piwik no script img

Talent in den Werken, Genie im Leben

■ Eine neue Biographie über Oscar Wilde

Bernd Robben

Es gab eine Zeit, die nannte sich die Moderne, und die begann vor hundert Jahren, und für viele ist sie noch gar nicht zu Ende. Es war eine Zeit, in der noch die alten Könige und Königinnen herrschten und ihre Untertanen sich fragten, ob das Leben ein Traum, ihr (Alp-)Traum ein Leben sei; eine Zeit „des ersten Anrennens der europäischen Intelligenz gegen die verheuchelte Moral des viktorianischen, des bürgerlichens Zeitalters“ (Th.Mann). Die einen fürchteten die Jahrhundertwende als Weltenende und verfielen den Preziosen und Dämonien, sie liebten die Dekadenz und die femme fatale; andere vergötterten die Jugend, den Aufbruch, die Sonne, den Körper. Man hielt das Ich für eine Trägheit des Gefühls, und man gründete Gewerkschaften; man sezierte die Impression und malte den Alltag in der Vorstadt. Man fragte sich, ob Aufbruch oder Untergang, und nur die wenigsten begriffen, daß die einfachen Wahrheiten nur noch den Deckmantel für komplexere Wirklichkeiten abgaben. Einzig das Paradox schien mit beiden Beinen auf festem Grund zu stehen. Und einer, der es meisterhaft beherrschte, der das Gegensätzliche in die knappe Form des schnellen Aper?us und des blitzenden Aphorismus band, brachte es zum Tanzen. In anmutigen, doch ungeheuer modernen Sätzen forderte er seine Epoche, führte er sie im Slowmove über Dublins Dielen, im Square Dance durch die Staaten, und feierte mit ihr Triumphe in London und Paris. Der letzte Tanz war ein Cancan, man sah von beiden das Allerschönste, und dann zeigte sie ihm den Allerwertesten. Dem Eintritt der neuen Diva, dem zwanzigsten Jahrhundert, durfte er nur von der Eckbank zuschauen, als Mauerblümchen.

Noch in den dreißiger Jahren war Oscar Wilde in Deutschland der meistgelesenste englische Autor, seine Werke verkauften sich besser als die Krimis von Edgar Wallace. Allein vom „Dorian Gray“ gibt es heute mehr als zwanzig verschiedene Übersetzungen. Und sein Leben ist nicht unbekannt. Kaum einem Autoren wurden mehr Biographen zuteil als ihm. Kein Wunder also, daß man heute das Leben von der Legende kaum noch unterscheiden kann.

Ein amerikanischer Professor, Kritiker, Übersetzer und Biograph kam während des Krieges nach Irland und lernte dort die Witwe von W.B.Yeats kennen. Er erhielt Zugang zu bislang unveröffentlichtem Material und, wie es so geht, publizierte zwei Bücher über Yeats, die auch heute noch als Standardwerke ihrer Art gelten. Richard Ellmann, so sein Name, schrieb und kompilierte mit dem Anspruch des Akademikers, schuf die Authentizität eines Biographen und machte es spannend wie in einem Roman. Mehr als zehn Jahre arbeitete er an seinem Hauptwerk, der Biographie von James Joyce. Was lag näher, als sich mit einem dritten großen Iren zu befassen? Dreizehn Jahre Forschung, die letzten Jahre im Leben Ellmanns, stecken in diesem biographischen Bestseller, einem 650-Seiten-Monstrum, mit dem definitiven Titel: Oscar Wilde Erste Schritte in Dublin

Wie gesagt, man kennt sein Leben. Oder ist es die Legende, an die man sich erinnert? Ist er nicht die ersten zehn Jahre seines Lebens als Mädchen aufgezogen worden? Oscar im wunderhübschen Rüschenkleid und Spangen im Haar? Stimmt. Und kein Biograph hat es sich bisher nehmen lassen, im Freud-für -den-Hausgebrauch nachzuschlagen, um gewichtig auf die prägende Bedeutung dieser Lebensepisode für den werdenden Homosexuellen hinzuweisen. Aber auf die Liebesaffäre zwischen Oscar Wilde und Lord Alfred Douglas, die bekannteste, weil berüchtigste Affäre viktorianischer Zeit, kommen wir noch zu sprechen.

