: „Kollaboration mit der feindlichen Streitmacht“
■ Ausstellungseröffnung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ endete gestern mit einem Eklat / Angehörige der Widerständler des 20.Juli 1944 polemisieren gegen die Einbeziehung des Nationalkomitees Freies Deutschland und drohen mit rechtlichen Schritten
Vor fünf Jahren hatte der damals Regierende Bürgermeister, Richard von Weizsäcker, den Passauer Politikwissenschaftler Peter Steinbach damit beauftragt, eine geplante Ausstellung zum Thema „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ wissenschaftlich zu betreuen. Gestern wurde sie mit über 5.000 Exponaten eröffnet - zunächst nachdenklich, dann, zum Ende der Veranstaltung hin, mit einem Eklat.
Nachdem Walter Momper die Ausstellung als „nationale Aufgabe“ gewürdigt und mögliche Kontroversen um den deutschen Widerstand „legitim und notwendig“ nannte, trat der Bruder des am Attentat des 20. Juli beteiligten und von den Nazis ermordeten Majors Roland von Hößlin an das Mikrofon. Er verlas eine Protesterklärung. Von Hößlin sowie drei weitere Angehörige von Opfern des Widerstandes am 20.Juli polemisierten gegen die Einbeziehung des „Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD)“ in die Austellung. Das NFKD - eine antifaschistische Organisation, der deutsche Offiziere und Soldaten angehörten - habe „Psychoterror“ ausgeübt und in den Gefangenenlagern der Sowjetunion den verlängerten Arm der Roten Armee dargestellt. Deswegen könne diese Organisation „aus humanitären Gründen nicht in den Widerstand eingeordnet werden“. Die VerfasserInnen der Protesterklärung denunzierten die Mitglieder des NKFD schließlich indirekt als Kollaborateure - die der Organisation angehörenden Antifaschisten hatten sich vom Wehrmachts-Eid auf Hitler losgesagt und kämpften auf der anderen Seite der Front gegen den Nationalsozialismus, indem sie die kämpfende deutsche Truppe zur Desertion aufforderte. Wörtlich sagte von Hößlin: „Der Widerstand mit dem Ziel der Beseitigung eines verbrecherischen Regimes hat in der Notstandsgesetzgebung der BRD seine konsequente Würdigung erfahren. Kollaboration mit der feindlichen Streitmacht dagegen ist auch in der im Verteidigungsfall der BRD in Kraft tretenden Gesetzgebung als Landesverrat definiert und entsprechend geahndet.“ Nach diesem ungeheuerlichen Vergleich verließen viele der geladenen Gäste aus Protest den Saal.
Hößlin drohte den Veranstaltern der Ausstellung sogar mit rechtlichen Schritten, falls die NFKD-Exponate nicht verschwänden. „Sollte die Herausnahme des NFKD aus der Ausstellung nicht erfolgen, so behalten sich die Angehörigen und Nachkommen der unterzeichnenden Familien auf dem Rechtsweg das Verlangen nach Tilgung des Gedächtnisses ihrer Angehörigen in Wort und Bild aus der Ausstellung vor“, hieß es. Damit nicht genug wurde die Evangelische Akademie aufgefordert, „die 'Zeitzeugen‘ (!) aus der DDR unverzüglich auszuladen“ und die Vorführung eines in der UdSSR hergestellten Films zum Thema NFKD abzusetzen“.
Gegenüber der taz zeigte sich der Leiter der Ausstellung, Steinbach, wegen des Vorfalls sichtlich erschüttert. „Es ist deprimierend, daß diese Kontroverse heute ausgebrochen ist. Das Ganze ist ein schlimmer Rückfall in die fünfziger Jahre.“ Auch der aktive Teilnehmer am Attentatsversuch, von Hammerstein, verteidigte die Aufnahme des NFKD in die Sammlung als „historisch vertretbar und legitim“. Momper verteidigte in seiner Rede ausdrücklich die Desertion als aktives Mittel des Widerstandes. Die Mitglieder des NFKD waren nach dem Krieg oft als „Verräter und Lumpen“ beschimpft worden.
ccm
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