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Männerfreundschaft mit Blondine

■ Billy Wilders „Double Indemnity“ von 1944 meldet sich in der Schauburg zurück

Wer hat Angst vor dem schwarzen Mann mit Hut? Ich! Wie er da an zwei Krücken immer näher kommt, immer größer wird, bis die Leinwand seine Silhouette schließlich nicht mehr fassen kann - wird er im nächsten Moment über uns kommen und uns schwarz machen, und keine Kinosessellehne der Welt wird ihn aufhalten.

Hollywoods schwarze Männer melden sich zurück mit Billy Wilders „Double Indemnity“, der kaltübersetzt soviel heißt wie „Frau ohne Gewissen“ und 1944 einer der Filme der „Schwarzen Serie“ war, die Humphrey „Malteser“ Bogart 1941 zur Legende verhalf und umgekehrt.

Die „Schwarze Serie“ ist als radikale Absage an hollywoodischen Optimismus in die Filmgeschichte eingegangen, da sie nicht herkömmlich in gut und böse zerteile wie die Gangsterfilme der 30er. sondern total amoralisch sei. Also Pfui! Das ist gut. Die Romanvorleger und Genrebereiter waren jene Autoren, bei denen auch heute noch bestinformierte Krimikreise feuchte Hände krie

gen, als wär‘ die schwarze Seele ein Stück von ihnen: Raymond Chandler, Dashiell Hammett, James M. Cain. „Double Indemnitiy“ basiert denn auch auf einem Roman von Cain; am Drehbuch (und am Verzweifeln): Chandler. Die Schwierigkeiten mit seinem ersten Drehbuch und mit Billy W. hat ihn wieder der Flasche an den Hals geworfen. 1950 schreibt er an seinen Verleger: „Die Arbeit mit Billy Wilder (...) hat mir wahrscheinlich das Leben verkürzt. Wer klug ist als Drehbuchschreiber, trägt - künstlerisch gesprochen - seinen zweitbesten Anzug und nimmt sich die Dinge nicht allzusehr zu Herzen.“ Bei „Double Indemnity“ hat er wohl absatzweise seinen (pechschwarzen!) Smoking getragen. Daß die Lösung nicht mehr des Rätsels Höhepunkt sein mußte, ist nur eine Unverfrorenheit des Films. Natürlich sind schwarz, schwarz, schwarz alle seine Farben. Schwarz wie die Nacht, wie Blut, wie Unmoral, wie Lakritz, mit einem Schimmer Klischeeweiß. Und von der Schlechtigkeit, die jeglichen Hopfenmalz bereits

verloren hat. Da ist Fred MacMurray, die zynische Zierde des Geschlechts der Versicherungsagenten: einmal verletzt, immer unverwundbar. Da ist Barbara Stanwyck als platt-formgefönte Barbievorläuferin, deren kriminelle Energie alle bis dato reichverheirateten FußnagellackiererInnen in den Serienschatten stellt; und unseren Anti-Helden dazu. Wie ihre Augen sprechen - und zwar von Abgründen! Und schon bei seinem ersten Hausbesuch im verdunkelten Ambiente! In ihrem Busen hegt sie Mordgelüste, wie sie nur Blondinen der schwarzen Serie zu hegen pflegen. Und wie die Dialoge spritzen! Da ist keine Frage umsonst im Raum, keine Antwort trifft daneben. Wilder meets Chandler! Das wünscht man sich für's wirkliche Leben.

Im (Ab-)Grunde geht es um Geld und wahlweise um Mann oder Frau.

Ein perfekter Gattenmord wird geplant, wir aber wissen schon vom Jacketfleck (Einschuß) zu Beginn, daß mindestens einer, nämlich unser verführter Mann

von der Versicherung, ein Kandidat des Todes ist. Natürlich geht es auch um eine Männerfreundschaft zwischen Unter-und Übergebenem. Der Chef vom Versicherungsagenten ist Edward G. Robinson; doch wieder kein Ekelpaket, obwohl er ja immer so aussieht. In der Schlußszene wird er dem von ihm selbst zur Strecke Gebrachten Feuer und Freundschaft über den Tod hinaus anbieten. Da ist der schwarze Schrecken der ersten Minuten längst wieder auf die Leinwand zurückgekehrt. Die Figuren werden von ihren Obsessionen getragen, als besäßen sie Eigenschaften, und sind eben doch nur so abschreckendschwarz wie ein Scherenschnitt. Die Dramaturgie von hell und dunkel ist das Atemberaubende an diesem Film. In einer lauernden Fläche von halben und ganzen Schatten bewegen sich die Figuren wie dauernde Grenzgänger zwischen dem Reich der Toten und der Lebenden. Die geschlossene Jalousie, das Requisit der „schwarzen Serie“, ist die einzige Verbindung zur Außenwelt. Claudia Kohlhas

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