Wir waren beim Rüschenkleid, und bei der Kleidung hielt sich auch Oscar lange auf. Das provinzielle Dublin war ihm eine zu kleine Bühne. Trotz seiner Eltern. Deren Salon war gefragter Mittelpunkt des Dubliner Kulturlebens, der Vater ein Arzt und Hobbyarchäologe, der für seine medizinischen Verdienste geadelt wurde, und seine Mutter eine überzeugte Republikanerin, die vielgelesene, gräßliche Verse für die Unabhängigkeit Irlands schrieb, irische Märchen sammelte und ihren langweiligen Vornamen Jane gegen Francesca Speranza vertauschte. Wie später ihr Sohn liebte sie es, Banales stilvoll zu frisieren. Generalprobe in Oxford

Oscar vertauschte Dublin mit Oxford. Er brillierte in Latein und Griechisch und las die Präraphaeliten. Er war groß, ein Träumer, mit weichem Gesicht, und kleidete sich mit ausgesuchter und auffälliger Eleganz. In seiner Wohnung präsentierte er auf einer Staffelei ein unvollendetes Ölbild, an dem sich, anders als in seinem Roman, nie etwas änderte, bedeckten griechische Teppiche den Boden, sah man kostbare Tanagra-Statuetten hier und da und Lilien in blauen Sevre-Vasen. Tag für Tag fällt es mir schwerer, sagte er einmal über seine Vasen, entsprechend meines blauen Porzellans zu leben. Es war eine seiner frühesten Bemerkungen, die den Anspruch formulierte, sein Leben wie ein Kunstwerk führen zu wollen.

Im Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ gibt es eines der aufregendsten Gespräche in der englischen Literatur. Lord Henry Wotton trifft den jungen und schönen Dorian, und er verführt ihn mit seinen Worten. „Wir müssen“, sagt er, „für unsere Entsagungen büßen. Jeder Trieb, den wir zu ersticken versuchen, frißt im Innern weiter und vergiftet uns. Der einzige Weg, einer Versuchung zu entgehen, ist, sich ihr hinzugeben.“ Lord Henry lebt nach einer Philosophie, die auch Oscar Wilde in Oxford immer stärker beeinflußte. Wieder und wieder las er Walter Paters Buch über die Geschichte der Renaissance, nannte er es sein goldenes Buch, das einen eigenartigen Einfluß auf ihn ausgeübt hätte. Das Leben, so Pater, ist nichts als ein Strom einzelner Momente. Jeden dieser Augenblicke müssen wir genießen, ihn aufs Höchste kultivieren, nicht nach der Frucht der Erfahrung, sondern nach der Erfahrung selbst suchen. Die Kunst, das folgerte daraus, ist nichts anderem als ihrer eigenen Vollkommenheit verpflichtet. Sie ist nicht wahr oder falsch, gut oder böse. Sie ist Kunst um der Kunst willen, l'art pour l'art.

Oscar Wilde spannte den Rahmen für das Kunstwerk Oscar und machte Oxford zur Generalprobe für „Wilde inszeniert Wilde“. Das Publikum applaudierte dem lorbeergekränzten Dichter wie dem liliengeschmückten Narren des Ästhetizismus. Noch hielt er seine Sehnsucht nach einer Wahrheit, die jenseits der Kunst lag, für eine Schwäche. Er trat den Freimaurern bei. Er liebäugelte mit der katholischen Kirche, ihren prächtigen Gewändern und heidnischen Ritualen, den geschnitzten Altären und schwerem Weihrauchduft. „Aber er verfiel nie in den Irrtum“, schrieb er später über Dorian Gray, „seine geistige Entwicklung durch die äußerliche Annahme irgendeines Glaubens oder Systems zu behindern oder irrtümlich eine Herberge, die gut ist zu kurzem Aufenthalt während einer Nacht oder gar nur für ein paar Stunden, wenn gerade keine Sterne schimmern und der Mond im Werden ist, für ein Haus zu halten, in dem man sein Leben verbringt.“ Er warf es sich vor, sich nicht entscheiden zu können; er war weder amoralischer Ästhet, heidnischer Grieche noch gläubiger Katholik. Er lebte im ideologischen Exil, von allem fasziniert, ohne sich für eines entscheiden zu können. Und er beschloß, wie so viele Iren, unentschieden zu bleiben und sich stattdessen in der Sprache zu Hause zu fühlen. Und dort, im Lande Paradox, richtete er sich ein. „In der Kunst ist wahr, wovon das Gegenteil genauso stimmt.“

