: Hühner in der Schule
■ Die ersten gemeinsamen Schultage behinderter und nichtbehinderter Kinder in der Grollander Grundschule Brakkämpe / Aktiver und praktischer Unterricht
Hühner und Kaninchen stolzieren und hoppeln im Innenhof der u-förmig angeordeneten Gebäude der Grundschule Brakkämpe im Stadtteil Grolland. Schon wenn man die Schule betritt, fällt der Blick durch die Scheiben des Verwaltungstraktes auf den kleinen Stall. Aha, doch keine so ganz normale Grundschule in der - wie berichtet - behinderte und nichtbehinderte Kinder künftig zum Teil gemeinsam unterrichtet werden sollen.
Durch die Bremer Schulschliessungen befindet sich die Sonderschule bereits seit Mai 1987 in einem Flügel der Grundschule. Verwaltungszimmer verbinden die verschiedenen Gebäudeteile und Schulformen. Die eigentliche Verbindung aber schufen bisher die Kinder und einige engagierte LehrerInnen mit drei Projekten. Vor allem die kleine
Tierhaltung - mit Hühnern, Hahn und Kaninchen - und das Afrikafest hätten, so die Rektorin der Sonderschule Ulrike Dombek, die meisten Hemmungen bei den GrundschülerInnen abgebaut. Diese positiven Eindrücke übertrugen sich ihrer Meinung nach langsam auch auf viele Eltern. Gerade für den Stadtteil Grolland, wo wenig Behinderte wohnen, so der Direktor der Grundschule Dieter Wildenhain, seien Kontakte mit der Sonderschule wichtig gewesen. So sieht Wildenhain eine sehr positive Entwicklung und heute ein etwas größeres Verständnis in diesem Stadtbezirk.
Die erste Klasse des sogenannten „Kooperations-Modells“ lernt zur Zeit ihre Schule kennen. Frau Schäffer mit zwei Sonderschülern und Herr Grützmacher mit elf ErstklässlerInnen gehen
gemeinsam durch die Gebäude, Höfe und nähere Schulumge bung. Teile der Schule sollen fotografiert und dann von den Kindern im Gebäude und auf einem Grundriß aufgesucht werden. Kunst, Musik und Sport finden - so vereinbarten sie künftig generell gemeinsam statt.
Grundschullehrer Grützmacher hatte zunächst Ängste, was da auf ihn zukommt. Er sei nie in näherem Kontakt mit behinderten Kindern gewesen; „doch jetzt läuft es besser, als ich mir vorgestellt hatte“. Die Konzentrationszeit sei natürlich kürzer, er müsse langsamer sprechen und der Unterricht müsse viel aktiver und praktischer gestaltet werden. Die von der Schulbehörde zugebilligten zwei zusätzlichen Koordinationsstunden reichten jedoch nicht aus. „Wir benötigen etwa die doppelte Zeit“, so Grützma
cher.
Frau Bykowa, Leiterin des voll integrierten Kindergartens in der Kornstraße, betreute die beiden Sonderschüler bisher und wollte sich gestern über die Koordinationsklasse ihrer ehemaligen Zöglinge informieren. Es sei sehr wichtig, betonte sie, daß die beiden wieder mit gesunden Kindern zusammen seien. Sie hätte sonst einen Rückfall im Entwicklungsstand befürchtet. In einer rein heilpädagogischen Abteilung ohne den Kontakt mit gesunden Kindern, so meinte sie, könnte Kolja, eines der behinderten Kinder, noch nicht so gut sprechen. Er sei nun viel offener und aktiver.
Und was sagen die Kinder? Was ist denn anders im Klassenzimmer der Sonderschule? „Da ist eine Küche. Und der Kolja, na das ist eben Kolja.“
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