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G E G E N D I E G L E I C H G Ü L T I G K E I T

 ■  Gastkolumne von Hilde Schramm

Wer nur forschen will, hat an der Hochschule nichts zu suchen. Diese Aussage steht konträr zur Hochschulpolitik der letzten Jahre. Die Hochschulen wurden ausgebaut nach Forschungsgesichtspunkten, nicht nach Ausbildungsbedarf. In der Empfehlung des Wissenschaftsrats zur Zukunft der Hochschulen spielen Inhalte, Ziele und Form der Ausbildung ebensowenig eine Rolle wie im Strukturplan der FU - um nur zwei Beispiele von 1988 zu nennen. Die Studienzeitverkürzung ist Dauerthema.

Hochschulintern haben sich die Reputationskriterien für Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch weiter als in den siebziger Jahren weg von Lehre, hin zu Forschung, besonders Drittmittel-Forschung, verschoben. Die Überfüllung der Hochschulen und die Mißachtung der Lehre als offizielle Politik verstärkten die Gleichgültigkeit vieler Professoren gegenüber den Studierenden.

Da die Kolleggelder schon länger abgeschafft sind, kann die Reputation von Lehre inneruniversitär wohl nur durch Wiederbelebung studentischer, öffentlicher Seminar- und Vorlesungskritik verbessert werden. Gesamtgesellschaftlich nur, indem die Studierenden sich gegen die ihnen zugeschriebene Bedeutungslosigkeit wehren, wie sie es gegenwärtig tun. Dabei entdecken sie frühere Ansprüche an Studieninhalte und Studienformen wieder.

Viele der autonomen Seminarthemen - am wenigsten die interdisziplinären - sind auch in den vergangenen Jahren angeboten worden. Oft fanden sie wenig Interesse. Sie stellen heute anders als 1968 keine Provokation mehr dar. Das heißt aber nur, daß auch kritische Inhalte subjektiv bedeutungslos bleiben, solange das Studium verschult ist.

Unterschiedlich weitreichende Modelle eines selbstgestalteten Lernens müssen erlaubt sein bis hin zur Möglichkeit, sich sein Studium selbst zusammenzubauen innerhalb oder jenseits der bestehenden Fächer/Punktabschlußmagister.

Studierende, die sich zusammengefunden haben, um ein Thema zu bearbeiten, suchen sich dafür geeignete Dozenten innerhalb oder außerhalb der Hochschule. Für letztere müssen Gastdozentenstellen auf Zeit vorgesehen werden. Zusätzlich ist auch die alte Idee der Rotation aus der und in die Hochschule zu beleben. Hierzu sollten sich möglichst viele Hochschullehrer durch Gastdozenten aus dem In- und Ausland vertreten lassen. Sei ihr Motiv Erholung von dem Verschleiß in der Massenuniversität, Konzentration auf Forschung oder außeruniversitäre Arbeitserfahrung.

Es ist wenig bekannt, daß alle Angehörigen des Öffentlichen Dienstes sich aus arbeitsmarktpolitischen Gründen beurlauben lassen können und daß die Hochschulen verpflichtet sind, eine vollwertige Vertretung einzustellen. Die zurückgelassenen Bezüge dürfen also nicht durch ABM-Kräfte oder durch billige Lehraufträge eingespart werden.

Es ist nicht einzusehen, daß Wissenschaftler, die von der Hochschule bezahlt werden, ihre Zeit vorrangig mit Drittmittel-Projekten, Nebentätigkeiten, Mitarbeit in außeruniversitären Institutionen usw. verbringen. All dies sind legitime Hauptbeschäftigungen für die Zeit der Beurlaubung, nicht alimentiert von der Hochschule, aber langfristig durch die personenbezogene Rückkoppelung in die Hochschule durchaus erwünscht. Das gleiche gilt selbstverständlich für alle persönlichkeitsbildenden Interessen nicht-akademischer Art. Diese und andere Vorschläge haben nur eine Entwicklungschance, wenn der Senat davon abgehalten werden kann, sich einzumischen. Die Vehemenz, mit der gegenwärtig die Autonomie der Hochschulen vom Staat gefordert wird, hat gute Gründe.

Wie die Entwertung der Selbstverwaltung durch den Senat abläuft, hat Herr Turner im taz-Interview vom 24.12.1988 geschildert. Er beklagt sich, daß bei ihm ständig das Telefon klingelt und Professoren ihn zu bewegen versuchen, bestimmte Leute, die sie zum Teil selbst auf Berufungslisten gesetzt hatten, nicht zu berufen.

Die Stelle ist deshalb so skuril, weil der Herr Senator nicht bedenkt, daß er selbst dieses Klingeln verursacht, indem er offene Ohren für dergleichen Einflüsterungen hat. Einige entschiedene Zurückweisungen, und das Telefon würde verstummen. Aber so passiert es eben, daß Herr Wippermann für Faschismusforschung nicht berufen wird, weil er eine Hausberufung wäre, wohl aber Herr Furrer für Weltraumforschung, der - wie viele andere selbstverständlich - eine Hausberufung ist. Kriterien werden beliebig und schamlos ausgewechselt. Intriganten sind immer am Telefon. Nur wer hat das Ohr des Herrn?

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