: Atomkontrollbehörde erklärt sich für unfähig
Katastrophale Zustände in der zentralen Kontrollbehörde zur Überwachung von Atomtransporten / Politische Verantwortung liegt beim Wirtschaftsminister ■ Aus Bonn Thomas Scheuer
„Die Situation ist bei uns so, daß eine ordnungsgemäße Sachbearbeitung nicht möglich ist.“ Mit diesen Worten charakterisierte ein Oberregierungsrat des Bundesamtes für Wirtschaft (BAW) am Donnerstag abend vor dem Bonner Untersuchungsausschuß zum Atomskandal die Lage in jener Behörde, der die Überwachung des gesamten bundesdeutschen Außenhandels mit Nukleargütern obliegt.
Eigentlich hatten sich die Abgeordneten von drei BAW –Beamten Aufschluß über die strahlenden Schwarzmarktgeschäfte der Düsseldorfer Hempel-Firmengruppe erhofft (siehe taz von gestern). Doch die drei Eschborner Kontrollettis wurden schnell grundsätzlich und nutzten offensichtlich die Gelegenheit, ihren Frust über die katastrophale Lage in ihrer Behörde abzuladen. Das BAW ist nicht nur für Kriegsmaterial und andere sensible Güter, sondern auch für sämtliche Atomartikel die zentrale Überwachungsbehörde, sobald die Waren eine Grenze passieren.
Eine effektive Kontrolle der nuklearen Ein- und Ausfuhren, so die drei Oberregierungsräte einhellig, sei jedoch seit Jahren Illusion. Hauptübel sei der eklatante Personalmangel. Bei mehreren zigtausend Vorgängen pro Jahr seien Stichproben das höchste der Gefühle. Und selbst für diese fehlten ausgebildete Spezialisten. Genehmigungsanträge müßten teilweise von Hilfskräften bearbeitet werden. Seit Jahren sei eine zunehmende Tendenz erkennbar, daß Firmen offensichtlich in Kenntnis der Zustände im BAW – sich mit „getürkten Papieren“ und „Scheinverträgen“ die entsprechenden Zertifikate zu beschaffen versuchen. Zu befürchten ist ja wenig: Fällige Bußgeldverfahren konnten im Referat „radioaktive Stoffe“ wegen Personalmangels seit Jahren nicht mehr eingeleitet werden.
Ein Beamter, seines Zeichens diplomierter Chemiker, berichtete den erstaunten Abgeordneten, bei der nachträglichen Prüfung der Ein- und Ausfuhranzeigen der Hanauer Firmen für die berühmt-berüchtigten Mol-Fässer seien ihm mehrfach verschleiernde Warenbezeichnungen auf
gefallen. Der damalige Mitarbeiter, der über keine Fachkenntnisse verfügte, habe seinerzeit nicht bemerkt, daß es sich bei den angegebenen Stoffen teilweise um getarnten Atom-Müll handelte. Einem Experten, so das Fazit des Beamten, wäre das aufgefallen.
Die Mißstände, so die Beamten, hätten schon zu Mahnungen auf internationaler Ebene geführt: So hätten in der Vergangenheit die Meldungen des BAW an die Internationale Atomenergie-Agentur in Wien (IAEA) mehrmals nachgebessert werden müssen.
Auch nach Aufdeckung des Hanauer Mol-Skandals sind offenbar Unregelmäßigkeiten im nuklearen Außenhandel an der Tagesordnung: Erst im August seien zwei falsch deklarierte Transfers entdeckt worden. Offen bleibt, wieviele nicht entdeckt werden.
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