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Wie fair ist der „faire Handel“?

■ Von der Alternativstruktur über die Anpassung an die Verhältnisse bis zur lukrativen Geschäftsidee / Eine Stellungnahme zur Krisensitzung bei der „Gepa“

Heute soll in Schweden über die Zukunft des Dritte-Welt -Importeurs Gepa (Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt) entschieden werden. Für die BefürworterInnen der angestrebten Professionalisierung sind neue Vertriebswege, extra Supermärkte oder der Versandhandel, eine Möglichkeit, neue Kundenkreise anzusprechen. Die KritikerInnen befürchten, daß die entwicklungspolitische Bewußtseinsarbeit auf der Strecke bleiben wird (s. taz vom 13.7.).

Zentrale Bedeutung nimmt in diesem Konflikt der Begriff „fairer Handel“ ein, den die Gepa zur Leitlinie ihrer künftigen Geschäftspolitik machen will. Die beiden Autoren sind frühere Gepa-Mitarbeiter, Sozialwissenschaftler und haben Schein und Wirklichkeit des „fairen Handels“ untersucht.

Im Rahmen der Aktion Dritte Welt Handel (A3WH) hatte die Gepa neben politischer Aufklärung die Aufgabe des entwicklungsbezogenen Handels. Dabei sollte sie Selbsthilfegruppen in der Dritten Welt in ihren Bestrebungen um Unabhängigkeit unterstützen, indem sie „selektiv“ mit ihnen handelte, wie die Kriterien zur Förderung solcher Projekte es vorsahen.

Die politischen Ziele blieben auf der Strecke. Es bleibt das Geschäft mit den Projekten in der Dritten Welt, das „fairer Handel“ genannt wird. Europaweit wird er von verschiedenen alternativen Handelsorganisationen, die sich selbst „Alternative Tryde Organizations“ (ATOs) nennen, betrieben und der alternativen Szene als „fairer“ oder „gerechter Handel“ verkauft.

Der faire Handel oder alternative Handel soll die Unmoral im herkömmlichen Handel zum Anlaß nehmen, Partner in der Dritten Welt nach sozialen Gesichtspunkten auszuwählen und diesen „faire“ Bedingungen anbieten. Die geplante Ausweitung dieses Modells soll die Tauschbedingungen für Produzenten in der Peripherie verbessern helfen und so zu gerechteren Handelsbedingungen beitragen.

Der faire Handel muß sich natürlich daran messen lassen, was er dem Partner in der Dritten Welt effektiv mehr bringt und wie er dessen Situation dauerhaft verbessert.

Mehr bringen soll dieser Handel durch höhere Preise. Im Vergleich zu anderen Anbietern sind Dritte Welt-Läden ja recht teure Einkaufsquellen. Diese Läden sind meist gemeinnützig organisiert; Betreiber arbeiten unentgeltlich. Der so entstehende Überschuß soll den Partnern zugute kommen. Jeder kennt die bunten afrikanischen Flechtkörbe Kostenpunkt für den Kunden: etwa 44 Mark. Die Produzentin in Kenia erhält für diesen Korb 4 Mark 30, also etwa zehn Prozent. Die Einnahmen der Handelsorganisation, hier der Gepa, sind um ein Vielfaches höher.

Wie in diesem Beispiel gezeigt, ist der Anteil, den die Produzenten erhalten, nur ein Bruchteil dessen, was sich die ATOs als sogenannten Kostendeckungsbeitrag (Erlös) einstecken. Die Kalkulation für solche Produkte wird zwar offengelegt, irreführend ist aber, daß sie auf dem sogenannnten FOB-Preis basiert, also dem Preis, den die Ware im Exporthafen in Afrika kostet. Dieser gibt keine Auskunft darüber, wieviel davon für die ProduzentInnen übrigbleibt, obwoh gerade dies von Interesse ist.

Bei Kokosbodenbelag aus Indien nimmt die Gepa als Basis den Preis ab Antwerpen an. Das gibt keinen Aufschluß, was nach Abzug von Transport, Versicherung, Zwischenhandel und Verwaltung noch beim einzelnen Produzenten ankommt. Beim Kakao aus Bolivien ist es gar der Einkaufspreis in Basel, der als Basis für die Kalkulation dient. So wird die Schweiz zum Entwicklungsland.