Frauen oder Männer - ein weiterer Gegensatz, den Oscar in Oxford nicht entscheiden, sondern leben wollte. Man weiß, daß im 19.Jahrhundert die Public Schools, die Internate und die ausschließlich von Männern besuchten Universitäten gerade in England eine ausgeprägte homosexuelle Subkultur in der gesellschaftlichen Oberschicht hervorgebracht haben. Nicht zuletzt deshalb waren die Akademiker und Intellektuellen von der griechischen Kultur begeistert. Ungehemmt konnten sie so im Namen der Forschung knabenhafte und männliche Körper bewundern oder die Texte liebeswerbender griechischer Philosophen lesen. Oscar Wilde dichtete: „Und wenn du ihn siehst, den treulich ich liebe,/ach, wenn du siehst den Purpurschuh,/den Haselstab, des Jünglings braunes Haar .../.“ Solche Zeilen sind geschmacklos, aber sie waren nicht ungefährlich. Noch während seiner Studienzeit wurde ein Kommilitone mit der Begründung von der Universität gewiesen, er habe „unmoralische Verse zitiert“. Oscar Wilde schwärmte von Knaben und verliebte sich in Frauen. 1877 infizierte er sich bei einer Prostituierten mit Syphilis. Im Körper des Schönlings fraßen die Spirochäten. Man kann darüber spekulieren, wieweit die Diskrepanz zwischen seiner gesellschaftlichen Wirkung und dem Wissen um seinen inneren Verfall zur Idee vom Bildnis des Dorian Gray beitrug. London, 1.Akt

Wilde fiel auf. Sein Schneider fertigte Anzüge nach Wildes eigenen, genauen und lyrischen Angaben. Einmal schrieb er, die Farbe solle sein wie ein See glänzend im Mondlicht (also mausgrau), an einem schwarzem Anzug waren die Knöpfe unsichtbar anzubringen, im Stile Francis I., die Ärmel von Samt, bestickt mit einem Feldblumenmuster, endend in großen Puffen aus gleichem Material, den Halsausschnitt hatten brokatverbrämte Rüschen zu umgeben, die Kniebundhosen hauteng anzuliegen und die Strümpfe aus schwarzer Seide zu sein. Die Schuhe mit halbhohem Absatz verzierte eine Silberschnalle. Man sprach über Oscar Wilde.

Und Oscar Wilde sprach. Er bezauberte. Er schlug jede Gesellschaft in seinen Bann. Es gab niemanden, der sich seinem Charme, seinem Witz und seinen Bonmots entziehen konnte. Andre Gide, der lange Jahre mit ihm befreundet war, klagte, daß Wildes beste Schriften nur kümmerliche Schatten seines Redens seien. Wilde schuf sich durch die Sprache, durch die Kunst der Konversation. Nichts war ihm unantastbar oder ernst genug. „The importance of being earnest“ galt nur für die Maske Bunbury. Wilde attackierte die Spätviktorianer. Nicht gewichtig, sondern leicht, nicht eindeutig, sondern andeutend. Wilde gefiel, Wilde amüsierte, seine Nadelstiche kitzelten den trägen, schwerfälligen, dickbäuchigen Bourgeois. Und noch ertrug der die schnellen Hiebe des Mantel- und Degenhelden mit gutmütigen Grinsen.

Wilde wurde zu einem Londoner Schauspiel. Kaum eine Zeitung, die ihn nicht karikierte, kaum ein Künstler, der ihn nicht kannte, kaum ein Salon ohne ihn. Er galt als Dandy, als Prototyp einer neuen Generation von Ästheten. Ein Theaterstück bespöttelte diese neue Bewegung, hatte in London großen Erfolg und dann ebenso in New York. Der clevere Manager fragte den unfreiwilligen Adressaten des Gelächters, ob der nicht eine Lesetour durch die Staaten machen wolle, für die eigene Promotion und natürlich für die des Theaterstücks. Der Ästhet sollte für seine Karikatur die Werbetrommel rühren. Zwischenspiel:

amerikanische Revue

Ein Jahr dauerte die Lesetour. Man feierte den Iren. Mehr als einhundertfünfzigmal hielt er die gleichen Vorlesungen über die „englische Renaissance“, über das „schöne Haus“ und über „die dekorativen Künste“. Er füllte die Säle, ein Schriftsteller mit kleinem Werk, aber mit um so größerem Ruf. Witz und Charme bewiesen auch jenseits des Atlantiks ihre Wirkung und ließen die eminente Selbstreklame unaufdringlicher scheinen. Das Wort „aestheticism“ wurde in den amerikanischen Wortschatz übernommen, auch wenn, wie kaum anders erwartet, pragmatisch um das „a“ gestutzt. Wildes Lesen für die Verschönerung des Lebens war die bis dahin wohl härteste und hartnäckigste Attacke gegen die vulgären und materialistischen Amerikaner. Paris, 2.Akt

„Wer, wann, mit wem und wie“ - natürlich fragt man das sublim, mit Stil, aber letztlich entspringt doch alle Lust am Biographischen der Lust am Klatsch und dem Vergnügen am heimlichen Blick ins ehedem Private. Richard Ellmanns Biographie enttäuscht auch solcherlei Bedürfnisse nicht. Bevor Wilde nach der Lesetour seinen truimphalen Einzug in London hielt, verbrachte er einige Wochen in Paris. Er traf den Maler Degas, der züngelte über Wilde, er sähe aus wie ein Lord Byron der Vorstadttheater. Und er sah Paul Verlaine, der ihm viel zu schäbig angezogen war. Er akzeptierte eine Einladung Prousts zum Essen, betrat dessen Salon am Boulevard Haussmann und verabschiedete sich direkt wieder mit der Bemerkung: Mein Gott, wie häßlich ist doch ihr Haus. Ehe und Liebhaber, 3.Akt

Nach dem Tode seines Vaters verschlechterte sich Wildes finanzielle Lage. Er suchte einen Job, aber neimand wollte ihn. Er vrsuchte es als Schullehrer, als Mitarbeiter in einem Verlag und erhielt Absage nach Absage. Erst nach weiteren zwei Jahren erschrieb er sein erstes regelmäßiges Geld als Redakteur einer Frauenzeitschrift, Wilde gestaltete: The Woman's World. Arbeit war die eine Möglichkeit, die ökonomischen Verhältnisse zu sichern, Heirat eine andere. Und die zweite Möglichkeit barg mehr als nur einen Vorteil. Immer wieder hatte man dem Dandy weibisches Verhalten angekreidet, munkelte man, noch unberechtigt, über schwule Aktivitäten Wildes. Eine Heirat würde Gläubiger wie Moralapostel zum Schweigen bringen. Oscar Wilde heiratete 1884. In „Eine Frau ohne Bedeutung“ sagt Lord Illingworth: „Das Buch des Lebens beginnt mit einem Mann und einer Frau in einem Garten.“ Und Mrs. Allonby antwortet: „Es endet mit Offenbarungen.“ Zwei Jahre nach der Hochzeit trifft Wilde seinen ersten schwulen Liebhaber. Höhepunkte, 4.Akt

Wildes Ruf fußte auf schmalem Sockel. Einen Band Gedichte und zwei Theaterstücke mit eher kläglichem Erfolg hatte er publiziert. In beiden Spielarten Text kann man lesen, wie sehr Wilde, der so schlecht schweigen konnte, vom Geheimen und Verbotenen fasziniert war. Nach dem Gesetz war er nun selbst ein Krimineller. Öffentliches oder privates unmoralisches Verhalten zwischen männlichen Personen ahndete das Criminal Law Amendment Act von 1885 mit bis zu zwei Jahren Gefängnis. „Ach! Ich habe deinen Mund geküßt, Jochanaan, ich habe deinen Mund geküßt. Es war ein bitterer Geschmack auf deinen Lippen. War es der Geschmack von Blut? ... Aber vielleicht schmeckt so die Liebe“ (aus Salome).

