piwik no script img

Ein Hafen für Schönberg

In der Wismarer Bucht baut die DDR eine Pier, die zur Anlandung von Sondermüll für die Giftmülldeponie Schönberg bestimmt ist. Die Infrastruktur für die größte Giftkippe Europas soll verbessert werden. Anlieger befürchten, daß künftig ganze Schiffsladungen Gift- und Hausmüll angeliefert werden.

Robbensterben und Killeralgen haben das Interesse bei Töpfers DDR-Besuch auf die Wasser-Themen konzentriert. Zweiter Schwerpunkt ist die Luftreinhaltung. Doch in keiner Agenturmeldung über den Töpfer-Besuch wurde dagegen das Objekt prächtiger Zusammenarbeit im deutsch-deutschen Umweltbereich thematisiert: die Giftmüll-Kippe Schönberg. Die DDR-Deponie ist der größte bundesdeutsche Mülleimer. Von den 40.260 Lastwagen-Ladungen, die 1985 nach Schönberg rollten, stammen mehr als 90 Prozent aus der Bundesrepublik. Und Schönberg bleibt auch in den nächsten Jahren der wichtigste Müllschlucker der westdeutschen Chemie-Industrie und für Hamburg auch der größte Abnehmer von Hausmüll, wenn die Gerichte den Müll-Transfer nicht doch noch stoppen.

Die Bedeutung von Schönberg könnte international noch wachsen. Wie jetzt bekannt und von Ostsee-Urlaubern bestätigt wurde, will die DDR Schönberg auch für den See -Transport zugänglich machen. In knapp 30 km Entfernung von der riesigen Lagerstätte am westlichen Zipfel der Wismarer Bucht mitten im Wohlenberger Wiek wird eine Pier zur Anlandung und Umladung von Sondermüll gebaut. Die Projektierung hat der Betriebsteil Wismar des VEB Bau- und Montagekombinat für Industrie- und Hafenbau Stralsund übernommen. Das Stralsunder Kombinat war auch für die Hochbauten der Deponie Schönberg verantwortlich. Wohlenberg hatte als Giftmüll-Hafen den Vorzug vor der Insel Poel erhalten, weil hier bereits ein militärischer Fähranleger existiert und durch Ausbaggerungsarbeiten eine genügend tiefe Fahrrinne in der sonst flachen Bucht vorhanden ist.

Die DDR könnte mit dem Vorhaben den Einzugsbereich der Giftdeponie wesentlich vergrößern und hätte eine Alternative für die Lkw-Anlieferung. Aus Westeuropa hätten Schiffe über den Nord-Ostsee-Kanal Zugang.

Ein Teil der Anwohner beobachtet die Realisierung des Projekts mit größtem Mißtrauen. Befürchtet wird nicht nur ein starker Schiffsverkehr, sondern auch Gifteintrag durch Ladungsverluste oder im schlimmsten Fall „Havarien“. Auch die Einrichtung von Sperrzonen und eine weitere Landschaftsverschandelung dürfte die Konsequenz sein. Das Wohlenberger Wiek ist ein Urlaubs- und Badeort. Campingplätze und Betriebsferienheime des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes nehmen Urlauber aus der gesamten DDR auf. Aber auch Einheimische aus Wismar oder Grevesmühlen nutzen die Badebucht.

Das Bonner Umweltministerium weiß bislang nichts über die DDR-Pläne. Schönberg stand auch nicht auf dem Besuchsprogramm des Umweltministers. Hier kann er auch kaum Lorbeeren ernten: der Giftmüll-Tourismus zur DDR-Deponie sei zwar „keine glückliche Sache“, erklärte das Ministerium, aber derzeit noch unverzichtbar.

Manfred Kriener

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen