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QUERSPALTESprachpflege

■ Zur Abschaffung des „Retortenbabies“

Die Gesellschaft für deutsche Sprache will „sprachpflegerisch“ eingreifen und den „Mißgriff“ des Wortes „Retortenbaby“ durch eine „bessere, humanere“ Bezeichnung ersetzen. Der Hilferuf der Wiesbadener Sprachforscher ist ein gezielter Versuch, mit Sprache Politik zu machen. In der Sache haben die Kritiker recht.

Das Kind wird nicht in der Retorte, sondern in der Petrischale gezeugt, aber der Begriff „Petrischalenbaby“ würde den Sprachforschern genauso wenig gefallen. Es geht nicht um inhaltliche Präzision, sondern um die Beseitigung der Assoziationen, die solche Begriffe – zurecht – auslösen. Retorte, das klingt nach Künstlichkeit und Chemie, nach Frankenstein, Grusellabor und ausgetickten Chemikern, die im dichten Labornebel neue Menschenkinder zusammenbasteln. Von dieser Assoziationskette soll die Zeugungsindustrie befreit werden.

Das Wort Retortenbaby ist griffig und stimmig, vielleicht wird es deshalb unmöglich sein, diesen Begriff zu entsorgen. Dennoch kann man unbequeme Begriffe sprachlich amputieren, und verordnete Alternativen lassen sich mit „guten Behauptungschancen“ (GddS) durchsetzen: So mutierte das Atom- zum Kernkraftwerk und befreite sich von allen Assoziationen zur Atombombe. Der Gift- geriet zum Sondermüll, das Waldsterben zum Waldschaden, die Festnahme zum polizeilichen Gewahrsam, die Mauer zum Schutzwall, Spendenbetrug zur Umwegfinanzierung, und die Sprachforscher aus Hanau stilisierten Schmiergelder zu Aquisitionserleichterungen. Manfred Kriener

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