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Hessischer Rundfunk - Druck von innen und außen

CDU-Politiker und Rundfunkrat drehen dem mißliebigen „Rotfunk“ den Geldhahn zu / RedakteurInnenversammlung befürchtet „Entwortung“ des Programms zugunsten von Musik und Werbung als Zielvorgabe der angekündigten Strukturreform / Geplante Aktionstage der MitarbeiterInnen vorerst gescheitert  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Bereitet sich im Hessischen Rundfunk derzeit eine Palastrevolution vor oder ist es eher ein „kleines Revolutiönchen“? Darüber mag sich auch „Zeitfunk„-Chef Karl Graf Matuschka Gedanken gemacht haben, als er am 9.März an die „Lieben Kollegen“ in den Chefzimmern im Frankfurter Sendehaus am Dornbusch schrieb. Der Widerstand gegen die von ihm scharf ins Auge gefaßte Zurückstutzung der in seiner Abteilung produzierten Rundfunkmagazine Unterwegs in Hessen und Passiert notiert zugunsten von Musik und Werbung addiere sich zu einem „nicht zu unterschätzenden revolutionären Potential“ vor allem unter den freien MitarbeiterInnen. Auch mit „heftiger öffentlicher Kritik“ sei zu rechnen.

Karl Graf Matuschka ist Mitglied einer fünfköpfigen Programmkommission für die Hörfunkprogramme, die hausintern erarbeiten soll, was die Politiker dem Hessischen Rundfunk auf mehreren Ebenen verordnet haben: sparen, sparen, sparen. Seit dieses Gremium verdeckt und intendantenunabhängig zu Werke geht, kursieren im Hause Gerüchte und Geheimpapiere. Mißtrauische MitarbeiterInnen mutmaßten schon vor Monaten, daß diese Strukturreform trotz gegenteiliger Beteuerungen zum hausinternen Knebel geraten könnte. Angriffe und politischer und finanzieller Druck von außen, vor allem durch die hessische CDU/FDP-Landesregierung schafften jedoch im Funkhaus eine vorübergehende Solidarität vom Intendanten bis zur Requisite.

Eine Lex-HR

für den „Rotfunk“

Da ist zum einen die zu erwartende mittelfristige Verschuldung von geschätzten 132 Millionen Mark, der der Hessische Rundfunk bis Ende 1992 entgegensieht. Ursache dieses Defizits ist nach Meinung von Experten die zu niedrige Gebührenerhöhung. Da ist zum anderen die Keule der Novellierung des Rundfunkgesetzes, die die Landesregierung seit geraumer Weile schwingt. Sie will zum einen die Rechte des Intendanten bei Personalentscheidungen gesetzlich drastisch einschränken, zum anderen die Werbung im Dritten Fernsehprogramm verbieten und die im Hörfunk reduzieren. Der Verlust der Werbeeinnahmen würde das Defizit des HR zusätzlich um 20 Millionen Mark pro Jahr erhöhen. Damit geht die Landesregierung weit über das hinaus, was im Staatsvertrag der Länder zwischen den Ministerpräsidenten in Sachen Bestandsgarantie für die Öffentlich-Rechtlichen und Etablierung der privaten Anbieter festgeschrieben wurde. Eingebracht haben die beiden Regierungsparteien diese „Lex -HR“ allerdings bisher noch nicht.

Druck macht auch der Rundfunkrat. In ihm sitzen mehrheitlich „Schwarze“ und konservative „Graue“, denen der „Rotfunk“ schon immer ein Greuel war. Er vergatterte den Intendanten Hartwig Kelm bis zum Sommer dieses Jahres einen Sparplan über die zu erwartenden 132 Millionen Mark Defizit ab 1990 vorzulegen. Für das laufende Geschäftsjahr 1989 sollen 16,5 Millionen Mark weniger ausgegeben werden. Kelm, seit Beginn dieses Jahres auch ARD-Vorsitzender, weigerte sich bisher standhaft. Er war bei seiner Ernennung zum Intendanten eigentlich ein Wunschkandidat konservativer Provenienz. Der ehemalige Präsident der Frankfurter Universität und gelernte Chemiker mauserte sich jedoch vor den entsetzten Augen der Rundfunkräte zum Rebellen, traf aufmüpfige Personalentscheidungen und geißelte die Einflußnahme der Politiker auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Er wurde zum meistgehörten Advokaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Selbst neue und altgediente Linke im Sender begannen in höchsten Tönen für Hartwig Kelm zu schwärmen.

