Heimliche Gründung - Jubiläum ohne Feier

■ Vor zwanzig Jahren wurde das Wissenschaftszentrum Berlin gegründet / Von der „Wissenschafts-GmbH der Kapitalistenklasse“ zum renommierten Planungsinstrument der SPD-Politik / Wende unter dem damaligen Wissenschaftssenator Kewenig

Eine schöne Feier mit klugen Reden und einem bunten Büffet wird es für das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) an seinem morgigen Geburtstag nicht geben. Schon vor 20 Jahren mußte es ohne Feier gehen. Die Gründung des WZB vollzog sich im Gegenteil ganz unfestlich und ohne Öffentlichkeit. Am 3.Januar 1969 trafen Dr.Johann Baptist Gradl, ehemaliger Bundesminister und Bundestagsabgeordneter, sowie Gerhard Jahn, Staatssekretär im Außenministerium, in einer Berliner Anwaltskanzlei zusammen, um in Vertretung weiterer zehn Parlamentarier die gemeinnützige GmbH Wissenschaftszentrum Berlin ins Leben zu rufen. Heute ist das WZB das größte außeruniversitäre sozialwissenschaftliche Forschungsinstitut Europas. Alleinige Gesellschafter sind mittlerweile der Bund (75%) und das Land Berlin (25%) Sein Etat umfaßte 1985 rund 17 Millionen Mark. Das Gründungsmotiv der durchweg konservativen Politiker sieht der heutige Präsident des WZB, Wolfgang Zapf, in der Berlinförderung. „Es war eine große Initiative, um Spitzenforschung des In- und Auslandes nach Berlin zu holen. Und die konnte man natürlich nicht an die Freie Universität oder die Technische Universität bringen“, spielt Zapf auf die protestbewegten Zeiten von damals an. „Über die Notwendigkeit eines sozialwissenschaftlichen Großforschungsinstituts bestand zwischen akademischen Organisationen und Forschungspolitikern Konsens. Als Vorbild orientierte man sich am amerikanischen „Princeton Institute of Advanced Study“.

Der Gründungsplan sah zunächst vor, das WZB als Trägerorganisation für eine „internationale Universität“ zu konzipieren: Das Institut sollte einerseits eine sogenannte „Deutsche Fakultät“ zur beamtenrechtlichen Verankerung deutscher Wissenschaftler im Ausland, ein „Deutsches Kolleg“ für wenige hochrangige Spitzenforscher sowie ein „internationales Zentrum für fortgeschrittene Studien“ umfassen. Diese Pläne wurden später aber fallengelassen. Außerdem sollten fachspezifische Forschungsinstitute errichtet und die Forschung interdisziplinär, international und vor allem praxisorientiert ausgerichtet werden.

Über ein Jahr lang vollzog sich die Konkretisierung des Projekts im geheimen. Der Grund: Die Initiatoren befürchteten, daß das Projekt „zur Unzeit in der Öffentlichkeit zerredet“ würde. Als dann bereits der Gründungsplan für ein „Internationales Institut für Management und Verwaltung (IIMV)“ fertiggestellt, Kooperationen mit amerikanischen Instituten hergestellt und eine Arbeitsgruppe zur Errichtung eines „Internationalen Instituts für Konflikt- und Friedensforschung“ gebildet worden waren, wurde die Gründung zufällig publik.

Es kam zum Skandal. Im Frühjahr 1970 ging ein Aufschrei durch die Berliner Universitäten. Das WZB wurde als „private Gegenuniversität“ entlarvt. Die StudentInnen geißelten im „Zentralausschuß Rote Zellen FU“ und im „Aktionsrat WZB an der TU“ die Neugründung als „Wissenschafts-GmbH der Kapitalistenklasse“. Das Institut sei der Versuch, „die Sozialwissenschaften systemfunktional zu machen, Herrschaftsingenieure zu züchten“. Hier solle Forschung für die Mächtigen betrieben werden, fern der Kontrolle durch demokratische Gremien. Wolfgang Zapf heute: „Ich kann mir durchaus vorstellen, daß einige Beteiligte den Hintergedanken Gegenuni hatten, sich aus der unruhigen Universität in ein ruhiges Forschungsinstitut abzusetzen.“

