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Plädoyer für eine Frauenpartei

■ oder Warum ist eine Frauenpartei notwendig?

Wenn wir von einer Frauenpartei hören, so werden wir an das Wort „Frauenrechtlerinnen“ erinnert. „Frauenrechtlerinnen“ das ist eine etwas verächtliche Bezeichnung für eine gute Sache.

Diese Frauen kämpfen auch dafür, daß die Frauen gleichberechtigt im politischen Leben neben den Männern stehen sollten. Die Entwicklung der Frauenbewegung ist unterbrochen worden durch den Nationalsozialismus. Man hat den Frauen den Vorwurf gemacht, daß sie durch ihr Mitläufertum den Nationalsozialismus unterstützt haben. Das mag in manchen Fällen auch zutreffen. Aber man vergißt, daß es gerade der Nationalsozialismus war, der die Frau, die eben angefangen hätte, im politischen Leben zu wirken, zur vollständigen politischen Ohnmacht aufs neue verurteilte. Daran haben auch die Frauengruppen der damals bestehenden politischen Parteien nichts zu ändern vermocht. Man vergißt ferner, daß der Nationalsozialismus nicht von Frauen ersonnen worden ist, sondern ein System darstellte, das, ausschließlich von Männern erdacht, ausschließlich dem Gewaltanspruch des Mannes in der Weltordnung Geltung verschaffen sollte. Man benutzte die politische Ohnmacht der Frau, zu der sie auch in den damals bestehenden Parteien verurteilt war, und zwang sie, sich dem Gewaltsystem des Nationalsozialismus unterzuordnen.

Warum konnte es dahin kommen? Es fehlte dem Lande an einer politischen Führung durch bedeutende, weitsichtige Frauen mit Sachkenntnis und Überlegenheit, die ihre auf Vernunft und Sittlichkeit gegründete Weltanschauung der des Mannes entgegensetzen konnten.

Eine Wiederholung solchen Geschehens wollen wir mit allen Kräften verhindern. Es handelt sich für uns nicht darum, Rechte für unsere Person zu erkämpfen, sondern darum, Pflichten zu erfüllen, die wir im öffentlichen Leben haben.

Jetzt gilt es für die Frauen zu handeln. Jetzt gilt es für die Frauen zu erkennen, daß der Augenblick gekommen ist, sich auf sich selbst zu besinnen, um ihrem eigenen Elend und dem Elend der Welt abzuhelfen durch ihre Tatkraft uand Entschlossenheit. Nicht das ist ihre Aufgabe, demütig diese aufgebürdeten Lasten zu schleppen, sondern zu erkennen, daß solche Zustände für eine Kulturnation menschenunwürdig sind, gleichgültig, ob für Polen, England, Deutschland, Belgien oder irgendeine andere Nation. Es ist eine Aufgabe der Vernunft und des sittlichen Bewußtseins, diesen Zustand zu ändern. Nicht den Lebensstandard der Völker herabzudrücken, sondern ihn zu erhöhen, muß das Ziel sein.

Die Weltanschauung des Mannes und der Frau sind verschieden. Der Mann sieht die Welt als ein Feld an, das er erobern will, die Frau als einen Garten, der ihr zur Pflege anvertraut ist. Wir wollen keinen Keil zwischen die Geschlechter treiben, wenn wir dies aussprechen, nicht das eine Geschlecht erniedrigen, um das andere zu erhöhen.

Nur durch ihre Ergänzung wird das Gleichgewicht des öffentlichen Lebens hergestellt. Dieses Gleichtgewicht der Geschlechter fehlt im öffentlichen Leben vollständig. Es hat es auch nie gegeben bis jetzt. Die Politik will Fragen der Menschheit lösen, aber zur Menschheit gehören Männer und Frauen, und nie werden die Männer allein die Fragen der Menschheit lösen können. Wohin die einseitige männliche Führung die Welt bringt, zeigt die Weltgeschichte in ihrer ewigen Folge von Kriegen, und es zeigt uns unbarmherzig die unmittelbare Gegenwart. Die vordringlichste Frage in der Menschheitsgeschichte ist die, den Frieden zu erhalten. Wenn Frieden bisher geschlossen worden ist von Männern, enthielt dieser Frieden gewöhnlich schon die Grundlagen neuer Kriege, weil die von Männern festgelegten Friedensbedingungen beinahe immer den Unterlegenen bedrückten.

Es ist die Aufgabe der Frauen, das sittliche Weltgewissen wachzurufen, und dies ist nicht die kleinste Aufgabe der Frauenpartei. Wenn es den Frauen nicht gelingt, den nächsten Krieg zu verhindern, dann sind auch sie mitschuldig an dem drohenden Weltuntergang. Dann haben sie nichts gelernt aus den entsetzlichen Erfahrungen unserer Tage. Das Gebot der Stunde heißt für alle Frauen: Schließt euch zusammen zu einer machtvollen Einheit!

Man hat den Einwand erhoben: Warum eine Frauenpartei? Schließt euch doch einer der bestehenden Parteien an! In den bestehenden Parteien werden zwar Frauen mitgeführt. Das Programm dieser Parteien aber ist vorzugsweise von Männern aufgestellt. Weder zahlenmäßig noch im Umfang ihrer Einflußsphäre ihrer Bedeutung angemessen, werden die Frauen in diesen Parteien geführt.

Es handelt sich nicht darum, die Frauen nach dem Muster des Mannes zu bilden, zu formen und zu leiten. Es handelt sich darum, die eigene wertvolle Anlage der Frau für das öffentliche Leben einzusetzen. Wir müssen den Weg selbst finden. Darum brauchen wir eine Frauenpartei.

Die Frauenpartei will keine anderen Parteien bekämpfen, sie erkennt das Vernunftgemäße im Programm anderer Parteien nur an und will solche vernunftgemäßen Forderungen nur unterstützen, denn sie will Frauen der Menschheit lösen (so steht es da!!!, d. s-in). Aber sie hofft, mit Hilfe der Frauen das Vernunftgemäße schneller durchzusetzen in der Welt. Wir wünschen sehnlich, daß die Frauenarbeit aller Parteien zusammengeführt würde.

Die Fülle der berufstätigen Frauen braucht einen Schutz. Sie braucht eine Vertretung ihrer Art gemäß. Diese Vertretung kann kein Mann übernehmen. Darum brauchen wir eine Frauenpartei. Es müssen Frauen in den Parlamenten sitzen in einer solchen Anzahl, wie sie tatsächlich der Menge der Frauen entspricht.

Wir können nicht wissen, ob die Frauen die politischen Hoffnungen rechtfertigen werden, wir können es nur versuchen und hoffen. Aber das weiß ich, daß wir Frauen, wenn wir alle geschlossen auftreten, viel Gutes schaffen können. Wenn man dem Volk seine sittliche Kraft wiedergeben kann, gibt man ihm alles wieder. Keine Macht der Erde kann uns dann vernichten.

Madeleine Lüders

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