V I E W Kleinert: „Ich verstehe die Aufregung nicht“

■ Der Bonner Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Hubert Kleinert, zur Zusammenarbeit mit militanten Gruppen

taz: Nach eurem gestrigen Unvereinbarkeitsbeschluß wollt Ihr nicht mehr mit militanten Gruppen zusammenarbeiten. Was heißt das konkret? Wenn sich die jetzt die Stahlarbeiter im Ruhrgebiet radikalisieren, geht ihr dann auf Distanz? Hubert Kleinert: Das ist doch Quatsch. Von einem Unvereinbarkeitsbeschluß kann keine Rede sein. Schon die Fragestellung ist der reinste Unsinn. Dann sag doch, was daran Unsinn ist. Gestern ist beschlossen worden, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, wenn man von der grünen Programmatik ausgeht. Die Grünen sagen von ihrer gewaltfreien Grundposition aus, daß sie keine Bündnisse mit Leuten eingehen, die diese Gewaltfreiheit nicht teilen. Das bedeutet doch nicht, daß die Grünen mit den Leuten nicht mehr reden oder sie ins Abseits drängen wollen. Es heißt ausdrücklich in eurem Beschluß, daß ihr eine Zusammenarbeit mit militanten Gruppen ablehnt. Bedeutet das, daß ihr zuhause bleibt, wenn künftig die Autonomen nach Wackersdorf gehen? Ich sage nochmals, das ist Quatsch. Praktisch könnte dieser Beschluß folgendes bedeuten: Wenn die Fraktion vor der Frage steht, einen Demonstrationsaufruf zu unterschreiben, dann wird sie nur dann unterschreiben, wenn es sich um Gruppen handelt, die ebenfalls gewaltfrei agieren. So sehe ich das. Als zweites müssen wir praktisch vor Ort dafür eintreten, daß gewaltfreie Aktionsformen durchgesetzt werden. Wie soll das konkret aussehen? Da diskutiert man mit den Leuten und geht notfalls dazwischen. Diese Dinge sind doch überhaupt nicht neu. Ich verstehe die ganze Aufregung einfach nicht. Grund für die Aufregung ist, daß Ihr ohne Not eine Distanzierung formuliert. Das erinnert an die SPD der 70er Jahre. Aus Angst mit militanten Gruppen identifiziert zu werden, demonstriert man Staatstreue. Jetzt fange ich mich an zu ärgern. Ich finde das unmöglich, wie Du hier als Interviewer Partei ergreifst. Man merkt unheimlich deutlich, wie Dir dieser Beschluß stinkt. Da hast Du allerdings recht. Bist Du grüner Politiker oder Journalist? Ich versuche ein kontroverses Interview mit Dir zu führen. Ich wiederhole nochmals, daß der Beschluß, kein Bündnis mit militanten Gruppen einzugehen, eine Selbstverständlichkeit ist. Die Grünen haben immer wieder ihr Bekenntnis zur Gewaltfreiheit erneuert. Selbst Jutta Ditfurth hat das gesagt. Die Tatsache, daß es darüber jetzt eine Diskussion gibt, finde ich erstaunlich. Wir haben doch explizit gesagt, wir wollen den Dialog mit den Autonomen. Es geht nicht nur ums miteinander reden. Bisher war es so, daß die Grünen mit autonomen Gruppen gemeinsame Aktionen gemacht haben, wie etwa in Wackersdorf. Es gibt auch künftig keinen Grund eine praktische Zusammenarbeit abzulehnen, wenn man sich an gemeinsame Absprachen zur Gewaltfreiheit hält. Probleme tauchen nur dann auf, wenn in den Vorbereitungsgesprächen klar wird, daß es zu militanten Aktionen kommen kann. Die Grünen können doch nicht ständig von Gewaltfreiheit reden, und dann augenzwinkernd danebenstehen, wenn die Gewaltfreiheit in der Praxis nicht eingehalten wird. Interview: Manfred Kriener

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