Die Bundesassistentenkonferenz und sogar die Westdeutsche Rektorenkonferenz lehnten die „GmbH-Universität“ heftig ab. Auch der damalige FU-Präsident Kreibisch hielt sich nicht mit Kritik zurück: „Meine Mitarbeiter im Präsidialamt und ich, wir verstehen uns als Kollektiv und sind der Meinung, daß mit dem Wissenschaftszentrum eine Gegenuniversität aufgebaut wird, mit der zu beweisen versucht werden soll, daß die Effizienz des Zentrums besser ist als die emanzipatorisch arbeitende Universität.“ Sowohl Kreibisch als auch TU-Präsident Wever machten ihre Bedenken beim Wissenschaftsrat geltend, von dessen Stellungnahme der Senat und die Bundesregierung ihre weitere Unterstützung abhängig machen wollten. Sie argumentierten, daß mit dem WZB eine Verlagerung der Forschung zu befürchten sei. Ihrer Meinung nach war mit den neuen Zentralinstituten der Unis die Voraussetzung für interdisziplinäre und internationale Forschung besser gewährleistet.

Das WZB geriet zusehends in die Isolierung. Namhafte Wissenschaftler wie Johann Galtung, Friedrich Naschold, Karl Deutsch und Iring Fetscher kündigten ihre anfängliche Mitarbeit am WZB-Projekt alsbald auf. Damit starb zugleich das Friedensforschungsinstitut. Iring Fetscher zu den damaligen Bedenken der Professoren: „Neben dieser - gelinde gesagt - ungewöhnlichen Struktur einer Privatuniversität, die fast ausschließlich mit öffentlichen Mitteln zu arbeiten gedenkt, muß die totale Isolierung der geplanten Forschungsuniversitäten von den Berliner Universitäten befremden.“

Erst im Juli 1970 konnte der Wissenschaftsrat dem WZB zum Leben verhelfen. Er befürwortete prinzipiell das WZB, unterstützte von den geplanten Institutsgründungen aber nur das IIMV und forderte außerdem die Gewährleistung öffentlicher Kontrolle, Unabhängigkeit der Forschung und die Zusammenarbeit mit den Berliner Universitäten. Das WZB blieb jedoch eine stigmatisierte Forschungseinrichtung. Das änderte sich erst im Laufe der siebziger Jahre durch die Forschungspolitik der SPD. Der Bedarf nach sozialwissenschaftlicher Kompetenz in den Ministerien, um die Reformpolitik der sozial-liberalen Koalition umzusetzen, führte zum Ausbau des WZB, das bald vier Institute umfaßte. 1974 fand auch die Aussöhnung mit den Universitäten statt, die 1977 einen Kooperationsvertrag zur Folge hatte.

Ein heikles Konstrukt ist das WZB wegen seiner Abhängigkeit von den Geldgebern aus Bonn und Berlin allerdings immer geblieben. Heute droht das WZB wieder hinter die siebziger Jahre zurückzufallen. Wichtige Forschungsbereiche, in denen das WZB einzigartig war, wie Umweltforschung oder Arbeitspolitik, wurden infolge einer noch unter dem alten Wissenschaftssenator Kewenig initiierten Strukturreform drastisch, um zwei Drittel, gekürzt. Die Institutsreform hat darüber hinaus den Anwendungsbezug geschmälert und damit den besonderen gesellschaftlichen Stellenwert des WZB verwischt. WZB-Präsident Zapf: „Die Themen waren früher politiknäher und auch der politischen Philosophie der damaligen Zeit, die ja sehr auf Planung gesetzt hat, stärker verhaftet. Heute aber gibt es diese beinahe Konsensus stiftende politische Theorie eigentlich nicht mehr, für die ein Institut wie dieses arbeiten könnte.“

Von der Organisation her hat man ebenso zwei Schritte zurückgetan. Gearbeitet wird nunmehr in siebenköpfigen Forschungsabteilungen, an deren Spitze je ein auf Lebenszeit berufener C-4-Professor als Direktor steht. Zur gleichen Zeit, wo die Unis sich anschicken, die Gruppenuniversität in Teilen wiederherzustellen, präsentiert sich das WZB als „ein Ordinarien-orientiertes Institut“, wie es ein Mitarbeiter ausdrückt.

Thomas Werres