: Reizthema Mitteleinstieg
■ BVG denkt darüber nach, den „freien, unkontrollierten Mitteleinstieg“ in Busse wieder abzuschafffen / Busse dürfen nicht rechtsfreier Raum bleiben!
Eine Frage beschäftigt die Stadt: Soll der Einstieg durch die hintere, in der Mitte angebrachte, Tür in die BVG-Busse
-praktiziert seit dem 1.Mai - beibehalten werden oder nicht? BVG-Boß Lorenzen kündigte gestern an, den „freien, unkontrollierten Mitteleinstieg“ in die Berliner Busse möglicherweise wieder abzuschaffen, weil eine zunehmende Schar an Schwarzfahrern (4 Prozent, statt vorher unter 1 Prozent) die Freiheit mißbrauchten.
Lorenzen bittet um „Verständnis“, falls eine solche Entscheidung zu treffen sei. Er wird, wie vorläufige Ergebnisse einer Fahrgastumfrage der BVG zeigen, bei den Berlinern Verständnis finden, nicht nur, weil diese die Zivilisationstechnik des selbsständigen Ein-und Aussteigens nicht beherrschen. Auch sprechen Sach-Aspekte, wie die gelegentliche Überladung von Bussen - weswegen es polizeiliche Anzeigen gab - sowie durch Drängelei verursachte Verspätungen für die Schließung des unkontrollierten Zugangs im Rücken des Fahrers.
Vor allem aber geht es den Berlinern wohl um eins: die Busse dürfen nicht länger der rechtsfreie Raum bleiben, der sie seit dem 1.Mai sind. Sie sollen wieder das werden, was sie waren: rollende Symbole für Recht und vor allem Ordnung, in denen noch der Fahrzeug-Führer, meist ohne Herz, aber fast immer mit Schnauze, das Sagen hat und notfalls mit starker Hand gegen die oft jugendlichen Schwarzfahrer, Currywurst- und Eisesser einschreitet.
Die diesbezügliche Anarchie in U-und S-Bahn hat mit Freigabe der Mitteltür auf die Großen Gelben übergegriffen. Das wollen immer weniger Fahrgäste, die laut Lorenzen „eine radikale Verschärfung der Kontrollen“ fordern. Die im Personalrat vertretenen Busfahrer bekämpfen die Degradierung vom Kapitän an Bord zum einfachen Lenkraddreher ohnehin seit eh und je.
Bei solch mächtigen Interessenbündnissen kann der BVG -Direktor nur klein beigeben und voreilend um „Verständnis bitten“. Wenn Volkes Stimme spricht, werden aus 4.500 Busfahrern eben 4.500 Führungskräfte.
Thomas Rogalla
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