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Braune Computerspiele

■ Der Jugendsenat stellte gestern eine Aktionen gegen neonazistische Computerspiele vor / Immer mehr Nazi-Software in Berliner Kinderzimmern

„Heil dir im Hakenkreuz, Herrscher des deutschen Reichs“, flimmert es auf dem Bildschirm des Computers und daneben erscheint das Bildnis Adolf Hitlers. Der Spieler wird sich die nächsten 20Minuten damit beschäftigen, die Weltherrschaft zu erlangen, dabei Gefangene im KZ arbeiten lassen und der „deutschen Kriegsflotte“ wahlweise 800 oder 1.000 „Heizjuden“ zu übersenden.

In etwa jedem zehnten bundesdeutschen Haushalt steht mittlerweile ein Mikrocomputer. Immer mehr Jugendliche horten in ihren Diskettenkästen Computerprogramme mit neonazistischen, pornographischen oder gewaltverherrlichenden Inhalten. Seit Januar 1989 leitete das Landgericht Berlin 330 Verfahren wegen Raubkopierens von Programmen ein. „90 Prozent der Beschuldigten waren jugendliche Computerfreaks“, erklärte der Staatssekretär für Justiz, Wolfgang Schomburg, gestern auf einer Pressekonferenz zum Thema, „der Raubkopiermarkt wird in steigendem Maß von Außenstehenden genutzt, um rechtradikale Inhalte zu verbreiten.“

Was da mit Namen wie „Anti-Türken-Test, Made in Buchenwald, copyright 1988 by Hitler& Hess“ oder „KZ-Manager“ in den Kinderzimmern über den Schirm läuft, wird beig Jugendlichen mit großer Selbstverständlichkeit unter der Hand weitergereicht. Die Computerspiele sind „in“ und verbreiten sich rasant. Die begehrten Nazispiele werden zusammen mit harmlosen „fun-games“ auf Disketten kopiert und gegen neues Material getauscht. In den Pausen auf den Schulhöfen beobachten Lehrer einen schwunghaften Tauschhandel. Die Listen mit indizierten Computerprogrammen dienen dabei quasi als Hitlisten. „Es ist für die Jugendlichen unglaublich attraktiv, so ein verbotenes Programm zu besitzen“, sagte der Staatssekretär.

109 Nazi-, Gewalt-, und Pornocomputerspiele standen Ende 1988 auf dem Index der Bonner Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften. Als erstes neonazistisches Spiel wurde der „Anti-Türken-Test“ auf die Liste gesetzt. Die Urheber solcher Computerspiele sind meist unbekannt. In ihren Ermittlungen stieß die Staatsanwaltschaft auch auf Jugendliche, die Programme neonazistisch „umprogrammiert“ hatten. „Es kann aber nicht darum gehen, einzelne Jugendliche zu jagen“, erklärte Schomburg, „wir wollen gegen gewerbsmäßige Händler und rechtsextreme Hintermänner vorgehen.“

Eindeutige Hinweise auf den Hersteller fanden sich bisher im Spiel „Nazi Demo“: Im Abspann steht 'Wir danken der „National-Zeitung“ für ihre Hilfe‘. Das rechtsextreme Blatt wird von dem Vorsitzenden der „Deutschen Volks-Union“ (DVU) herausgegeben.

Bei einer bundesweiten Razzia im März 1988 wurden mehrere Hundert Disketten beschlagnahmt. Hinweise, daß es organisierte Rechtsextreme sind, die sich neue Technologien zunutze machen, häufen sich. Per Anzeige in Computerfachzeitschriften werden die Programme angeboten, und mittels anonymer Postlagerkarten verschickt. „Der Schwerpunkt dieser Geschäfte scheint in Schleswig-Holstein, Frankfurt und Berlin zu liegen“, sagte der Staatssekretär.

Die Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie startet jetzt eine Kampagne gegen braune Programme auf den Home -Computern. Mit Diskettenaufklebern „Löscht den Mist von der Disk“ versucht sie, Computerkids mit Nazisoftware zu erreichen. Bei der aufgeheizten, rechtsradikalen Stimmung unter Jugendlichen, dürfte dies wohl zunächst eine symbolische Aktion bleiben.

cif

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