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Ecce Homo

■ „Al Capone von der Pfalz“, Sonntag, ARD, 22.25 Uhr

Wir wollen das mal kurz und deutlich machen: Ich gucke nun mehr oder weniger aus Gründen der zeitweisen debilen Beatmung so manch Stündlein fern. Gnadenlos wird weggezippt, was in den 23 mir zur Verfügung stehenden Programmen luschig, fad und nietig, knopfig und gedunsen und vergrinst ist. Mit andern Worten, ich schalte ständig um, kapituliere nur nach Stunden, und dann starre ich dumpf in irgendein doofes Serienfilmchen hinein, mache mir meine Gedanken und weiß hinterher auch nicht mehr, was eigentlich los war. Sonntag abend war es so. Schwupp, ma kucken wat uff Einz looft. So passierte es gegen 22 Uhr35. Ich wurde wach! Ich sah dann bis Mitternacht diesen Film von Peter Fleischmann über Bernhard Kimmel. Bernhard Kimmel: 200 fintenreiche, mit Witz, Tücke, Hähme verübte „Straftaten“ in den 50er Jahren. Dafür geht er neun Jahre in den Knast, kommt 73 raus, und Fleischmann fängt an, Kimmel zu filmen. Er macht das präzise. Von Augenblick zu Augenblick wird deutlicher und klarer, daß Kimmels Coups im Muff der Nachkriegszeit geradezu ästhetische Qualitäten haben! Es ist da die - je nun - Schönheit einer Existenz zu erkennen, die auf Mut, Schlauheit, auf Kraft unzeitgemäß und gegen die Macht zu leben gründet. Der Film könnte von Nietzsche sein! Kimmels Verbrechen könnten auch von Nietzsche sein, oder Serner, oder - jawohl! - von Karl Valentin - jawohl! Nun haben Letztgenannte doch eine wichtige letzte Schlauheit besessen, sie haben das in Büchern, in Geschichten untergebracht und sind dadurch weitgehend vor der Brutalität unserer Großgemeinde mit ihren menschlich ja immer so gutgesinnten Richtern und sonstigen Vollstreckern und Einsperrern verschont geblieben. Der Film über Kimmel hat ein schreckliches Zentrum. 82 wird Kimmel wegen Mordes lebenslänglich plus 13 Jahre verurteilt. Und es sieht so aus, als ob man es hätte anders beurteilen müssen, eben kein Mord, vielleicht nur dumpfe Rache einer beleidigten Institution? Wie auch immer, dieser Kimmel, dieser Mensch, hockt in einer Zelle. Und dieser Film sagt unablässig: Wie wahnsinnig das ist! Wie dumm, wie idiotisch, wie mörderisch! Und wie wirkungsvoll; die letzten Bilder von Bernhard Kimmel: ein zerriebener Mensch, den man geschafft hat, der nun endgültig nur noch und ausschließlich um seine Straftat „herum“ zu leben gezwungen wird, von einer Macht, die vorgibt zu bessern, „abzubringen“.

T.K.

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