piwik no script img

Todesschuß

■ Zum Kabinettsentwurf eines Gesetzes über den „finalen Rettungsschuß“

Die BRD - ein Land ohne Todesstrafe? Von wegen. Nur ein Land ohne Todesstrafe mit vorangehender Verhandlung. Kein Prozeß, keine Verteidigung. Dafür aber Polizisten als Richter. Oder dafür Polizisten als Schnellrichter. Polizisten haben schon immer geschossen - dazu verführen Waffen nun mal. Bestraft wurden sie nicht mal, wenn sie Jugendliche durch Schüsse in den Rücken umbrachten. Es ließ sich immer ein Widerstand gegen die Staatsgewalt konstruieren, und wenn nicht, war es eben Putativnotwehr. Das heißt, daß der Polizist schießt, weil er meint, er könnte vielleicht angegriffen werden.

Das klappte immer schon, auch ohne Legalisierung. Was wird denn jetzt erst alles klappen, da kein Bürger mehr von Unrecht sprechen kann, da ab jetzt jeder Mord von Staats wegen rechtens und Gesetz sein soll. Schüsse die daneben gehen und Unbeteiligte treffen, kalkuliert man ein. Wie günstig. Da muß die Polizei, die auch sonst gerne den Kopf traf, wenn sie auf die Füße zielte, nicht mal mehr pro forma woanders hinzielen müssen. Dann muß die Waffe nicht mehr beim Aufsetzen auf den Hinterkopf von alleine losgehen. Der schießwütige Polizist muß sich um gar keine Ausrede -Erklärung mehr bemühen. Das Gesetz deckt ihn noch gründlicher als bisher.

Wir sollen darauf vertrauen, daß Polizisten besonnen handeln? Warum denn das? In mir sträubt sich alles, wenn ich Todesschuß höre. Jetzt, da ich weiß, wieviele Polizisten die Republikaner wählen und stützen, erst recht. Also Polizei -Republikaner reichlich mit Waffen versehen. Das beunruhigt mich von Haus aus. Aber jetzt mit dem neuen Gesetz im Rücken - na danke. Wie geschaffen für Demos gegen rechts. Gerade richtig vor der Räumung einer Hafenstraße zum Beispiel. Oder bei Ausweisung sich sträubender Asylanten. Überall da einsetzbar, wo sich jemand gegen Ungerechtigkeiten wehrt.

Wir haben also keine Todesstrafe, aber den finalen Todesschuß. Welch ein tödlicher Schwindel.

Da beklagen wir noch, zu Recht, daß der Widerstand zwischen 1933 und 1945 so schwach war. Daß nicht gebremst wurde, als es noch möglich gewesen wäre. Dann dürfen wir uns jetzt nicht einfach überrollen lassen von Gesetzen, die Mord sind

-zum Schluß gegen jeden, der aufmuckt. Alles dann nur eine Frage der Zeit. Die Atomlobby und andere Unholde werden's danken.

Widerstandskämpfer werden geehrt, wenn sie tot sind. Und wenn sowieso alles ganz lange her gewesen ist, legen Politiker Kränze. Wir sind Widerstandskämpfer, jetzt.

Peggy Parnass

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen