: AIDS: „Eigentor der Menschheit“
■ Delegationen aus 146 Ländern sind in London zur bisher größten internationalen AIDS–Konferenz zusammengekommen / WHO hat offiziell bisher 75.392 AIDS–Fälle in aller Welt gezählt
Aus London Rolf Paasch
Die Eröffnungsansprache von Prinzessin Anne zur internationalen AIDS–Konferenz in London ist von der Dachorganisation britischer Schwulen– und Menschenrechtsgruppen, „AIDS Vigil“, als „unsensibel, aufhetzend und irreführend“ verurteilt worden. Von ihrem Redemanuskript abweichend, hatte die Prinzessin, die auch Präsidentin der britischen Entwicklungshilfeorganisation „Save the Childrens Fund“ ist, AIDS als „Eigentor der Menschheit“ bezeichnet. Außerdem drückte der königliche Gast sein Mitgefühl für die „unschuldigen Opfer“ aus, die den Virus durch Bluttransfusionen oder „rachesüchtige AIDS–Opfer“ aufgeschnappt hätten. Dies, so kritisierte ein Sprecher von „AIDS Vigil“, impliziere, daß andere AIDS–Opfer an ihrer Krankheit selbst schuld seien und sie verdienten. „AIDS Vigil“ (AIDS–Wacht) forderte die in London versammelten Gesundheitsminister dazu auf, die Diskriminierung von AIDS–Opfern und Virusträgern in den jeweiligen Ländern mit gesetzlichen Gegenmaßnahmen zu bekämpfen. Die rund 6.500 Delegierten aus 146 Ländern befaßten sich am Mittwoch mit Aufklärungsprogrammen für spezifische Risikogruppen und Maßnahmen zur sozialen Betreuung von Virus– Trägern und AIDS–Kranken. Ziel der bisher einmaligen Mammut– Konferenz ist es, auf dem Weg zu einer globalen Strategie gegen die AIDS–Ausbreitung weiterzukommen. Zum Auftakt hatte der Direktor des AIDS–Programmes der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Dr. Jonathan Mann, die jüngsten Zahlen über die globale Ausbreitung der Pandemie zusammengefaßt. Danach sind der WHO bis heute 75.392 AIDS– Fälle aus 130 Ländern gemeldet worden, drei Viertel davon aus Nord– und Südamerika, zwölf Prozent aus Europa und zwölf Prozent aus Afrika. Die tatsächliche Anzahl von AIDS–Fällen wird auf über 150.000 geschätzt. In diesem Jahr dürften weitere 150.000 Menschen neu mit AIDS infiziert werden. Angesichts der Zahl von gegenwärtig 5 Millionen Virus– Trägern wird die Zahl der AIDS– Fälle 1991 vermutlich die Millionengrenze überschreiten. Der AIDS–Experte der WHO betonte ferner, daß die Verhinderung diskriminierender Maßnahmen in der AIDS–Bekämpfung nicht nur die Menschenrechte schütze, sondern auch die Effektivität der AIDS–Programme verbessere, eine Einsicht, die offenbar noch nicht bis ins britische Königshaus vorgedrungen ist.
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