Obwohl „Dorian Gray“ eines der ersten literarischen Werke Englands ist, das die Homosexualität relativ offen erwähnt, wäre Oscar Wilde nicht sonderlich daran interessiert gewesen, Homosexualität zu legalisieren. Ihn reizte die Gefahr. Er war gefeierter Mittelpunkt der Gesellschaft und gleichzeitig jenseits ihrer Ränder. Jetzt lebte er die Gegensätze, die Harmonie und das Verbotene. Das Publikum trug ihn in die Höhe, und er begann, auf es einzupeitschen. Die schwule Liebe befeuerte sein Genie. In kurzer Zeit schrieb er seine Märchen, schrieb die Theaterstücke und wurde zum erfolgreichsten Bühnenautor Englands. Fast immer gehören seine Figuren zur obersten Gesellschaftsschicht, sind sie Lords oder Ladys. Sie arbeiten nicht (natürlich nicht), sie produzieren nichts - außer vielleicht eine Kunst, die sie bespiegelt - und sich selbst. Sie schaffen sich nach ihrem eigenen Bilde, das Material, in dem sie sich formen, ist die Sprache. Sie üben die hohe Kunst der Konversation, das rasche Ausfallen, das flinke Parieren. Der Stil gilt alles, der Inhalt nichts. Recht zu haben ist uninteressant, man muß den Satz gewinnen. Die Worte werden so rasch in kontroverse Konstellationen gebeugt, daß sie, wie vielflächige Spiegel, immer neue Bilder und Bedeutungen zurückwerfen. Und im Licht der ungewohnten Brechungen blitzen die Heuchelei, die doppelte Moral auf, sieht man die Scheinheiligkeiten und Masken der Spätviktorianer. Von der Ehe, die er selbst wie eine Kulisse vor sein Leben schob, sagt er: „Der einzige Unterschied zwischen einer Laune und einer lebenslänglichen Leidenschaft ist der, daß die Laune ein bißchen länger dauert.“ Und über die Liebe: „Was sie Anstand nennen und Treue, nenne ich entweder Trägheit der Gewohnheit oder Mangel an Einbildungskraft. Treue im Gefühlsleben ist dasselbe wie Konsequenz im Geistesleben: nichts als ein Zugeständnis von Schwäche.“ Über unwichtigere Themen, wie zum Beispiel England, verliert er nur kurze Sätze: „Das Bier, die Bibel und die sieben Todsünden haben aus unserem England das gemacht, was es heute ist.“

Dabei war er durchaus treu, ohne sich deshalb nur mit einem einzigen Liebhaber zu begnügen. 1891 lernte er Lord Alfred Douglas kennen. Kosename Bosie. Ein blasses Alabastergesicht mit blondem Haar, noch Student in Oxford, mit dichterischen Ambitionen, ohne Talent, versessen aufs Nichtstun, auf ein Leben im großen Stil, skrupellos egoistisch - ein schönes adeliges Aas. Beide liebten sich innig. Wilde schrieb schwärmerische und brisante Briefe, und Bosie genoß es, mit Wilde in aller Intimität und Öffentlichkeit auszugehen. Bosie wurde zum Schatten des strahlenden Oscars. Sah man den einen, war der andere nicht weit. Sie teilten alles miteinander. Bosie teilte Oscars Geld, Oscars Ruhm und teilte mit ihm Liebhaber, die er für sie fand. Die Jungens waren 17 oder 18 Jahre alt, und oft fand sich eine ganze Clique von ihnen in einem Londoner Nobelhotel, im Grandhotel eines Badeortes ein. Der alte Wilde (er war nun um die 40), saß zwischen den Jungen, überwiegend bereits professionellen Strichern, hörte ihre abenteuerlichen Geschichten und aß mit wohligem Schauer seine Soupers mit den Panthern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen