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„Tanzen, Billard, In-der-Bar-Rumsitzen“

■ Auch wenn die Gerüchte anders lauten: Es gibt noch immer Jugendliche, die ihre Freizeit im „Jugendfreizeitheim“ verbringen Das große „Freizi„-Schließen soll erst nach dem Moratorium beginnen / Stichprobe in Findorff

Was wird in den Bremer Freizis denn eigentlich so den ganzen lieben langen Tag gemacht? Diese Frage haben die Sparkommissare des Bürgermeisters aufgeworfen. Weniger allerdings aus Neugier am Freizeitverhalten der Bremer Jugendlichen, als aus dem Interesse, in den Jugendfreizeitheimen 22 Stellen einzusparen. Während eines „Moratoriums“ sollen die einzelnen Häuser mit Sparwünschen noch in Ruhe gelassen werden. In dieser Zeit sind sie beauftragt, in schriftlichen „Hauskonzeptionen“ ihre Daseinsberechtigung nachzuweisen.

19 Freizis gibt es derzeit noch. Und „in jedem wird was anderes gemacht“, wie Umfragen unter Freizi-PädagogInnen rasch ergeben. Im einem nimmt das Ausbildungs-Projekt mit arbeitslosen Jugendlichen fast den ganzen Raum ein, im anderen geht's vorrangig um „Medien“. Wieder ein anderes rückt die „Mädchen“ in den Mittelpunkt und ein viertes will sich auf „Gemeinwesenarbeit“ in einem bestimmten Straßenzug verlegen.

Die taz machte eine Stichprobe im Findorffer Freizi, das sich keinen „Projekten“, sondern der

„offenen Jugendarbeit“ verschrieben hat: Das Findorffer „Jugendheim“ ist - zusammen mit dem Lesumer - von der Bausubstanz das neueste und schönste. Ein Grund, warum die MitarbeiterInnen befürchten, daß ausgerechnet ihr Haus ein „Schließhaus“ sein wird: „Das kann man am besten verkaufen.“

Mittwoch nachmittag ist hier Disco angesagt. Zu Spitzenzeiten kommen 300. Dann verdünnisie

ren sich die „Jujus“, die „jungen Jugendlichen“, die bereits als siebenjährige das Freizi bevölkern. Mittwochs gehört das Freizi den 14- und 17jährigen, die aus allen Ecken und Enden Bremens zur Disco anreisen. Warum? Corinna (16): „Das ist die Überbrückung von Freitag zu Freitag. Ein Anhaltspunkt, wo man hingehen kann. Die DJs sind meine Freunde, die sind gut.“ - Olivea (14): „Weil ich hier viele kenne,

weil ich sonst nichts besseres vorhabe.“ - Tanja (14): „Weil es Spaß macht. Das Findorffer ist doch das vollste Freizi in Bremen. Das beste, das größte und schönste. Hier verstehst Du Dich mit den Leuten, hier gibt es fast keine Prügeleien.“ Sie ist fast jeden Tag discomäßig unterwegs: Freitags im Waller Freizi, montags und dienstags in einer Waller Kirchengemeinde: „Ich geh‘ überall hin.“ Ein anderes Mädchen, Cordula, kommt aus Findorff. Sie geht jeden Tag, nachdem in der „GSW“, der Gesamtschule West, Schulschluß ist, ins Freizi - „außer Dienstag, da ist geschlossen.“ Und was macht sie hier? „Tanzen, Billardspielen, In-der-Bar -Rumsitzen.“

Im Eingangsflur steht eine Gruppe 16-, 17-, 18jähriger aus Findorff, in dem Alter wo man nicht genau weiß, ob man sie als „Jungen“ oder „junge Männer“ beschreiben soll. Sie sind in der Lehre oder haben ausgelernt als Elektriker oder als mathematisch-technischer Assistent. Sie gehören zur türkisch -deutschen Stammclique des Hauses, kommen fast jeden Tag und kochen sich hier auch oft das Abendessen. Entsprechend ihre Antworten, auf die Frage, warum sie denn ins Freizi gehen: „Weil hier unser zweites Zuhause ist.“ - „Man kann hier alles machen: Jungengruppen, Mädchengruppen. Ab und zu am Wochenende

auf Seminar fahren. Fotolabor. Holzwerkstatt. Metallwerkstatt. Schlagzeug. Töpfern. Berufsberatung gibt es hier auch, das macht Ursula privat. Freitags ist Video -Nachmittag. Zeichentrickfilme, Bud Spencer. Freigegeben ab sechs Jahre. Die gucken wir uns auch an. Und für das nächste Jahr ist ein Sommerurlaub in den Süden geplant.“ - „Man kommt nicht auf dumme Gedanken. Hier langweilig, da langweilig - Scheiben einschlagen.“

Drei Planstellen sind für das Freizi vorgesehen, davon zwei besetzt. Heimleiterin Jutta Schöpp arbeitet seit fast vier Jahren hier und sagt von sich: „Ich gehöre noch zu denen, die Lust haben, im Freizi zu arbeiten.“ Vor zwei Jahren war sie ohne Kollegen, als das Haus zum Treffpunkt für Bremer Skins wurde. Drei Skins hatten als Musikband im Haus geprobt. Die türkischen Jugendlichen blieben weg oder kamen als Gang wieder. Nach zahlreichen Prügeleien wurde das Freizi geschlossen. Die Besetzungsaktion Findorffer Jugendlicher konnte jedoch verhindern, daß das Freizi für immer dicht gemacht wurde. Außerdem hatten während der Schließlung streunende Jugendliche etlichen Sachschaden im Ortsteil verursacht und so die Politiker von der Notwendigkeit eines Aufbewahrungsortes „Freizi“ überzeugt. Die Aufbauzeit danach war hart, um „die Jugendlichen wieder hier hin zu kriegen“.

Bei den „Jugendlichen“ reicht die Spanne mittlerweile von sieben bis 25 Jahren, die einen kommen, weil sie keinen Hortplatz haben, die anderen gehen nicht wieder raus, weil sie noch immer arbeitslos sind. Das Freizi wird auch noch von anderen FindorferInnen rege genutzt: Jusos, Grüne und SDAJ'lerInnen halten Sitzungen, Frauen machen Töpferkurse und Seniorinnen turnen vormittags. Somit sei das Freizi doch in den Stadtteil integriert, findet die Heimleiterin. Die Planer würden allerdings für den Bestand eines Freizis zur Hauptbedingung machen: steigende Zahlen von Jugendlichen und hier insbesondere von sogenannten „Benachteiligten“. Frei nach diesen papierenen Kriterien sei ihnen schon mehrmals bescheinigt worden: „Findorff ist kein benachteiligter Stadtteil. Findorff hat keine Jugend.“

B.D.

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