: Mit gesundem Verständnis verhandeln
■ In der Verhandlungskommission von AL und SPD zum Bereich Gesundheit und Soziales sind grundlegende Differenzen nicht zu erwarten / Dezentralisierung der Gesundheitsversorgung und Forderung von Selbsthilfegruppen
Der Ausruf „Gesundheit!“ dürfte bei den am Donnerstag begonnenen Verhandlungen zwischen AL und SPD zum Bereich Gesundheit und Soziales hoffentlich überflüssig bleiben. Verschnupft sind die Verhandlungspartner in diesem Ressort jedenfalls nicht. Die Forderungen für das Gesundheitswesen sind weitgehend identisch. Unterschiede werden bestenfalls in der Frage der Umsetzung bestehen. Vor allem wie SPD und AL die Rücknahme der Gesundheitsreform via Bonn erreichen wollen, ist noch völlig offen.
Was die Gesundheitsstadträte der AL bereits vergangene Woche als übergreifende Prinzipien formulierten, nämlich Priorität des Patienten, Schwerpunkt auf die Prävention sowie demokratische Strukturen, wird während der Verhandlungen erst noch mit Leben gefüllt werden müssen. So fordern die Stadträte unter anderem eine verstärkte ambulante und vor allem dezentralisierte Versorgung der Patienten. Das heißt im Klartext, daß Gesundheitszentren und kommunale Sozialstationen Vorrang haben und der Ausbau von hochspezialisierten Zentren und Großkliniken eingeschränkt, wenn nicht gar gestoppt wird.
Auch die SPD will den Gesundheitsdienst zum wirksamen kommunalen Dienst ausbauen, der hauptsächlich im Bereich Beratung und Aufklärung tätig wird. Die Förderung der Selbsthilfe der Patienten und ihrer Angehörigen gehört dazu. Ebenfalls stoßen die Großprojekte wie Herzzentrum und Rheumazentrum bei der SPD auf wenig Gegenliebe.
Das geschickte Integrieren der Selbsthilfebewegung in die Senatspolitik durch Senator Fink wird von der AL aufs heftigste kritisiert. Durch sparsame Finanzierung der einzelnen Gruppen konnte Fink die Betreuung der Betroffenen delegieren, ohne seine Prestige-Objekte, die Großkliniken, damit zu belasten. Die AL fordert deshalb eine wesentlich differenziertere und vor allem gerechtere Finanzierung der Selbsthilfegruppen. So soll deren Förderung in die bezirkliche Zuständigkeit verlagert werden, wo ein Beirat aus Selbsthilfegruppen und Bezirksamt über Art und Umfang der Förderung zu entscheiden hat. MitarbeiterInnen von Dienstleistungsprojekten sollen demnach auch nach Tarif bezahlt werden und sich nicht, wie bisher, durch ABM-Stellen über Wasser halten. Diese Unterscheidung zwischen „richtigen“ Selbsthilfegruppen und denjenigen, die bereits durch ihre Dienstleistung in das psychosoziale Netz der Stadt gehören, macht auch die SPD. Eine Finanzierung der Selbsthilfegruppen soll über einen Selbsthilfefonds gewährleistet werden, an dessen Verteilung die einzelnen Träger beteiligt werden sollen. Auch für tarifliche Bezahlung für Beschäftigte in der Dienstleistung will sich die SPD einsetzen.
Einigkeit herrscht auch in der Frage der Prävention. Krankheitsursachen in der Umwelt, am Arbeitsplatz, in Nahrungsmitteln und durch einen entsprechenden Lebensstil sollen bekämpft werden. In Sachen Methadon zeigt sich eine vage Annäherung zwischen SPD und AL. Letztere fordert kontrollierte Versuche mit dem Substitutionsmittel. Bisher sperrte sich die SPD gegen den Einsatz der Ersatzdroge, doch mittlerweile gibt es kein absolutes Nein mehr zu Methadon. In welcher Form Einigkeit in dieser Frage erzielt werden kann, bleibt also abzuwarten.
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