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US-Programm im japanischen TV fürs europäische Publikum

■ Die Regenbogenfraktion im Straßburger Europa-Parlament diskutierte die Europäische Medienordnung

Wie sie hineingekommen waren, wußte niemand. Das war es aber, was die französischen Sicherheitsbeamten in Straßburg ganz gehörig ins Schwitzen brachte. Unbekümmert, wie die beiden Radiofreaks aus München nun einmal waren, traten sie aus dem Inneren des Gebäudes kommend, an die Schleuse heran, zu deren Überwindung ein höchst kompliziertes Prozedere eigentlich nötig gewesen wäre, und verlangten die Plakette, die zum Betreten des Parlamentes erst berechtigt. Denn erst wenn der Ausweis gezückt, das Gepäck durchleuchtet, mit einer Sofortbildkamera zwei Fotos geschossen, diese nebst persönlichen Daten in eine anklemmbare Plastikfolie verschweißt worden ist, erst dann ist der Zutritt erlaubt zum Raumschiff in Straßburg, wo ein grenzenloser europäischer Diskurs über die Europäische Medienentwicklung geführt werden sollte.

Das aber war die einzige Grenzüberschreitung einer zweitägigen Veranstaltung, die sich ansonsten gesittet, wie es sich für grün-alternative Parlamentarier auf höchstem europäischem Parkett gehört, mit den Regelungen eines gemeinsamen europäischen Rundfunkmarktes und dessen Folgen beschäftigte. Wenn nämlich 1992, dank der im Orbit stationierten Satelliten und dem europäischen Binnenmarkt ein Informationsfluß über die nationalen Grenzen hinweg möglich wird, dann wird das die Medienordnungen der europäischen Staaten erheblich durcheinanderbringen.

Was von Matthias Ruete (von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft) und Jane Dinsdale, der Leiterin der Sektion Medien des Europarates, vorgetragen wurde, das war für die meisten Teilnehmer, die von weither angereist waren, nicht neu. Auch eine Debatte konnte nicht so recht in Gang kommen, kein Wunder, haben sich die EG und der Europarat mit ihren unterschiedlichen Entwürfen zu einer europäischen Medienordnung über grenzüberschreitendes Fernsehen doch mittlerweile weitestgehend einander angenähert.

Welche Konsequenzen diese Entwicklung für die freien Filmschaffenden hat, wurde klar, als der Berliner Filmproduzent Pfeiffer vom Produzentensterben und von der Torschlußpanik der freien Produzenten berichtete. Schon in diesem Jahr hat das ZDF 150 kleineren und mittleren Produzenten Aufträg deshalb verwehrt, weil der Filmhändler Leo Kirch seine Lizenzware zu Spitzenpreisen an die Mainzer verkaufte. Das aber ist erst der Anfang eines immer stärker werdenden Konzentrationsprozesses, bei dem die Medienkonzerne Bertelsmann, Berlusconi und Murdoch immer gigantischer werden. Ein amerikanisches Programm im japanischen Fernsehapparat für das europäische Publikum, das ist es, was wir zu erwarten haben. Ob das vorgestellte Förderprogramm der EG Media, das die freien Medienschaffenden unterstützen soll, in der Lage sein kann, diese Biotope des anspruchsvollen Filmschaffens zu erhalten, ist zu bezweifeln. Immerhin steht mit efdo, dem „European Film distribution Office“, das ebenfalls vorgestellt wurde, ein weiteres Instrumentarium zur Verfügung, den national erstellten Produkten den Sprung über die Grenzen zu erleichtern. Hatte eine Untersuchung doch ergeben, daß 80 Prozent der nationalen Filmproduktionen nicht über die Grenzen hinaus kommen. Auch der Einwand von Ruete, immerhin haben wir doch Quoten für unabhängige Produzenten vorgesehen (zehn Prozent des eingespeisten Programms muß aus unabhängigen Produktionen stammen), konnte Wolfgang Pfeiffers Skepsis nicht verringern. Die Tatsache, daß seitens der EG überhaupt solche Programme als notwendig empfunden werden, die der Nivellierung der nationalen Filmproduktion entgegenarbeiten sollen, zeigt immerhin, daß die Vertreter des großen Kinos nicht geschlafen haben.

