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Weder Oper noch

■ Peter Kerns neuer Film „Hab ich nur Deine Liebe“

Ein Film, so unaufdringlich wie die Hausmeisterin Kling aus der Lindenstraße, so spritzig wie Thoelkes Wim und eben genauso trutschig wie Peter Kern, der Regisseur. Der variiert in seinem zweitem Spielfilm mal wieder das Thema von der guten, gar nicht hübschen Fee, die den bebrillten Spießer eine neue Weltsicht lehrt. Die randständige Herzensöffnerin und der verklemmte Workaholic, das verrückte Paar, umgeben von ein paar Normalen, die ja die wirklich Verrückten sind: das alte Lied von der erzieherischen Macht der Nächstenliebe, die alle im Kitsch vereint. Ein Außenseitermusical mit Solibonus, rrrromantisch bis zum Anschlag.

Dabei fängt alles so gut an, mit Tempo auch und dort, wo wir uns, sachbearbeitend & fingernägellackierend, auskennen. Im Büro. Der arbeitswütige und kontaktscheue Programmierer Seebisch (Tilo Prückner) muß sich mal wieder, auch am letzten Arbeitstag des Jahres, der Annäherungsversuche zweier blonder Singletippsen erwehren und wird zudem dringlichst von seinem schmierigen Vorgesetzten aufgefordert, die Betriebssilvesterfete nicht wieder zu schwänzen. Entnervt verläßt er die Firma, um sich vorher noch ein wenig in der Video-Peep-Show zu entspannen und sich mit anregender Hochglanzlektüre für den Jahreswechsel einzudecken. Endlich allein in der Pornokabine, findet er dennoch keine Ruhe. Durch ein Loch in der Kabinenwand wird er schmatzend und züngelnd erneut aufgefordert, zur Schwanzeingabe. Und wer ist der böse Bub von nebenan? Natürlich der Vorgesetzte von vorher.

Panisch verläßt Seebisch den Ort der Verwirrung, und so schön alptraumhaft könnte es weitergehen, liefe ihm jetzt nicht Christa Berndl, die stumme, aber soubrettierende Fee, vor die Motorhaube. Er liest sie fahrerflüchtend auf und nimmt sie mit nach Hause. Jetzt sollen die beiden in den Strudel der Ereignisse geraten, der Seebisch das große Gefühl und der Stummen die Sprache bescheren wird. Doch es folgen vor allem lähmende Gesangseinlagen und lange, weichgezeichnete Traumsequenzen.

Sie zersingt die Betriebsfete, wofür er kein Verständnis hat. Sie geht, und er läuft hinterher. Und jetzt öffnet Peter Kern sein gefühliges Außenseiterarsenal: Es singt im Park ein Chor von Lederhomos, ein schwangeres Thaimädel wird aus den Klauen eines cholerischen Netzunterhemdträgers befreit und kommt im Sexklub nieder, ein blinder Rollstuhlfahrer beweist sein seherisches Talent, die gute Fee kotzt im Traum „auf Deutschland“. Daneben noch Kritik an Apparatemedizin, Wegsperrpsychiatrie und Tierversuchen. Eine Putzfrau fegt die 'Nationalzeitung‘ beiseite. Zwischendrin strahlt Christa Berndl, in Polyesterkittel und Kniestrümpfen, penetrant Herzensgüte aus, wie ein durchgeknallter Radiator. Endlich wird schüchtern kopuliert und dann in Liebe gemacht.

Keine Satire, kein Märchen, keine Oper oder Operette. Viel Kitsch und ein bißchen Komik. Ich freu‘ mich aufs Büro.

Hans-Hermann Kotte

Peter Kern: Hab ich nur Deine Liebe; Musik: Astor Piazzolla; mit Christa Berndl, Tilo Prückner, Wolf-Dietrich Sprenger; BRD 1989, gut 90 Min.

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