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„Bilinguale“ wollen gegen Selektion klagen

■ „Elterninitiative Bilinguales Gymnasium“ gegen Selektion unter den Zehnjährigen gegründet / Auch Planungsgruppe der Bildungsbehörde lehnt „nachgeschobene Selektion“ ab / Eltern kennen internes Behördenprotokoll vom 12.3. nicht

„Wenn wir nicht wenigstens soviel Druck ausüben wie die Gesamtschule Mitte, dann stellen wir uns ein Armutszeugnis aus“, meinte ein betroffener Vater. An die 50 Elternteile waren am Montag abend ins Bürgerhaus Vegesack gekommen, weil ihren Schulkindern schon vor der Orientierungsstufe eine „nachgeschobene Selektion“ droht. Die hat der Bildungssenator angekündigt, seitdem überraschend über 250 Anmeldungen für das „Bilinguale Gymnasium“ die Behörde aufgeschreckt hat. (vgl. taz 16.3.)

Die Eltern wollen sich organisieren, wollen Druck machen. Der vorläufige Sprecher der Initiative, Karl W. Tischer, sammelte am Montag abend an der Schiefertafel Formulierungsvorschläge für ihre Resolution: „Uneingeschränkter Zugang zur Orientierungsstufe zur Vorbereitung auf das Bilinguale Gymnasium“ ist die Haupt -Forderung. Und die Eltern wehren sich dagegen, wie ein Vater formulierte, daß der Bildungssenator „im Nachhinein“ das Bilinguale zu einer „Hochbegabtenschule“ für eine „Elite“ erklärt, wo es doch nur um intensiven Sprachunterricht - drei Sachfächer auf englisch - gehe. Die Eltern fordern, daß frühere Zusagen eingehalten werden, insbesondere der Beschluß der Deputation vom Dezember 1988, in dem die SPD-BildungspolitikerInnen „ggf“ mehrere stadtteilnahe Orientierungsklassen „nach Bedarf“ einzurichten versprachen (vgl. taz 3.4.). Bedarf besteht, kommen doch allein aus Bremen-Nord 23, zum Beispiel aus Obervieland 22 Anmeldungen. Ein Schulweg zur

Hermann-Böse-Straße ist da den Zehnjährigen kaum zuzumuten.

Die Eltern „sind entschlossen, die Rechte ihrer Kinder notfalls gerichtlich durchzusetzen“, soll in der Erklärung der „Elterninitiative“ stehen, und sie wollen beteiligt werden an der weiteren Planung.

In der Behörde würden sie sicherlich einige Beamte finden, die den Protest gegen den „Tatbestand der nachgeschobenen Selektion“ teilen - stand dies doch wörtlich im Protokoll einer behördeninternen Besprechung der Planungsgruppe „Bilinguales Gymnasium“. Das vertrauliche Protokoll dieser Sitzung vom 12.3., das die Eltern nicht kennen, gibt ihren Argumenten überraschend weit Recht: Die hohe Zahl der Anmeldungen - über 250 - sei nur zu verstehen „im bildungspolitischen Kontext in Bremen“, analysierten die Behörden-Planer. Und dann werden die möglichen Problemlösungen durchgegangen - und weitgehend verworfen: Eine Selektion könne nicht begründet werden mit dem Argument der „Hochbegabtenschule“, steht da. Genau dies aber tut der Senator. „Es hält im Grunde keine nachgeschobene Begründung für eine qualitative Selektion einer Argumentation stand“, gesteht das Behördenprotokoll. Dennoch redet die Behörde seit dem 15.März davon.

Weiter: Eine Auswahl von Fächern, in denen die Fremdsprach -Qualifikation bei Grundschulkindern überprüft werden könnte, „läßt sich nicht stringent begründen“. Dennoch hat die Behörde von den Schulen die Zeugnisse der angemeldeten Kinder angefordert. Probeunterricht zur Prü

fung hätte „verheerende Folgen“ für die Grundschule.

Die Behörde hat den Eltern geschrieben, es solle ein Spracheignungs-Test durchgeführt werden, so etwas gebe es in anderen Bundesländern. In dem Behördenprotokoll vom 12.3. steht: „Spracheignungsetests in anderen Bundes

ländern wurden wegen Unbrauchbarkeit aufgegeben.“ In der Besprechung der Planungsgruppe am 12.3. war man zu dem Schluß gekommen, daß allein ein „normales Losverfahren“ gerichtbeständig sein dürfte. Das bedeutet: die Planungsgruppe des Bilingualen Gymnasiums hält die am 15.3.

den Eltern schriftlich angekündigte „leistungsbezogene Auswahl“ der zehnjährigen Kinder vor der Orientierungsstufe für rechtlich bedenklich.

Die in Vegesack versammelten 50 Eltern wollen die 200 anderen, die nicht erreicht werden konnten, nun am 13.4. (20 Uhr, Bür

gerhaus Neue Vahr) zur Elterninitiative bewegen. Und da Klagen vor dem Verwaltungsgericht nur für die Kinder verbindlich sind, in deren Namen geklagt wurde, wollen verschiedene Eltern auch kompetente Rechtsanwälte ihres Vertrauens mit der Angelegenheit befassen.

K.W.

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