: „international etwas vorsichtiger sein“
Hans-Jürgen Karpe, wissenschaftlicher Leiter des Hamburger Weltklima-Kongresses ■ I N T E R V I E W
taz: Bei diesem Kongreß gewinnt man den Eindruck, daß hier nicht versucht wird, die Katastrophe zu verhindern, sondern sich darin einzurichten.
Karpe: Sie mögen diesen Eindruck haben. Aber ich darf Ihnen versichern, daß die Hamburger Konferenz Wirkung zeigen wird. Hier ist es erstmals gelungen, Klima nicht nur wissenschaftlich zu behandeln, sondern auch mit seinen wirtschaftlichen und sozialen Folgen. Und dies mit Teilnehmern aus Ost und West, Nord und Süd. Und wir haben das Problem auf seine globale Dimension gehoben. Auf der anderen Seite haben wir natürlich schon Klimaveränderungen, die kompensiert werden müssen, und dies ist eben auch ein Teil des Kongresses.
Der Kongreß erscheint mir auch unpolitisch. Die anstehenden Kontroversen beispielsweise einer neuen Energie- und Verkehrspolitik werden nicht diskutiert, statt dessen gibt es endlose Vorträge über die Umstellung der Landwirtschaft auf andere Klimabedingungen als Arrangement mit der Krise.
Nein, ich sehe das wirklich anders. Bei der landwirtschaftlichen Diskussion gab es viele interessante Beiträge. Natürlich sind dreieinhalb Tage nicht viel Zeit. Aber wir werden hier sehr genau sagen, was gemacht werden muß; und wir werden in zwei Jahren auf einer Nachfolgekonferenz hoffentlich nachprüfen, was wo wie passiert ist.
Sie freuen sich über die Beteiligung aus Ost und West. Gestern hat der sowjetische Kollege Budyko hier hanebüchenen Unsinn erzählt, ohne daß ihm jemand in die Parade gefahren wäre. Er durfte ausführlich berichten, wie prima der Treibhauseffekt ist und daß wir noch mehr Kohlendioxid brauchen.
Es wäre schrecklich, wenn wir in einer freien demokratischen Gesellschaft eine andere Meinung unterdrücken. Herr Budyko ist einer der erfahrensten Klima -Wissenschaftler. Er hat sicher umstrittene Dinge gesagt, er hat aber auch nicht mit allem unrecht. Die Sowjetunion könnte vielleicht tatsächlich von einer Klimaerwärmung profitieren und die Vegetationsperiode verlängern. Herr Budyko hat zumindest gezeigt, wie unterschiedlich sich eine Klimaveränderung auswirkt.
Es gab keine Diskussion über Budykos Thesen. Es wird überhaupt sehr wenig diskutiert. Für die spannenden politischen Fragen ist keine Zeit.
Ich bedaure dies auch. Aber wir haben auf dieser Konferenz ja auch die Möglichkeit der schriftlichen Artikulation, und wir haben da eine sehr hohe Beteiligung.
Die Sensibilität der Öffentlichkeit für ihr Thema ist groß. Wird diese Chance nicht verspielt? Die von Ihnen versprochene Aggressivität und Nachdrücklichkeit der Forderungen ist nirgends zu spüren.
Wir haben hier eine internationale Konferenz. Da gibt es zunächst sprachliche Probleme, und da kommt nicht alles mediengerecht rüber. Ich verstehe ja ihre Ungeduld. Wenn dies eine nationale Tagung wäre, hätten wir sicherlich sehr viel weniger Probleme. Aber wir können hier nicht kategorisch irgendwelche weitgehende Dinge fordern und damit zum Beispiel alle Entwicklungsländer abkoppeln. Natürlich wollen Sie harte Aktion sehen, aber auf internationaler Ebene müssen wir eben etwas vorsichtiger sein.
Interview: Manfred Kriener
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