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„Für die Zukunft der Linken bahnbrechend“

Entwurf zum Grundsatzprogramm der SPD hebt Werte für einen „post-kapitalistischen Humanismus“ hervor / Ausstieg aus der „Erwerbsgesellschaft“ angepeilt  ■  Von Andre Gorz

Der SPD kommt gegenwärtig eine besondere Verantwortung zu. Als stärkste Linkspartei des wirtschaftlich stärksten Landes Europas, ist ihr Programm, wie übrigens ihre Politik, für die meisten Linksparteien der anderen Länder ein maßgebender Anhaltspunkt. Viele Probleme, denen sich die SPD stellt, sind Probleme, die die Linken der anderen Länder zu lösen haben oder zu lösen haben werden, wenn sie den wirtschaftlichen Entwicklungsstand der BRD erreichen. Auch in Mittel- und Osteuropa ist die von der SPD vertretene Auffassung dessen, was Sozialismus in hochentwickelten Demokratien sein kann und soll von besonderer Bedeutung für jene gesellschaftlichen und politischen Kräfte, für die Abbau der staatlich-bürokratischen Zwangsherrschaft und Wiedereinführung von Marktpreisen und -verhältnissen nicht zur Marktwirtschaft zu führen hat.

In folgenden drei Beziehungen scheint mir der Programmentwurf für die Zukunft der Linken der Industrieländer bahnbrechend:

1. Ökologischer Umbau der Industriegesellschaft;

2. Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden in fünf Tagen, plus „Sabbat„-Jahr, plus Anspruch auf zusätzliche (entgoltene) Arbeitszeitverkürzung für junge Eltern oder Angehörige von Pflegebedürftigen - also insgesamt nicht mehr als die mir liebe Jahresarbeitszeit von 1.000 Stunden;

3. Die Hervorhebung der sogenannten „weiblichen“ Werte, die in der Lebensführung der Männer wie der Frauen mit den „männlichen“ Leistungswerten mindestens gleichzustellen seien. Also post-kapitalistischer Humanismus. Exit die Erwerbsarbeitsgesellschaft.

Sozialismus beschränkt ökonomische Rationalität

Die sozialistische Bewegung hat es von Anfang an als Hauptziel gehabt, den Spielraum der in Waren-, Markt- und Wettbewerbsbeziehungen zum Ausdruck gelangten ökonomischen Rationalität Grenzen zu ziehen und sie Zielen dienstbar zu machen, die einer anderen, ihr übergeordneten Rationalität gehorchen. Der Kampf um die Ausdehnung bzw. Beschränkung der Bereiche, in denen die ökonomische Rationalität sich entfalten darf, war von Anfang an der zentrale Konflikt der kapitalistischen Gesellschaften. Entstanden sind diese mit der Abschaffung der (religiösen, kulturellen, gesellschaftlichen) Einschränkungen, denen in allen früheren Gesellschaften die Entfaltung der ökonomischen Rationalität unterworfen war. Entwickelt haben sich die kapitalistischen Gesellschaften unter zum Teil notgedrungener, zum Teil in sozialen Konflikten erkämpfter Wiedereinführung neuer und extensiverer Einschränkungen (zum Beispiel Verbot des Menschenhandels, der Kinderarbeit, der Nachtarbeit der Frauen; Beschränkung der Arbeitszeit; Mindestlohn, Krankenversicherung usw.).

Sozialismus ist die Antwort auf die die gesellschaftlichen Bindungen zersetzenden Markt- und Warenbeziehungen, die für den Kapitalismus charakteristisch sind. Gegeben wird diese Antwort in erster Linie von oder im Namen von den Lohnabhängigen. Wo Markt- und Warenbeziehungen (die auch ein emanzipatives Moment beinhalten) sich nicht entwickelt haben, kann „Sozialismus“, mangels einer ihn tragenden sozialen Basis, nur voluntaristische Erziehungs- und Entwicklungsdiktatur sein. Diese verkehrt notgedrungen ihren vermeintlichen „Sozialismus“ in sein Gegenteil: Sie stellt die Gesellschaft in den Dienst der zu entwickelnden Ökonomie.

Im Konfklikt zwischen Kapitalismus und Sozialismus geht es um den Geltungsbereich der ökonomischen Rationalität, nicht um deren Gültigkeit an sich.

Eine Gesellschaft bleibt kapitalistisch solange in ihr die von ökonomischer Rationalität geprägten und der Kapitalverwertung förderlichen Beziehungen überwiegen, das Leben und die Tätigkeit der Individuen sowie politische Entscheidungen, Wertvorstellungen und Bildung entscheidend bestimmen. Eine Gesellschaft wird sozialistisch, wenn den durch die ökonomische Rationalität der Kapitalverwertung geprägten gesellschaftlichen Beziehungen nur noch eine nicht quantifizierbaren Werten und Zielen untergeordnete Rolle zukommt und somit ökonomisch rationale Arbeit sowohl gesamtgesellschaftlich als im Leben der einzelnen nur noch eine Tätigkeit unter mehreren anderen, ebenso wichtigen ist.

Arbeitszeitverkürzung ist

Politik - nicht Maßnahme

Die hier zusammengefaßte Auffassung ist in der jüngsten Fassung des Programmentwurfs verdeutlicht. Er unterwirft die ökonomische Rationalität neuen und zum Teil sehr weitgehenden Einschränkungen. So heißt es im Kapitel über „Wirtschaftsdemokratie“: „Gesellschaftliche Ziele haben Vorrang vor den Zwängen privatwirtschaftlicher Kapitalverwertung.“ (S.65) (Die folgenden Seitenangaben beziehen sich auf den jüngsten Entwurf des Grundsatzprogramms, die Red.) „Der Markt darf nicht die Richtung angeben, in der sich die Gesellschaft entwickelt. Er darf nicht anstelle der Gesellschaft über grundlegende Techniken und Wachstumsfelder entscheiden“ (S.67). „Der Staat setzt Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung“ und soll „gewollte Entwicklungen in Gang setzen“ (S.67). „Die gesellschaftlichen Planungen des Staates und der Kommunen sind Vorgaben und Orientierung für die Entscheidungen der Unternehmen.“ (S.68) Die „politische Rahmensetzung und Koordinierung zwischen Planungen der Unternehmen und des Staates“ soll „das Allgemeininteresse deutlich machen“ (S.68) und unter Mitwirkung von Wirtschafts - und Sozialausschüssen ausgearbeitet werden. Die 30 Jahre lang in Frankreich erprobte Methode mittelfristiger Planung, die im wesentlichen aus in gegenseitiger Aussprache erzielter Koordinierung, Selbstregulierung und Selbstdisziplin bestand - vor zehn Jahren aber wortlos begraben wurde, angeblich wegen der Undurchsichtigkeit der Marktentwicklung - erfährt hier eine willkommene Auferstehung.

Angesichts der zentralen Bedeutung, die die Arbeitszeitverkürzung im Programmentwurf einnimmt, hätte ich allerdings im wirtschaftlichen Kapitel zumindest Andeutungen darüber erwartet, daß Arbeitszeitverkürzung nicht eine einmalige und auch nicht eine gelegentliche Maßnahme ist, sondern Politik, bei der zeitpolitische Rahmensetzung, Koordinierung zwischen den Planungen der Betriebe und des Staates, Mitwirkung der Gewerkschaften auch schon im Stadium der Vorbereitungen unabdingbar sind; und weiter, daß der Einkommensausgleich bei stufenweise fortschreitender Arbeitszeitverkürzung nicht einfach jedem einzelnen Unternehmen und Betrieb zur Last fallen darf (auch nicht in der Form einer „Maschinensteuer“), sondern eine überbetriebliche Finanzierung durch eine Steuer- und Preispolitik verlangt, die allein Verzerrungen des Preissystems und Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit verhüten kann. Die lapidare Behauptung: „Wir werden Modelle zur Finanzierung erarbeiten“ (S.38) klingt beinahe komisch: Warum hat die SPD nicht schon längst damit angefangen?

Was nun Ziele und Richtung der gesellschaftlichen Entwicklung betrifft, zugunsten derer der Spielraum der ökonomischen Rationalität eingeengt werden soll, enthält der Programmentwurf meines Erachtens zwei Schwerpunkte: ökologischer Umbau und Ausdehnung der von ökonomischen Zwängen befreiten Lebens- und Tätigkeitsbereiche.

Ökologischen Umbau

präzise behandelt

Das Kapitel über ökologische Erneuerung zählt die wesentlichen Gebiete des dringenden Umbaus überzeugend auf: „Ökologische Erneuerung unserer Wirtschaft von der Produktidee (Stichwort: „haltbare und leicht reparierbare Produkte“) bis zum Verbrauch und zur Wiedergewinnung verbrauchter Rohstoffe(...) umfaßt alle Formen der Energiegewinnung und Energieumwandlung“, erfordert „die ökologische Erneuerung der chemischen Industrie, des Verkehrswesens und der Landwirtschaft“ (S. 60). Letztere wird endlich auf präzise und eingehende Weise behandelt. Der ökologische Umbau des Industriesystems betrifft insbesondere die gewichtigsten und kapitalintensivsten Industrien: Großchemie, Automobilindustrie, Energiewirtschaft. Die Chemie zum Beispiel wird unter anderem durch den Übergang zu „naturgerechter Landwirtschaft“, einen starken Schwund ihrer Absatzmärkte erleiden müssen. Die Ausgaben der „naturgerechten“ Landwirtschaft für biologische Dünge- und Pflanzenschutzmittel wird - und soll auch - bloß einen Bruchteil der Ausgaben für chemische Mittel ausmachen. Die Förderung des „öffentlichen Personennahverkehrs“, der Vorrang der Bahn im Fernverkehr von Gütern und Personen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und haltbare, leicht reparierbare „ökologisch überzeugende Verkehrsträger“ (S. 61) werden - und sollen - zum graduellen Rückgang der Automobilproduktion führen. Der Ausbau der öffentlichen Verkehrsdienste wird der Industrie für diesen Rückgang auf die Dauer keinen gleichwertigen Ersatz bieten. Industrielles Wachstum kann kein Ziel bleiben. „Wachsen muß, was natürliche Lebensgrundlagen sichert, Lebensqualität erhöht, (...) Selbstbestimmung und kreative Eigenarbeit fördert. Schrumpfen und verschwinden muß, was die natürlichen Lebensgrundlagen gefährdet.“ (S.63) „Technische Innovation soll“ nicht nur „ökologischer Erneuerung und Rationalisierung dienen“, sondern auch „Arbeitsproduktivität steigern, Arbeitszeitverkürzung ermöglichen“ und „von entfremdeter Arbeit befreien“ (S.64). Kurzum: die ökonomischen Leistungs- und Rentabilitätskriterien sind sozial-ökologischen Kriterien untergeordnet.

Nun ist der ökonomische Leistungsimperativ vom ökologischen Sparsamkeitsimperativ grundverschieden. Ökologisch wirtschaften heißt, materielle Bedürfnisse optimal mit einem Mindestmaß an möglichst langlebigen Gütern von hohem Gebrauchswert befriedigen, also auch mit einem Mindestmaß an Arbeit, Kapital und Rohstoffen. Ökonomische Leistungsmaximierung hingegen heißt, für die mit gegrenzten Mitteln größtmögliche Produktion von Waren und warenförmigen Dienstleistungen den größtmöglichen Absatz erzielen, also Bedürfnisse vermehren und danach trachten, daß die Menschen für ihre Befriedigung möglichst viel brauchen und verbrauchen. Allein dies erlaubt, wachsende Mengen von Kapital zu verwerten. Betriebswirtschaftliche Leistungsmaximierung führt folglich auf gesamtwirtschaftlicher Ebene spontan zu steigender Verschwendung. Was aus ökologischer Sicht als Verschwendung oder Zerstörung erscheint, erscheint aus ökonomischer Sicht als Quelle wirtschaftlichen Wachstums: Warenumsatz und Zirkulationsgeschwindigkeit des Kapitals steigen durch die Beschleunigung von Verschleiß, Obsoleszenz, Erneuerung. Was aus ökologischer Sicht als Einsparung erscheint (Langlebigkeit von Gütern, Verhütung von Krankheiten, von Unfällen, von Reparaturanfälligkeit) senkt das Bruttosozialprodukt, die an Umsatz und Profit meßbare ökonomische Leistung und erscheint gesamtwirtschaftlich als Quelle von Verlust.

Widerstreit von Ökonomie

und Ökologie klar benennen

Diesen Widerstreit zwischen ökonomischer und ökologischer Vernunft ist im Kapitel „Wirtschaftsdemokratie“ des Programmentwurfs anerkannt („ökologisch und sozial verantwortbares Wirtschaften läßt sich nur erreichen, wo der Vorrang demokratischer Entscheidungen vor Gewinninteressen und Wirtschaftsmacht durchgesetzt wird“ (S.67)) wird im Kapitel „ökologische Erneuerung“ jedoch verleugnet: „Auf die Dauer ist nichts ökonomisch vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist(...) Das ökologisch Notwendige muß Prinzip ökonomischen Handelns werden. Wenn wir rechtzeitig mit ökologischer Erneuerung beginnen, nutzen wir unsere Chancen auf den Märkten der Zukunft und stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft.“ (S.60)

Allein letztere Behauptung enthält einen Teil Wahrheit. Wer als erster zum Beispiel wirtschaftliche Solarzellen, Wasserstoffspeicherung und -motoren, biologische Pflanzenschutzmittel entwickelt, kann unter Umständen hoffen, neue Märkte zu erschließen und auf ihnen große Kapitalmassen zu verwerten. Doch ist es illusorisch zu glauben und widersprüchlich, darauf zu setzen, daß die ökologische Rationalisierung gesamtwirtschaftlich den Ab - und Umbau der herkömmlichen Industrien dadurch kompensieren wird, daß sie einen mächtigen „Umweltsektor“ entwickelt, der ebensoviel Arbeitskraft und Kapital zu ebenso hohen Profitraten verwertet. Während einer Übergangsperiode mag dies für zahlreiche Unternehmen zutreffen, gesamtwirtschaftlich und langfristig kann es jedoch nicht das Ziel sein. Was der Industrie, der Wirtschaft insgesamt in Aussicht gestellt werden kann, ist nicht, daß es ihr dank ökologischer Erneuerung langfristig viel besser gehen wird, sondern allein, daß es ihr ohne ökologische Erneuerung bald viel schlechter gehen muß. Zweck ökologischer Erneuerung ist es nicht, die Wirtschaft wieder anzukurbeln, sondern den auf sie zukommenden und vom Raubbau an der Natur verursachten Zusammenbruch zu verhüten. Es geht hier um eine unvermeidliche Politik, die nicht als aus wirtschaftlichen Gründen gewählt dargestellt werden darf. Daß sie den ökonomischen Interessen widerspricht, muß anerkannt werden mit Verweis auf die zwingende und dringende Tatsache, daß es einfach so nicht weitergehen kann und Untätigkeit schließlich auch wirtschaftlich verhängnisvoll sein würde. Der Sinn ökologischer Rationalisierung kann zusammengefaßt werden unter dem Stichwort „weniger, aber besser“. Ihr Ziel ist eine Gesellschaft, in der es sich mit weniger Konsum und Erwerbsarbeit besser leben läßt, denn man wird anders leben, arbeiten und konsumieren können als bisher. Ökologische Erneuerung erfordert letzten Endes, daß nicht mehr zum Zweck des Wachstums der Ökonomie investiert wird, sondern zum Zweck ihres Schrumpfens. Das heißt zum Zweck der Einschränkung des Geltungsbereichs ökonomischer Rationalität im modernen Sinn. Es kann keine ökologische Erneuerung ohne Begrenzung der Dynamik kapitalistischer Akkumulation geben und ohne Einschränkung und Selbstbeschränkung des Konsums. Die Erfordernisse der ökologischen Erneuerung decken sich somit sowohl mit den Erfordernissen eines neuen Nord-Süd-Verhältnisses als auch mit der dem Sozialismus ureigenen Bestrebung. Der damit vorausgesetzte kulturelle Umbruch steht ganz in Einklang mit dem Kapitel IV des Programmentwurfs.

Kultureller Umbruch: Arbeit

als Selbstzweck

Das Wort „Kulturgesellschaft“ ist aus dem Programmentwurf verschwunden, aber die Idee ist noch da. „Je weniger für Grundbedarf ausgegeben (und gearbeitet) werden muß, umso mehr öffnen sich Spielräume für Bildung, Kultur, soziale Zuwendung und sinnvolle Freizeit. Deshalb werden wir Wachstum in diesen Bereichen fördern.“ (S.63) Natürlich kann es sich dabei (das geht auch aus Abschnitt 2 des Kapitel IV ziemlich klar hervor) um kein Wirtschaftswachstum handeln, wie dies die Befürworter der Kultur-, Pflege-, Bildungs- und Freizeitindustrien glauben, die sich von diesen Bereichen Kapitalverwertung und möglichst viel Arbeitsplätze erhoffen. Zwischen kulturellen und ökonomischen Tätigkeiten ist der Unterschied grundlegend. Die ökonomische Rationalität ist eine typisch instrumentelle Zweckrationalität: Die eingesetzten Mittel unterscheiden sich von den zu erreichenden Zwecken, und letztere sind selbst Mittel für Kapitalverwertung und Gewinn. Dieses charakteristische Mittel-Zweck-Kalkül ist jedoch überall dort unanwendbar, wo das Ziel menschlichen Handelns durch dieses Handeln selbst verwirklicht (und nicht vermittelt) wird, z.B. in allen pflegenden Tätigkeiten, in denen die Zuwendung zu den gepflegten Personen, Künsten, Fähigkeiten, Lebewesen oder Gegenständen keinem anderen Zweck als eben dieser Pflege dient. Aus eben diesem Grunde ist es trügerisch, alle Tätigkeiten als „Arbeit“ zu bezeichnen und dann abschließend zu behaupten, „unserer Gesellschaft geht die Arbeit nicht aus“ (S.35). Was ihr ausgeht, ist die ökonomisch rationale Arbeit, deren Vergesellschaftung und Vergeltlichung zielgerecht vorangetrieben werden könne, und was bleibt, sind Aufgaben, die nicht ökonomisch rationaliserbar sind und deshalb von der Arbeitsgesellschaft nie wahrgenommen wurden.

„Weibliche Werte“ legen Weg

in Sozialismus frei

Besonders freuen mich die Seiten 25 bis 26 und 40 bis 42, die eigentlich zusammengehören. Soviel ich weiß, ist da zum ersten Mal in der Geschichte die Wichtigkeit von sogenannten „weiblichen Werten“ wie „Gefühl und Phantasie“, „Liebe und Geselligkeit, Traum und Besinnung“ (S.41) in einem politischen Parteiprogramm hervorgehoben. „Auch bei Männern wächst die Einsicht, daß die angeblich männliche Unterordnung von Gefühl und Phantasie unter Rationalität (hier schiene mir „Zweckrationalität“ richtiger) und Durchsetzungskraft sie ärmer oder gar krank macht... Wer die menschliche Gesellschaft will, muß die männliche überwinden.“ (S.25) Das ist Herbert Marcuse 1969. „Die Zukunft verlangt von uns allen, Frauen wie Männern, vieles, was lange als weiblich galt(...) Erziehung soll junge Menschen darauf vorbereiten. Sie muß helfen, die Spaltung in eine männliche und weibliche Welt zu überwinden.“ (S.26) „Gefühl wie Vernunft bedürfen der Bildung.“ (S.42). „Es muß für alle möglich werden, sich für Nachbarschaft oder Umwelt, für gewerkschaftliche oder politische Aufgaben zu engagieren (...), nach eigener Wahl kreativ zu sein, sich Musik, Literatur oder bildender Kunst zu widmen, Sport zu treiben, sich im Garten oder Werkstatt zu betätigen. Kommunalpolitik und Bildungswesen müssen die Voraussetungen dafür verbessern(...) Verkürzung der Arbeitszeit wird den Raum auch dafür erweitern.“ (S.41) „Wir erstreben als Regel den sechsstündigen Arbeitstag in der Fünftagewoche, damit Frauen und Männer Erwerbsarbeit, Haus- und Familienarbeit, ehrenamtliche Tätigkeit und kulturelle Teilhabe besser miteinander verbinden können.“ Darüber hinaus sind vergütete „Ausfallzeiten für Elternurlaub und Krankenpflege“ vorgesehen (S.25). Damit wäre die von ökonomischen Leistungswerten geprägte Arbeitsgesellschaft überwunden, der Weg in den Sozialismus freigelegt.

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