: Behörden-Krieg
■ Ein Strafgefangener kämpft aus dem Knast um seine Wohnung
1983 löste man mich vom Freigang ab, wegen Urlaubsüberzug und weil ich meine damalige Freundin beleidigt hatte. Das hieß wieder Tegel und ein offenes Verfahren (Abt. 67). Nix Vergünstigungen. Ich lernte durch eine Zeitungsanzeige meine Frau kennen. Wir heirateten am 22.11.83 in der JVA Tegel. Wegen des lächerlichen Verfahrens gab es keine andere Möglichkeit, obwohl die Frau die Beleidigungsanzeige zurücknahm. STA K. machte Nötigung daraus.
4 Tage vor der Entlassung besuchten mich RA Str./E., 1 Tag vor der Entlassung war Termin, 3 Tage vor der Entlassung hieß es: Packen Sie ihre Bücher, es gibt Urlaub im Gnadenwege, Ihre Ehefrau ist tot in der Wohnung aufgefunden worden, um 13 Uhr sollen Sie bei der Kripo sein, unser Beileid, raus hier!
Die Kripo sagte Alkohol und Tabletten, die Wohnung sieht schlimm aus, Selbstmord, hier die Schlüssel. Wir hatten eine Siemensdienstwohnung am Rohrdamm. Siemens ließ mir dann mitteilen: Wir kündigen Ihnen als Erbe fristgerecht. Vom Amt wollte ich Hilfe. Dieses erklärte mir nur, erstmal die 350 DM Entlassungssgeld verbrauchen, zudem hat Ihre Frau 21.300 DM Witwenabfindung bekommen, die sie nicht verbraucht haben kann. Also es gab nix. Die Commerzbank sperrte bis zur Klärung der Erbschaft das Konto. Ein „guter“ Freund pumpte mir 2.000 DM, das Bestattungsinstitut 700,00 DM!
Gut, die Erbschaft bekam ich 4 Monate später. Erstmal zahlte ich 8.000 DM Bestattungskosten, Bewirtung der Trauergäste usw.
Zwischendurch gab's noch 8 Monate auf 4 Jahre Bewährung, für Beleidung des Richters R. von der STVK und eben Nötigung. Auch RA Str. wollte Geld. Die gepumpten Gelder mußte ich zurückzahlen. Einer, der mir 2.000 DM lieh, meinte er hing in der Brenne, ich soll ihm noch 4.000 DM leihen, was ich tat. Angelaufene Mieten, Telefon, Versicherungen mußten bezahlt werden. Aus Angst vor einer Pfändung unterschrieb ich dem „Freund“ eine Lebensversicherungsabtretung von meiner Frau, die er versprach, sofort zurückzuzahlen. Die Bank kassierte das erstmal ein, weil sein Reisebüro Schulden hatte. Er zahlte einen Teil nur schleppend zurück. Ich bekam zwischenzeitlich ALG. Auch bekam ich nach zähem Kampf meine o.g. Wohnung von der GSW nach 6 Monaten schon. Von der Erbschaft war nichts mehr. Ich hatte mich linken lassen. Arbeit fand ich auch, mit gefälschten Unterlagen bei Hertie. Als ich kurz krank war und die geldgeile Justizkasse einen Pfändungsbeschluß vorlegte, war das Kapitel Hertie erledigt; nach 3 Wochen.
Für einen Kaufmann mit Betrugsdelikten ist es sehr schwer.
Ich bummelte und griff dann zu, als man meinen Mittäter in seinen Reisebüros die Konzessionen abnahm, die ich bekam. Das war am 17.12.84. Ich wollte u.a. schneller mein Geld wieder zurückhaben. Das glückte nur teilweise. Als er dann Kunden ablinkte, konnte ich nicht anders und gab die Konzession freiwillig zurück. Es war nichts mehr zu retten. Ich lebte dann mit meiner Mitarbeiterin vom ersten Tag an zusammen; später Verlobte; einmal bei mir, einmal bei ihr. 2 Stellen habe ich in einem Feinkostladen und bei Karstadt in Neukölln verloren, als die Justizkasse mal wieder Geld wollte, nach ca. 4 Wochen. „Sie waren Geschäftsführer in dem Reisebüro und Sie waren im Knast als Kaufmann heißt es, wegen Betrug. Nein Sie nicht, wir müssen rationalisieren!“ Ich ließ mich von einem Psychiater krank schreiben, bezog Krankengeld, ergänzend Sozialhilfe und ALG.
Wir kamen dann zu dritt auf die Idee (mein Exchef, meine Braut und ich), Kreditkarten zu beantragen. Als Kaufleute wußten wir, wie das geht, wie man trotz eingetragener Vorstrafen die Schufa ausspielt. Wir bekamen die American -Express-Karte. Damit kauften wir in Berlin, BRD, Ausland hoch und kräftig ein, ohne zahlen zu wollen. Wir wollten nicht mehr arbeiten und leichter und einfacher leben und sicher auch Rache an der bösen Gesellschaft nehmen. Natürlich kannten wir die Folgen. Aber wir werden nicht ertappt, sagten wir uns, was ja auch so war!
Als wir mit der Karte nix mehr machen konnten, kam es zum Streit. Meine Freundin fühlte sich im Goldenen Käfig und nicht mehr frei. Das brachte mich in Rage. Sie lief zum Betrugsdezernat, zeigte sich, mich und meinen Mittäter an. Betrug und Beihilfe. Die Partnerschaft war kaputt, klar. Nun war uns alles egal! Wir betrogen Großkonzerne auf Teufel komm raus, um den Stil zu halten. Am 14.2.86 durchsuchte die Kripo meine Wohnung und ließ mich wieder laufen, nicht aber meinen Mittäter (ehemaliger Reisebürochef).
Ich sagte mir, der ist weg, mach weiter. Das tat ich mit weiteren Kreditkarten mit Erfolg auch. Ich sagte mir, Knast kriegste ohnehin, was sollste noch arbeiten mit Steuerkarte. Auch machte ich Mietschulden und verwendete Mieten, die mir das Sozi zahlte, anderweitig unter dem Motto, ach es wird schon. Sicher ist das falsch, was ich auch einsehe.
Als ich 4 Mieten zweckentfremdet hatte, ging ich zum Amt und bezeichnete mich als Alki! Das Amt sagte, es übernehme den Vergleich mit der GSW solange, bis ich in Arbeit stünde, neben der Miete, wenn ich mich verpflichte, eine Entziehungskur in einer Berliner Krankenanstalt mitzumachen und eine Klage zurücknähme. Das Amt verpflichtete sich. Soweit lief das auch!
Miete 635,09 DM und 150 DM Wohngeld (Vergleich) waren die Kosten. Als ich nach der sogenannten Entziehungskur vom 2.9. - 16.9.86 wieder eine sogenannte selbständige Tätigkeit vorbereitete, wurde ich am 4.11.86 verhaftet in meiner Wohnung. Am 8.5.87 verurteilte mich das LG Berlin zu 6 Jahren wegen Betruges unter Androhung der SV.
Das Sozialamt zahlte zunächst 3 Monate alles weiter und stellte dann ein, mit dem Hinweis, ich soll untervermieten. Das Verwaltungsgericht verurteilte das Amt, noch 6 Monate weiter zu zahlen. Die GSW verbot die Untervermietung trotzdem, auf Zeit. Sie wollte räumen lassen. Ich bekam vom AG Spandau Räumungsschutz. Jetzt erlaubte die GSW Untervermietung auf einmal, rückte aber keine neuen Haustürschlüssel raus, die die Kripo nach einer Durchsuchung verloren hatte, die aber der Justizsenator bezahlte. Die GSW hat das Geld. Als ich einen solventen Untermieter nannte, schrieb mir die GSW, die 403,00 DM Wohngeld aber nimmt, daß sie ihn nicht nimmt, sollte ich es trotzdem tun, kannte sie ihn raus. Gleichzeitig beantragte sie Aufhebung des Räumungsschutzes. Das ist link!
Letzte Woche teilte dann das Landgericht Berlin mit, der Vergleich sei nicht erfüllt, die GSW dürfe räumen, meinte er, Untervermietung könne die GSW erlauben. Nun ist die GSW auf Fortbestand des Mietvertrages und auf Untervermietung verklagt worden, am AG Spandau und auf Herausgabe der Schlüssel, an einen Bevollmächigten, der sagte, er stelle nichts unter, wenn ich raus müsse, er sei kein Sozialamt. Ferner ist das Sozialamt vom Verwaltungsgericht verklagt auf Zahlung des Differenzbetrages Wohngeld-Warmmiete! Einstweilige Anordnungen wurden grundsätzlich abgeschmettert, die OVG Richter Dr.B. mit den verlogensten und phantasiereichsten Erfindungen bestätigte.