Auch die Hoffnungen, die sich die beiden Veranstalter der Regenbogenfraktion im Europa-Parlament offensichlich gemacht hatten, vermittels eines europaweiten Kultursenders, nach dem Vorbild des englischen Channel 4, der Planierung und Kommerzialisierung Herr zu werden, zerschlugen sich, als Peter Fittich über die einzelnen Programmsparten des Senders referierte. Ob bewußt oder unbewußt, destruierte er den weitverbreiteten Mythos vom Kulturkanal. Denn selbstverständlich, so Fittich, gibt es zweimal die Woche Soap-operas, es gibt Quizsendungen nach französichem und Shows nach amerikanischem Vorbild, es gibt Pferderennen und Basketball. Sonst hätten wir nur noch eine Einschaltquote von drei bis fünf Prozent. Ist das aber politisch noch vertretbar?

Haben die Filmemacher wenigsten noch eine Lobby, so sieht es bei den alternativen Radios und Medieninitiativen ganz dürftig aus. Selbst die Grünen scheinen diese ihre Klientel nicht ganz ernst zu nehmen, sonst hätte man deren Berichte nicht ans Ende der Veranstaltung gepackt. Allerdings begann diese letzte Runde recht deprimierend. Ursi Kollert vom Freiburger Radio Dreyeckland berichtete über den Desillusionierungsprozeß ihrer Hoffnungen. Hatte man einst die Vision, daß die Idee des freien Radios sich weltweit wie ein Virus durchsetzen werde, so findet heute, nach nur halbjährlicher Sendepraxis, selbst die Einmischung der Hörer nicht mehr statt. Der Sender steht, angesichts einer monatlichen Belastung von 10.900 Mark allein für Gebühren, vor dem Bankrott. Das Pathos, mit dem das Hohe Lied des Gruppenradios angestimmt wurde, stand allerdings im Gegensatz zum berechtigten Ruf nach Subventionierung. Ein Hoffnungsschimmer vielleicht die Europäische Föderation Freier Radios, kurz Ferl genannt, die nach eigenen Angaben 600 unabhängigen europäischen Radios dazu verhelfen will, sich zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Radios zu etablieren. Richtiggehend nostalgisch wurde es, als die Leute von Phönix aus Wien ihren seit April 1987 wöchentlich erscheinenden Pressedienst vorstellten. Überzeugend der Bezug zum Osten Europas mit Korrespondenten in Warschau und Budapest. Ein ID auf europäischer Ebene sozusagen. Ob die vorgestellten Ansätze zur europaweiten Vernetzung der Alternativmedien allerdings in der Lage sind, dem Kommerzfunk mit seinen von Werbespots unterbrochenen Serienprogrammen Paroli zu bieten, ist mehr als fraglich. Abhängig auch davon, welchen Stellenwert man ihnen seitens der grünen Medienpolitiker beimißt - auch das ein Auftrag für die Grünen.

Am Ende war klar, daß es noch nicht einmal lohnt, Abwehrkämpfe gegen die zu erwartende europäische Medienordnung zu führen, stößt selbst die Forderung, Öffentlichkeit zu schaffen für diese Problematik, doch allerorten auf taube Ohren. Ein Teilnehmer brachte es auf den Begriff: Die einen reden spät, während die anderen längst gehandelt haben. Worum es einzig gehen kann, ist, Dämme aufzurichten gegen die Verschmutzung der kulturellen Umwelt, eine Aufgabe zu der dieser Kongreß einen kleinen Beitrag geleistet hat.

K.S.

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