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Bewährung für WAA-Demo-Sanitäter

Berliner Medizinstudent war in der ersten Instanz zu 20 Monaten ohne Bewährung wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden / Widersprüchliche Aussagen von zwei Polizeizeugen zu angeblichen Steinwürfen  ■ Aus Amberg Bernd Siegler

Der Berliner WAA-Gegner und Demo-Sanitäter Willy K. kann aufatmen. Im Juni letzten Jahres war er vom Amtsgericht Schwandorf zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten ohne Bewährung u.a. wegen besonders schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Das bis dahin härteste Urteil in Sachen WAA hielt der zweiten Instanz nicht stand. Das Amberger Landgericht verurteilte den WAA-Gegner am Dienstag zu zwölf Monaten auf drei Jahre Bewährung.

Willy K. war bei der Großdemonstration am Ostermontag 1986 auf dem Weg zum Bauzaun festgenommen worden. In seinem Rucksack fanden Polizeibeamten fünf Metallsägen, Seiten- und Bolzenschneider, zwei Zwillen und Stahlmuttern. Sechs Wochen später, am Pfingstmontag, war Willy K., deutlich als Demo-Sanitäter gekennzeichnet, im Taxöldenerforst unterwegs. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft soll er zusammen mit anderen teilweise vermummten Demonstranten einen Polizeizug, der ein „Waldstück durchkämmen“ sollte, „unvermittelt mit Schottersteinen“ angegriffen haben. Bei der Gegenoffensive der Beamten war Willy K. stehengeblieben und wurde als einziger der Gruppe festgenommen. In seiner Umhängetasche habe man dann „abgeschliffene Muttern“ sichergestellt.

Die drakonische Strafe in der Erstinstanz führte Willys Verteidigerin, Rechtsanwältin Schenk aus Regensburg, auf die damals aufgeheizte Atmosphäre zurück. Die wenigen nach den schweren Auseinandersetzungen an den Pfingstfeiertagen festgenommenen Demonstranten – insgesamt 21 – sollten exemplarisch bestraft werden, nicht zuletzt um den überharten Polizeieinsatz z.B. mit dem Abwurf von CS-Gasgranaten aus Hubschraubern zu rechtfertigen.

In der Berufungsinstanz unterschieden sich die Aussagen der beiden entscheidenden Polizeizeugen in wesentlichen Punkten. Im Gegensatz zur ersten Instanz sprach der festnehmende Beamte jetzt von „wiederholten Steinwürfen“. Er will, obwohl er den Steinhagel mit dem Schild abwehren mußte, Willy K. ununterbrochen beobachtet haben. Dabei will er das Demo-Sanitäter-Leibchen über der schwarzen Jacke jedoch nicht gesehen haben. Zugführer Gratki will bei seiner maximal fünf Sekunden dauernden Beobachtung einen Wurf „sicher“ gesehen haben. Er hatte jedoch „den Eindruck, daß jeder geworfen hat, es war egal, wen wir erwischten“. Warum Willy K. beim Gegenangriff der Beamten einfach stehengeblieben war und sich widerstandslos festnehmen ließ, konnte er sich nicht erklären. Obwohl die beiden Polizisten sich – entgegen der ausdrücklichen Auflage vom Kammervorsitzenden Mohr – während der Mittagspause beim gemeinsamen Essen absprechen konnten, unterschieden sich die Aussagen auch hinsichtlich Entfernung und Ortsangaben.

Für die beiden Verteidiger gab es keinen eindeutigen Beweis, daß Willy K. einen Stein geworfen hat. Sie forderten Freispruch bzw. höchstens eine Geldbuße. Staatsanwalt Schmidt, der seinen Arbeitsplatz am Landgericht Amberg der Lawine von WAA-Verfahren zu verdanken hat, forderte zur Abschreckung 22 Monate für den „reisenden Gewalttäter“. Das Gericht hielt nur einen Wurf mit einem nicht näher zu umreißenden Gegenstand und einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz für erwiesen.

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