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Werben im Stil der Zeit

Notorisch weist der Deutsche Werberat Beschwerden über frauenfeindliche Darstellungen ab / Man wolle keine „amtlichen Wunschbilder“, heißt es im jetzt veröffentlichten Jahresbericht  ■  Von Susanne Petz

Wer kennt das nicht? Sekretärin in trägerlosem Jäckchenkleid wirbt für tragbare Schreibmaschinen. Titel: „Wie heißt Deutschlands unternehmungslustigste Schreibkraft?“ Eine attraktive farbige Frau auf dem Wannenrand wirbt für Badezimmereinrichtungen. Slogan: „Männer lieben den Reiz der farbigen Note.“ In der Plakatwerbung für Eiltransporte und Umzüge trägt ein Möbelpacker in der linken Hand einen Vogelkäfig mit Wellensittich, über der rechten Schulter eine junge Frau. Text: „Anruf genügt. Wir schaffen's rüber.“ 33,4 Milliarden Mark, die in der Bundesrepublik 1987 in Werbemaßnahmen investiert wurden, garantieren, daß frau sich täglich ärgern darf.

Sie kann diesem Ärger sogar Luft machen: Als Anlaufstelle für Beschwerden der VerbraucherInnen und „selbstdisziplinäre Einrichtung“ hat die Wirtschaft vor 16 Jahren den Deutschen Werberat gegründet. Nur nützt er wenig: in allen eingangs genannten Fällen (und die Liste der Beispiele ließe sich beliebig erweitern) wurden die Beschwerden der VerbraucherInnen zurückgewiesen. Und das, obwohl es nach Aussagen des Werberates zu seinen Praktiken gehört, „daß er herabwürdigende und das Anstandsgefühl verletzende Darstellungen und Aussagen über Frauen in der Werbung mißbilligt“.

Die Begründungen, mit denen die Beschwerden abgewiesen werden, zeigen deutlich, daß der Werberat eher Alibi- als Kontrollfunktionen wahrnimmt. So wertet man es nicht etwa als Kriterium für Diskriminierungen, wenn Frauen in der Werbung als Blcikfang für beliebig viele und unterschiedliche Produkte benutzt werden. Im Gegenteil: es gilt als Indiz dafür, daß eine Diskriminierung eben nicht vorliegen kann. Außerdem, empfiehlt die selbstdisziplinäre Einrichtung, „sei zu berücksichtigen, daß auch staatliche Stellen, politische Parteien und gemeinnützige Organisationen in ihren Informationen und in ihrer Werbung unter anderem attraktive Frauen abbildeten“. Na, dann kann's wohl nicht mehr so schlimm sein.

Das beliebteste Argument ist jedoch, daß Werbung ein „Spiegelbild der Gesellschaft“ zu sein hat: „Werbung ist gezwungen, Entwicklungen in der Gesellschaft nachzuvollziehen, wenn sie akzeptiert werden will. (...) Sie muß die Sprache der Zeit sprechen, um gehört zu werden.“ Nach diesen simplen Prinzip wird die werbewirksame Degradierung der Frau zum Sex-Objekt z.B. mit der gelockerten Einstellung zur Sexualität der 70er Jahre begründet. Warum die neue Freizügigkeit in der Werbung fast ausschließlich den Frauen zugute kam und kommt, bleibt allerdings unklar. Doch diese Frage sollte uns eigentlich gar nicht mehr tangieren, denn, so Volker Nickel vom Werberat, Anfang der 80er Jahre ebbte die Sexwelle ab. „Und die Werbung zog erneut mit.“ Anstelle von „Sexualität im Sinne von Geschlechtlichkeit“ gebe es heute in der Werbung lediglich „erotische Darstellungen“. Ganz entblößt oder kokett verdeckt - Kriterien für ein geändertes Frauenbild?

Abgesehen von den schönen, schlanken, weiblichen Garnierungen präsentiert die Werbung Frauen vorzugsweise als Hausfrauen, Mütter oder Berufstätige in untergeordneten Positionen, in jedem Fall weitgehend unselbständig und in handwerklich-technischen Dingen inkompetent. Auch das erklärt der Rat der Verkaufsförderer mit der Widerspiegelung gesellschaftlicher Tatsachen. Frauen seien nun mal in der großen Mehrzahl immer noch Hausfrauen und Mütter und deshalb z.B. auch die häufigsten Einkäufer und Verwender von Haushaltswaren. Folglich müssen sie in der Werbung auch als solche dargestellt werden, denn: „Lebensfremde Werbung wäre ökonomische und damit volkswirtschaftliche Verschwendung.“

Das „Kontroll„-Gremium stellt in seinem Jahresbericht zwar fest, daß die Hälfte aller eingegangenen Beschwerden sich mit diskriminierenden Darstellungen von Frauen beschäftigen, leitet daraus aber keinen gesellschaftlichen Trend ab, der sich in der Werbung widerspiegeln muß. Statt dessen folgert der Werberat aus der Tatsache, daß die Beschwerdetätigkeit von staatlichen Stellen zugenommen hat, daß der Staat sich als betroffener Verbraucher sehe und dem Bürger immer mehr Funktionen abnehme. Die Idee, daß z.B. die Gleichstellungsstellen oft im Auftrag betroffener VerbraucherInnen agieren, ist dem Werberat wohl zu wirklichkeitsfern.

Auch die „unheilige Allianz“ (O-Ton Zentralausschuß der Werbewirtschaft), in der sich alle vier im Bundestag vertretenen Parteien gegen frauendiskriminierende Werbung stark machen, führt nicht zu einer Kurskorrektur. Im Gegenteil, man wehrt sich dagegen, daß Wirtschaftswerbung „zur Verbreitung amtlicher Wunschbilder mißbraucht werden“ soll. Den Vorschlag der Bundesregierung, gemeinsam einen „Leitfaden zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Werbung“ zu erarbeiten, bezeichnet der Zentralausschuß als „Akt der Wirtschaftslenkung und einen Versuch, Wirtschaft und Bürgern amtliche (...) Wertvorstellungen aufzuzwingen“.

Die Forderungen der Frauenreferentin der bayerischen Grünen, Ingrid Borretty, gehen noch weiter: Da der Werberat seinem Anspruch, selbstdisziplinierend zu wirken, in keinster Weise gerecht werde, solle er sich auflösen. Das neue Gremium müsse paritätisch besetzt werden, es sollen VerbraucherInnen darin vertreten sein, und seine Entscheidungen müssen offengelegt werden.

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