Weil ich ihn bedrohte und beleidigte, gab's 18 Monate auf 4 Jahre Bewährung. Weitere Anzeigen hat B.'s „Präsi“ gegen mich erstattet.
Nun will mich eine Brieffreundin aus Österreich heiraten. Hier versucht mein Anwalt über einen Vergleich zu retten, was noch zu retten ist, sodaß sie mit Kind rein kann und sie übernimmt die Zahlungen und Vergleich! Pro forma habe ich schon jetzt einfach die Untervermietung erklärt, da man ja Untermieter gesondert rausklagen muß.
Meine letzte Hoffnung ist noch, daß die Klagen fruchten. Wenn ich daraus muß und die Ehe geht noch flöten, lieber Jan, die ganzen Möbel werden versteigert, mein ganzer Besitz, alles. Die Anstalt stellt nur Kleidung, Papiere und einige Bücher wie Bettwäsche sicher, mehr nicht. Wohnung, Besitz und Existenz futsch. Was meinst Du, was ich jeden Tag für eine Angst hier habe? Ich lasse mich schon zu Straftaten aus Gleichgültigkeit hinreißen. Mir ist alles egal, auch langsam aber sicher Mord und Totschlag, was passieren wird, wenn ich da tatsächlich raus muß.
Massig Strafverfahren laufen schon gegen mich, im Zusammenhang mit der Wohnung, wegen Erpressung, Nötigung, Beleidigung, Bedrohung und Verleumdungen der Justiz. Ich sage nur, verliere ich das auch noch, nun ja, dann habe ich nix mehr zu verlieren - und kann mir das, was sie mir genommen haben, mit Gewalt wieder nehmen.
Arbeit nach 6 Jahren mit Steuerkarte? Das macht kaum einer! Wenn, wirft man mich raus, wenn die 1.Pfändung kommt. Was bleibt, ist die Selbständigkeit über Strohleute, oder weiter zu betrügen, sonst nichts. Die Sicherheitsverwahung ist mir vorgegeben. Das weiß ich selbst. Natürlich weiß ich auch, daß eine Heirat jetzt zwar gutgehen kann, was schön wäre, daß sie wegen des schnellen „Hopp, hopps“ auch in die Hose gehen kann, was nicht schön ist. Aber was will ich anders machen? Was bleibt mir für eine Wahl?
Wegen der Wohnung schreibe ich auch die Menschenrechtskommission in Straßburg an, denn die Menschenwürde und das Recht auf Sicherheit im sozialen Bereich ist eindeutig verletzt. Es ist doch so, daß ich selbst als Bürger dieses Staates bestimme, wo ich nach einer Strafverbüßung in welcher Stadt und wo lebe. Und ich will in meiner jetzigen Wohnung in Siemensstadt wohnen bleiben. Mit welchem Recht will mich das betrügerische CDU-Justizregime in Ermangelung von Geld zwingen, in eine Wohnung zu ziehen, die ich nicht will, oder ins Obdachlosenasyl? Trotz Haft, ich bin nicht unschuldig - niemand hat das Recht, mir meine Wohnung zu nehmen.
Meine Schulden, die ich nie mehr beabsichtige auch abzuzahlen, dürften bei einer knappen Million schätzungweise liegen. Gute Nacht, bei meinen erst 34 Jahren. Man kann nur sagen, daß man außer blödem „Resozialisierungsgequatsche“ keinerlei Starthilfen von diesem sooo christlichen Staat und seiner Justiz erlangt. Denen ihre Antworten bestehen nur aus „VV“ und hinhalten. Arbeiten will ich hier nicht mehr, nicht für 7 DM am Tag. Das ist Ausbeutung. Natürlich hätte ich Freigangchancen, da ich keine Gewalt oder Rauschgiftdelikte habe. Aber ist das Hilfe, auch dort nur zu zahlen, und nicht aus dem Arsch kommen zu können? Darauf verzichte ich gerne. „Das menschverachtende Verhalten der Behörden könnte jedoch bewirken, daß die beiden jungen Leute - oder einer von ihnen - aus Verzweiflung eines Tages etwas tun, was in der BRD als 'kriminell‘ gilt.„
H.T., JVA Tegel
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