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Mord an Skinhead - zweifelhaftes Geständnis

Wegen des drei Jahre zurückliegenden Mordes an einem hannoverschen Skinhead erging Haftbefehl gegen einen türkischen Strafgefangenen / „Rache für Mord an Avci“ / Rechtsanwalt hält Geständnis für erfunden / Psychiatrische Untersuchung beantragt  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Drei Jahre nach dem Mord an dem 20jährigen hannoverschen Skinhead Nils Krückeberg hat ein türkischer Strafgefangener ein Geständnis für die Tat abgelegt. Der 30jährige Gefangene hat in Anwesenheit seines Anwalts zu Protokoll gegeben, er habe den Skinhead aus Rache für den Tod seines Landsmannes Ramazan Avci erschossen. Allerdings hat selbst die Staatsanwaltschaft Hannover, die am Mittwoch von sich aus die Presse über das Geständnis informierte, noch Zweifel an den Aussagen des 30jährigen. Der hannoversche Rechtsanwalt Dieter Adler ist überzeugt, daß sich sein türkischer Mandant zu Unrecht selbst des Mordes bezichtigt.

Der Schüler Nils Krückeberg war im Januar 1986 von einem maskierten Mann durch einen Schuß ins Genick auf offener Straße ermordet worden, als er spät abends in Begleitung von zwei Bekannten nach einem Kneipenbesuch auf dem Heimweg war. Wenige Wochen zuvor war in Hamburg der türkische Jugendliche Ramazan Avci von Skinheads zu Tode geprügelt worden. Da sich Nils Krückeberg schon Monate vorher von der Neonazi-Szene abgewandt hatte, ging die Öffentlichkeit von der „Hinrichtung eines Verräters“ aus. Gegenüber der Staatsanwaltschaft Hannover, die jahrelang ergebnislos ermittelte, wurde immer wieder der Vorwurf laut, sie sei entsprechenden Hinweisen und Aussagen nicht nachdrücklich genug nachgegangen.

Gegen den geständigen türkischen Gefangenen ist jetzt allerdings bereits auf Antrag der Staatsanwaltschaft Hannover Haftbefehl wegen dringenden Mordverdachts erlassen worden. Man habe noch zu prüfen, inwieweit Details des Geständnisses mit der Tat übereinstimmten, sagte gestern Presse-Staatsanwalt Nikolaus Borchers. Eine Rekonstruktion der Tat einmal mit dem Angeklagten und einmal mit den Tatzeugen habe Unterschiede, aber auch übereinstimmungen ergeben. Demgegenüber erklärte der Rechtsanwalt des Gefangenen Dieter Adler, bei den beiden Rekonstruktionen hätten die Tatorte 30 Meter auseinandergelegen, und auch der Ablauf der Tat sei völlig unterschiedlich geschildert worden. Der Rechtsanwalt wies außerdem darauf hin, daß die angebliche Tatwaffe trotz intensiver Suche von Polizeitauchern nicht in dem Gewässer gefunden werden konnte, in das sie der 30jährige Türke seinem Geständnis zufolge geworfen haben will. Auch einen angeblichen Bekenneranruf des Gefangenen beim NDR, in dem der Mord als Tat von türkisch-kurdischen Revolutionären dargestellt worden sein soll, habe der NDR nicht bestätigen können. Sein Mandant habe über den Mord nicht mehr ausgesagt, als ohnehin in der Zeitung gestanden habe, erklärte der Rechtsanwalt.

In dem Willen, im Gefängnis zu bleiben, sieht Rechtsanwalt Adler das Motiv seines Mandanten für die Selbstbeschuldigung. Der türkische Gefangene, der nunmehr eine Strafe wegen eines Eigentumsdelikts zu zwei Dritteln verbüßt hat, habe nicht entlassen werden wollen und deswegen eine Reihe nicht begangener Straftaten gestanden. Nur das Geständnis im Mordfall Krückeberg habe er schließlich nicht widerrufen. Rechtsanwalt Adler hat inzwischen eine psychiatrische Untersuchung seines Mandanten beantragt. Auch Oberstaatsanwalt Borchers erklärte gestern, eine solche psychiatrische Untersuchung liege bei so schwerwiegenden Fällen „zumindest nahe“. Dennoch scheint die Staatsanwaltschaft entschlossen, den „geständigen“ Gefangenen anzuklagen. Letztlich werde wohl erst ein Gericht die Wahrheit ergründen können, sagte Borchers.

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