: „Entweder eine gemeinsame Zukunft oder gar keine!“
■ Die Versammlung von Ländern aus Afrika, Karibik und Pazifik (AKP) ruft zur Isolierung der Südafrikanischen Regierung auf /Wichtige Schuldenfragen vertagt
Aus Lome Wilfried Telkämper
Vom 21. bis 25.März 1988 tagte die Paritätische Versammlung AKP–EG (AKP–Versammlung) in Togos Hauptstadt Lome. Auch die AKP–Versammlung besitzt die Schwerfälligkeit großer Tagungen, die Lähmung durch Geschäftsordnungsanträge oder durch die Worthülsen so mancher etablierten Politiker. Diese halbjährlich tagende Versammlung hat aber den Vorteil, daß DelegiertInnen miteinander sprechen, die sonst wenig oder aus politischen Gründen gar keinen Kontakt pflegen. Hier werden gemeinsame Lösungen der entwicklungspolitischen Probleme zwischen Nord und Süd oder auch einzelner Staaten gesucht. Die Regierungen der mittlerweile 66 AKP–Staaten entsenden ihre DelegiertInnen, die der EG–Staaten werden durch das Europäische Parlament (EP) benannt. Die Verträge von Lome III, womit die Periode 1985 bis Ende 1989 bezeichnet wird, umfassen 8,5 Milliarden ECU (1 ECU = 2 DM). Das Neue an Lome III ist, daß nicht mehr ein geschäftsführender Ausschuß die Politik bestimmt, sondern die Versammlung selbst Anträge direkt verabschiedet. Wesentliche Themen dieser Tagung waren die Situation und Versorung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, die Flüchtlingsströme und die technologische Entwicklung in den AKP– Ländern (Verkehrsprobleme) sowie insbesondere die Situation im südlichen Afrika. Zur Nahrungsmittelversorgung wurde festgestellt, daß der Hunger in Afrika endemisch ist. Als erstes Menschenrecht wurde das Recht auf Nahrung vonseiten der AKP–Länder betont. Von EG–Seite fand nur vereinzelt Kritik an den strukturellen Zusammenhängen, etwa zwischen Produktionsweise und Konsumverhalten der nördlichen Länder dieser Welt statt, die Hunger und Unterentwicklung vielfach produzieren. Immerhin wurde bezüglich der strukturellen Anpassungsprobleme festgestellt, daß wohl nur die AKP–Versammlung die Notwendigkeit der Nahrungsmittelselbstversorgung begriffen haben, daß IWF, Weltbank und GATT nicht das abwürgen dürften, was erreicht worden und im Aufbau begriffen ist. Im Rahmen der Debatte über die Nahrungsmittelversorgung muß auch die Verschuldungssituation der AKP–Länder gesehen werden. In diesem Zusammenhang wurde die Situation auf dem Rohstoffmarkt diskutiert. Nach Angaben der UNCTAD haben die Entwicklungsländer 1985 durch den Verfall der Rohstoffpreise (ohne Öl) 50 Milliarden US–Dollar Verluste gehabt. In diesem Jahr wird der Verlust der Entwicklungsländer durch den Preisverfall etwa 30 Milliarden ECU betragen. Auch Umweltauswirkungen bei der Produktion dieser Rohstoffe rücken langsam ins Bewußtsein der Delegierten. So sollen beispielweise die Umweltauswirkungen bei der Nutzung von tropischen Regenwäldern geprüft werden. Bezüglich der Schulden ist die Situation der AKP–Länder ganz anders als die der lateinamerikanischen Staaten. Die AKP–Länder hatten 1986 eine Gesamtschuld von 112,5 Milliarden US–Dollar. 70 Prozent dieser Schulden bestehen bei öffentlichen Gläubigern, 30 Prozent bei privaten. Diese Relation ist in Lateinamerika genau umgekehrt. Ein Vorschlag von AKP–Seite war, einen europäischen Trustfonds für Entwicklung zu gründen. Diese und weitere Lösungsvorschläge zur Entschuldung der AKP–Länder werden Hauptthema der Folgetagung im Herbst in Madrid sein. Andiskutiert wurde, daß der Schuldendienst begrenzt sein muß auf einen bestimmten Prozentsatz der Exporte, daß die Rückzahlungen in Landeswährungen stattfinden müssen und daß ein Schuldenerlaß der öffentlichen Schulden für die ärmsten Länder notwendig ist, so wie es der französische Präsident Mitterrand vorschlägt und Kanada teilweise praktiziert. „Entweder eine gemeinsame Zukunft oder gar keine haben wir!“, war hier der Wahlspruch. Die Situation im südlichen Afrika war ein weiterer Diskussionsschwerpunkt. Fast einstimmig wurde die Politik der südafrikanischen Regierungen schärfstens verurteilt und von der EG Wirtschaftssanktionen und eine Isolierung der Regierung Südafrikas verlangt. Die üblichen Diskussionen über den Sinn dieser Sanktionen und wen sie träfen wurden geführt. Vorherrschend war die Meinung, daß diese Sanktionen von der um Freiheit ringenden Bevölkerung Südafrikas gefordert werden und sie deshalb schnellstens in die Tat umgesetzt werden müßten. Da die Bundesrepublik Deutschland zur Zeit die Präsidentschaft im Rat der EG innehat, teilte die Staatssekretärin Frau Adam–Schwätzer der Versammlung mit: „Die Zwölf (Staaten der EG) sind entschlossen, ihre Politik der politischen und diplomatischen Schritte fortzusetzen, um dazu beizutragen, daß die Apartheid bald vollständig abgeschafft wird.“ Da die Staatssekretärin in der anschließenden Debatte nicht bereit war, auf zusätzliche Fragen, die vorher nicht schriftlich eingereicht worden waren, einzugehen, konnte ihr wenig aussagekräftiger Vortrag auch zu keiner weiteren Klärung beitragen. Umso mehr Beachtung muß ein fraktionsübergreifender Kompromißantrag Beachtung finden. Hier wurden nicht nur die Apartheid und die jüngsten Vorfälle in Südafrika verurteilt und ökonomische Sanktionen gefordert, sondern weitergehend die aggressive Politik Südafrikas gegenüber Angola und Mosambik verurteilt. Vor allem ruft dieser Antrag zu zusätzlichen Restriktionsmaßnahmen auf. Keine südafrikanische Kohle soll mehr in die EG importiert und alle kooperativen Maßnahmen, die zur weiteren Entwicklung der südafrikanischen Nuklearindustrie beitragen könnten, sofort beendet werden. Um die politische Bedeutung zu unterstreichen, wurden diese Teile ebenso wie die Verurteilung von Gesellschaften in EG–Mitgliedsstaaten, einschließlich der Euratom–Beamten, die falsche Angaben über den Ursprung von Uran aus Südafrika und Namibia gemacht haben, Satz für Satz abgestimmt. Der gesamte Antrag wurde schließlich getrennt nach Delegierten der AKP–Staaten und des EP abgestimmt. Die AKP–Vertretung stimmte einstimmig für den vorliegenden Antrag, in der Delegation der EG gab es drei Gegenstimmen durch die äußerste Rechte. Wilfried Telkämper nahm als Mitglied ders Europaparlaments an der Konferenz teil.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen