Todesschuß verfassungswidrig?

■ FDP-Sicherheitsexperte Hirsch nennt Entwurf zum gezielten Todesschuß „Symbolgesetzgebung“ / Regelungen zum Datenschutz bei der Polizei wären wichtiger

Berlin (taz) - Der sicherheitspolitische Sprecher der FDP -Bundestagsfraktion, Burkhard Hirsch, hat dem Bonner Innenminister Schäuble vorgeworfen, „Symbolgesetzgebung“ zu betreiben, die nichts anders als „politische Rechthaberei“ sei. In der Debatte um die gesetzliche Absicherung des gezielten Todesschußes hielt Hirsch dem CDU-Politiker weiter entgegen, daß der Gesetzentwurf auch „in der Koalition nicht abgesprochen“ gewesen sei.

Wie berichtet hatte Schäuble Mitte Juli einen Vorstoß zur gesetzlichen Absicherung der „Todesstrafe am Tatort“ unternommen. Der Gesetzentwurf, der nach der Sommerpause im Bundeskabinett eingebracht werden soll, sieht eine Übernahme der entsprechenden Passagen aus dem „Musterentwurf für ein einheitliches Polizeigesetz der Länder“ aus dem Jahr 1977 vor. Gültig wäre er allerdings nur für die Polizeibeamten des Bundes (Bundesgrenzschutz) und nur dann, wenn diese im Vollzug von Bundesaufgaben eingesetzt sind.

Wesentlich dringlicher als eine Neuregelung des polizeilichen Schußwaffenwaffengebrauchs, so der FDP -Sicherheitsexperte in einem Interview mit der 'Augsburger Allgemeinen‘, wäre eine Reform des Polizeirechts hinsichtlich der Datenverarbeitung, wie dies das Bundesverfassungsgericht im sogenannten „Volkszählungsurteil“ schon 1983 verlangt hat. So gebe es weder für die Rasterfahndung, den Einsatz von verdeckten Ermittlern, noch für den Grenzbereich „Nachrichtendienstliche Mittel“ (zum Beispiel Abhören) eine ausreichende Rechtsgrundlage.

Neben vielen anderen Kritikern hat auch die „Arbeitsgemeinschaft der sozialdemokratischen Juristen und Juristinnen“ (ASJ) schwerwiegende Bedenken gegen den Entwurf aus dem Hause Schäubles erhoben. Der ASJ-Vorsitzende Horst stellte eine gesetzliche Absicherung des „finalen Rettungsschusses“ schon aus verfassungsrechtlichen Gründen in Frage. Immerhin sei die Todesstrafe abgeschafft und das Recht auf Leben im Grundgesetz festgeschrieben. Alleine deswegen müsse sich jede absichtliche Tötung eines Menschen durch den Staat verbieten. Und weil nach den Plänen des Bonner Innenministers die Beamten zum vorsätzlichen Todesschuß auch angewiesen werden könnten, verstößt der Gesetzentwurf nach Auffassung der ASJ auch gegen den Grundgesetzartikel vier, der die Freiheit einer Gewissensentscheidung einräumt. Es müsse viel eher darum gehen, so die Arbeitsgemeinschaft, die „moralische Stärke unserer Rechtsordnung gegen die gegenwärtig hochgehenden Stammtischemotionen zu verteidigen“.

Wolfgang Gast