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Kommunistenfresser in Genf

Jahreskongreß der Antikommunistischen Weltliga begann in Genf Hotel von Privatpolizei gesichert / Gegendemonstration am Samstag  ■  Aus Genf Thomas Scheuer

Als Gastgeber für Friedensgespräche aller Preisklassen wird Genf, Sitz des europäischen UNO-Hauptquartiers, gewöhnlich in der Weltpresse gehandelt. Doch für dieses Wochenende hat sich in der Diplomatenmetropole an der Rhone ein kriegerisches Völkchen angesagt, dem der Frieden wenig, aber angeblich die „Freiheit über alles“ zählt: So lautet jedenfalls der Slogan des 21.Kongresses der „Antikommunistischen Weltliga“, der dieser Tage im Genfer Hotel Planta steigt. Da die Ligisten der Genfer Kantonspolizei wohl nicht recht trauen, haben sie eine private Polizeitruppe mit der Absicherung ihres Meetings betraut.

Zur dieser Liga gehören „primitive Gangster, Neonazis, Faschisten, Antisemiten und rechtsextreme Terroristen“. Das meint jedenfalls der konservative britische Ex-Abgeordnete Geoffrey Stewart-Smith; und der muß es wissen: Schließlich war er selbst Mitglied der Liga und leitete deren Kongreß in London. „Als Bürger Europas und als lebenslanger Bewunderer der Schweiz und aller christlichen und demokratischen Werte, die sie repräsentiert“, so der Brite in einem Brief an den Schweizer Botschafter in London, warnte er die Eidgenossen vor dem Aufmarsch seiner Ex-Gefährten in Genf. Die Liga unterstütze lateinamerikanische Todesschwadrone, sei eine „völlig korrupte Organisation“ und vereinige ausschließlich „Feinde der Demokratie“. Seinem Schreiben legte der Insider das Urteil eines luxemburgischen Gerichts von 1987 bei, das Journalisten von einer Verleumdungsklage freigesprochen hatte, die die Liga-Aktivisten als „Faschisten“ und „Killer im Zweireiher“ tituliert hatten.

Fest steht, daß die Kommunistenfresser-Bande von Taiwan und Südkorea finanziert und auch politisch gesteuert wird. Verbindungen soll es zu diversen Militärdiktaturen und Geheimdiensten sowie zur Moon-Sekte geben. Angeblich stehen der südkoreanische Geheimdienst und einige Söldnergruppen auf der geheimen Mitgliederliste. Verschiedene Presseberichte behaupten, die Organisation beziehe einen Teil ihrer Gelder aus Drogengeschäften. Offen unterstützt die Liga vor allem die Contras in Nicaragua, vermutlich auch die UNITA in Angola.

Unter den rund 250 Delegierten aus aller Welt werden in Genf Südvietnams Ex-Diktator Nguyen Van Thieu und der US -amerikanische Ex-General John Singlaub erwartet. Singlaub hatte in den USA als einer der ersten - lange vor Oliver Norths Operationen - die Sammelbüchse für die Waffenkonten der Contra geschwenkt. Singlaubs Nachfolge im Liga-Vorsitz hat für ein Jahr die schweizerische FDP -Nationalratsabgeordnete Genevieve Aubry angetreten, die auch den Genfer Kongreß leiten wird. Vor einigen Jahren löste sie mit rassistischen Äußerungen anläßlich eines Südafrika-Trips Wirbel in den Schweizer Medien aus. Die Schweizer Anhänger der Liga rekrutieren sich vornehmlich aus Kreisen der fremdenfeindlichen Fortsetzung auf Seite 6

Genfer „Vigilance“ (Wächter) und anderen rechtsextremen Kreisen, vornehmlich aus der französischen Schweiz. Kritik aus den Reihen der Linken kassierte die Genfer Kantonsregierung, welche die in der Schweiz notwendigen Bewilligungen für ausländische Redner in allen beantragten Fällen „nach der üblichen Überprüfung“ anstandslos erteilte.

Als „eine Schande für unseren Kanton“ und „eine Provokation des humanitären und internationalen Charakters“ der Konferenz- und UNO-Stadt Genf empfinden die Mitglieder eines Gegen-Komitees den antikommunistischen Auflauf. Sie werfen der Liga die Mitschuld an der Ermordung und Folterung zehntausender Gewerkschafter und Oppositioneller vor allem in Lateinamerika und den Philippinen vor. Für Samstag ruft das Komitee zu einer Demonstration vor das in Flughafennähe gelegene Tagungshotel auf.

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