: Koalition dreht Pirouetten ums Atom
CSU-Stoiber giftet gegen Hausmanns (FDP) Ausstiegsgedanken / CDU-Basisgruppe gegen Atomenergie irritiert Bonner Parteizentrale / DGB-Vize Fehrenbach sagt Dissidenten Unterstützung zu ■ Von Manfred Kriener
Berlin (taz) – Im Bonner Koalitionsgefüge knirscht es in Sachen Energiepolitik. Strauß-Adlatus Stoiber griff gestern mit scharfen Worten FDP-Generalsekretär Hausmanns Überlegungen über einen sanften Ausstieg aus der Atompolitik an. Stoiber forderte Bangemann und Umweltminister Töpfer auf, die von Hausmann „in die Welt gesetzten Unsicherheiten sofort auszuräumen“. CSU-Vize- Generalsekretär Hermann Huber warf Hausmann vor, die gemein same Energiepolitik zu verlassen: „Wir sehen mit großem Befremden, daß der Generalsekretär der FDP leichtfertig und aus Publicitysucht die gemeinsame Energiepolitik in Frage stellt.“ Der forschungspolitische Sprecher der CDU, Lenzer, sagte, die FDP müsse sich für den Ausstieg einen anderen Partner suchen. Die Union halte an der Atomenergie fest, auch am Schnellen Brüter.
Hausmann hatte am Montag laut über den „Einstieg in den Ausstieg“ nachgedacht. Er hatte gefordert, daß keine weiteren AKWs mehr zugebaut werden und auf den Betrieb älterer Anlagen schrittweise verzichtet werde. Gegen den Schnellen Brüter in Kalkar sei er „immer schon“ gewesen. Zur Entsorgung hatte Hausmann erklärt, er habe Zweifel, „ob wir schnell genug vorankommen.“
Angesichts einer auch in der CDU begonnenen Ausstiegsdiskussion sagte der Kalkarer CDU- Bundestagsabgeordnete Seesing, wenn es nicht gelinge, die ungeklärte Frage der Entsorgung in einem Kraftakt zu lösen, sei die Glaubwürdigkeit der Atomenergie nicht wieder herzustellen.
Die neugegründete CDU/ CSU-Basisgruppe zur „Überwindung der Kernenergie“ hat inzwischen prominenten Zulauf bekommen. Der stellvertretende DGB-Vorsitzende Fehrenbach und der frühere saarländische Umweltminister Budell sagten dem in Baden-Württemberg gegründeten Arbeitskreis ihre Unterstützung zu. Unterdessen gingen die Parteimütter auf Distanz. CSU-Generalsekretär Tandler erklärte, die Basisgruppe berufe sich „unberechtigterweise“ auf die CSU. CDU-Sprecher Merschmeier bezeichnete gegenüber der taz die neue Gruppe als „Kind, dessen Vater und Mutter nicht bekannt sind“. CDU und CSU hätten eine Million Mitglieder, von denen sich 14 jetzt in einem Arbeitskreis organisierten, das seien weniger als ein Promille.
Der Initiator der Gruppe, der Schlierer Pädagoge Josef Funk, verteidigte die Gründung des Arbeitskreises. Er rechne mit weiteren Mitgliedern, wenn der Werbefeldzug abgeschlossen sei. Er sei seit 1954 Mitglied der CDU, wenn man ihn im Konrad-Adenauer-Haus nicht kenne, werde er sich dort einmal vorstellen. Die CDU müsse endlich das Wort von der Übergangsenergie ernst nehmen. „Wir können nicht von Übergangsenergie reden und dann die WAA in Wackersdorf bauen.“
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