Mögen die ProduzentInnen im fairen Handel vergleichsweise etwas mehr für ihre Arbeit erhalten als im herkömmlichen Handel, so bleibt im Grunde doch alles beim alten: Die Mehreinnahmen der ProduzentInnen sind gering, im Vergleich zum hohen Endverkaufspreis und den Einnahmen der Importeure aber derart gering, daß die typischen Bedingungen herkömmlichen Handelns mit Entwicklungsländern bestehen bleiben.

Der zweite wesentliche Aspekt fairen Handels soll die Kontinuität und damit die Sicherheit für die PartnerInnen sein. Entwicklungen im Verkauf von Juteartikeln, Alpaka -Produkten, Gewürzsoßen und einigem mehr zeigen jedoch, daß die Importorganisationen diesen Markt mit seinen Nachfrageschwankungen nicht kontrollieren. Sie können sich zwar durch geschickte Sortimentspolitik und damit einhergehendem Lieferantenwechsel selbst im Markt behaupten und expandieren, wie es die Gepa jetzt vorhat. Die ProduzentInnen bleiben aber wie gehabt dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage ausgesetzt, wenn nicht gar für sie das Risiko erhöht wird.

In Cochas Grande, einem kleinen Dorf in den peruanischen Anden, haben die SchnitzerInnen der Asociacio Luis Vilca eine bittere Erfahrung hinter sich. Als ihr Geschäft mit geschnitzten Kürbissen, gefördert durch den Dritte-Welt -Handel, immer besser ging, verließen sie ihr Land uand zogen an die Straße. Sie konnten ihre Ware so besser abtransportieren und außerdem noch an Touristen verkaufen. Dann wurde der Dollar teurer, die ATOs konnten die Produkte nicht mehr verkaufen und also auch nicht einkaufen. Die Touristen blieben aus. Die Kürbisschnitzer sind ihrer erneuten Armut überlassen - nun auch noch landlos.

In La Paz bildeten sich zu Zeiten, als Alpaka-Pullover sich hier in der Szene größter Beliebtheit erfreuten, immer neue Kooperativen von StrickerInnen, nicht zuletzt durch die starke Nachfrage der ATOs. Niemand hatte diesen StrickerInnen erzählt, wie schnell hier die Mode wechselt. Heute betteln sie vergeblich um Aufträge und arbeiten zu Löhnen weit unter dem Existenzminimum.

Jutetaschen sind in unserem Straßenbild immer seltener anzutreffen, nachdem sie in den siebziger Jahren als Visitenkarte der entstehenden Alternativ-Szene überall zu sehen waren. In der Tat haben sich die Umsätze dezimiert. Was ist aus den ProduzentInnen in Bangladesch geworden, denen diese Projektarbeit als sichere Einnahmequelle dargestellt wurde?

Die Geschichte solch alternativen Handels ist die Geschichte der Förderung von Exportabhängigkeit, ganz im Gegensatz zu den ursprünglichen Absichten.

Der Begriff Partnerschaft wird ideologisiert und damit Gleichheit und Gegenseitigkeit vorgetäuscht, die nicht vorhanden ist. Im Gegenteil verfestigen sich typische einseitige Abhängigkeiten und vergrößern sich sogar. Kommerzialisierung eines solchen Dritte-Welt-Handels wird nicht Reformen zum Wohl der Partner, sondern Verstärkung externer Abhängigkeiten für diejenigen bedeuten, die bislang dem Weltmarkt noch nicht direkt ausgesetzt waren.

So ist das Vorhaben „Kommerzialisierung“ letztlich nichts anderes als ein Rezept zur marktgerechten Anpassung eines Handelsunternehmens an die herrschenden Gegebenheiten. Weil es keine wirklichen Veränderungen gibt, ist dieser Handel weder fair noch gerecht und deshalb auch kein Modell. Solche Ideen sind eher ein Beitrag zur Verschleierung des Welthandels als Instrument kapitalistischer Durchdringung und neokolonialer Aneignung. Diese Neuauflage subtiler Modernisierungstheorien hilft das zu legitimieren, was ursprünglich Angriffspunkt der A3WH sein sollte. Gelingt es nicht, die geplante Entwicklung zu stoppen, wird der Dritte -Welt-Handel zur lukrativen Geschäftsidee, die in der Versorgung des gehobenen Bürgertums mit attraktiven Produkten, versehen mit einem moralischen „touch“, ihre Marktchancen erkennt. Und dies geschieht dann im Falle der Gepa auch noch auf Initiative kirchlicher Hilfswerke.

Michael Sommerfeld/Rainer Stahl

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