Die Schwärmerei fand ihr jähes Ende und geriet zum Wespennest, als erste Ergebnisse der Strukturreform -Kommission durchsickerten. „Dudelfunk“, „Entwortung des HR“ waren noch sanfte Reaktionen auf das Matuschka-Modell, in dem Platz für Vormittagswerbung geschaffen werden soll. Daß der HR nach diesem Vorschlag gut beraten sei, sich das Zweite Programm des Norddeutschen Rundfunks (NDR) zum Vorbild zu nehmen, rief höhnisches Gelächter hervor. Ausgerechnet dort hatte die Orientierung an den Privaten eine solche gähnende Langeweile hervorgerufen, daß immer mehr Niedersachsen - soweit empfangbar - auf den HR umschalteten - eben wegen seiner Wortbeiträge, Magazine und Nachrichten.

Daumenschrauben für die „Zeitfunk„-Redaktion

Schon am 16.Februar hatte die Redakteursversammlung zum ersten Mal Alarm geschlagen und eilig alle Betroffenen an die Resopaltische in der Kantine des Senders geladen. Es kamen damals über 200 mehr oder minder bekannte Stimmen und Gesichter aus Funk und Fernsehen. ModeratorInnen und Kameraleute, Cutterinnen und Techniker, Freie und Feste saßen da zusammen, ballten erstmals die Fäuste und redeten von Streik. In Kultursendungen, politischen und Nachrichtenmagazinen, im Ausländerprogramm, bei aktuellen Reportagen - also kurz „am Programm“ - solle gespart werden, mutmaßten sie.

Die Versammlung beschloß dann doch keinen Streik, sondern einen Aktionstag: „Für diesen Tag wird ein Programm vorbereitet, durch das die Folgen der Sparmaßnahmen ... verdeutlicht werden.“ Da kam - beflügelt durch Ängste Phantasie auf. Kameraleute wollten auf Polaroidfotos umsteigen, Beleuchter die Lampen abdrehen, Fernsehmacher mit Standfotos arbeiten. Aus dem Aktionstag, der für den 15.März vorgesehen war, wurde nichts. Gerade 48 Stunden habe „der Mut des Intendanten“ gewährt, seinen MitarbeiterInnen diesen Plan nicht zu versagen, dann sei er umgefallen. Mit Verweis auf eine Rundfunkratssitzung am 17.März habe er „gebeten“, darauf zu verzichten. Er habe „die berechtigte Hoffnung“, daß dort die Sparbeschlüsse „gemildert“ würden. Und etwas strenger im Ton soll er gesagt haben, wer sich dennoch am Aktionstag beteilige, müsse sich mit „den Regularien des Hauses auseinandersetzen“.

Die rund 60 Leute, die den Aktionstag vorbereitet hatten, vertagten sich. Bei der darauffolgenden Personalversammlung am 9.März allerdings kam es zu einem vorher nie dagewesenen Andrang. Rund 700 HRler füllten den Großen Sendesaal. Sie beschlossen - einstimmig - einen neuen Aktionstag: den 19. April.

Kurz nach dieser Personalversammlung zog die wahlabgekämpfte CDU nicht mehr nur die finanzielle Daumenschraube an, sondern versuchte diesmal gleich direkt auf den HR Einfluß zu nehmen. Der Fraktionsvorsitzende der CDU im Hessischen Landtag, Hartmut Nassauer, forderte eine öffentliche Entschuldigung vom Intendanten. Stein des Anstoßes war die Berichterstattung über den rassistischen Kommunalwahlkampf der CDU. Das Haus am Dornbusch ignorierte dieses Ansinnen.

Daß die von der CDU vor allem beanstandete Sendung ausgerechnet aus der „Zeitfunk„-Redaktion stammt, bei der Karl Graf Matuschka von der Strukturreform-Kommission die Schere ansetzen will, muß nichts zu bedeuten haben. Dr.Will Teichert, ebenfalls in der Kommission, betonte gegenüber der taz ganz entschieden, seine Arbeit und die von außen aufgezwungenen Sparmaßnahmen seien „zwei Paar Schuhe“. Außerdem sollen Ergebnisse erst Ende April vorliegen, dann den Hauptabteilungsleitern und schließlich „dem ganzen Haus“ zur Diskussion vorgelegt werden. Eine Modifikation der Strukturreform „in vernünftigem Rahmen“ durch die Redaktionen sei dann noch möglich. Stehen solle das Reformpaket bis zur Sommerpause und ab Herbst umgesetzt werden. Das letzte Wort haben allerdings die Programmdirektoren und der Intendant.

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