: Nicaragua-Soligruppen ausgeforscht
Das rechtsgerichtete „Nicaraguanische Menschenrechtskomitee“ CPDH sammelt Daten über bundesdeutsche Städtepartnerschaften Fragebogenaktion an Stadverwaltungen: Wer reiste und wer bekam Geld? / Komitee wird von Konrad-Adenauer-Stiftung getragen ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - Das rechtsgerichtete „Nicaraguanische Komitee für Menschenrechte“ CPDH, das seit Jahren mit seinen zweifelhaften Berichten über Menschenrechtsverletzungen in Nicaragua hausieren geht, versucht derzeit bundesdeutsche Solidaritätsgruppen auszuforschen. In einem Brief an die Stadtverwaltungen all der Städte, die eine offizielle Partnerschaft zu einer Gemeinde in Nicaragua unterhalten oder planen, verlangt das in Brüssel ansässige Komitee detaillierte Auskünfte über Aktivitäten und Personen der Städtepartnerschaftsgruppen.
Mit offiziellem Briefkopf und der Unterschrift ihres Präsidenten Jose Esteban Gonzalez schreibt die CPDH, man wolle sich auf diese Weise „Basisinformationen“ verschaffen und dazu beitragen, daß die Städtepartnerschaft in Nicaragua „die positiven Wirkungen erzeugt, die von ihr zum Wohle der Gesamtheit der Einwohnerschaft der genannten Stadt erwartet werden“. Mit „herzlichem Dank für die freundliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit“ schickt das selbsternannte Menschenrechtskomitee Nicaraguas gleich einen dreiseitigen Fragebogen zur freundlichen Beantwortung.
Gefragt wird darin u.a. nach Namen und Daten der Personen, die bisher von deutscher Seite aus als offizielle Delegierte zu einem Besuch in die nicaraguanische Partnerstadt gereist sind. Eine Frage weiter sollen die Namen der Gegenbesucher aus Nicaragua genannt werden sowie die Ansprechpartner in den Partnergemeinden. Genau wissen will die CPDH auch, wieviel Geld in welcher Währung und welcher Zahlungsweise inzwischen an die nicaraguanischen Partnerstädte gezahlt wurde und wem diese Gelder übergeben wurden. Die Stadtverwaltungen sollen außerdem detailliert aufschlüsseln, welche sozialen Projekte bisher in der Partnerstadt mit bundesdeutscher Hilfe auf die Beine gebracht wurden.
Nach Recherchen des „Informationsbüro Nicaragua“ in
Wuppertal ist das Auskunftsersuchen des
„Menschenrechtskomitees“ an rund 30 Stadtverwaltungen in der Bundesrepublik gegangen, aber auch an Partnerschaftsstädte in Großbritannien und den Niederlanden. Deren Anschriften
hat die CPDH ausgerechnet aus einer Dokumentation, die
anläßlich einer Europäischen Konferenz über
Städtepartnerschaften mit Nicaragua im Mai '88 in Amsterdam erstellt wurde. Ob und wieviele Stadtverwaltungen der CPDH inzwischen Fortsetzung auf Seite 2
FORTSETZUNGEN VON SEITE 1
ohne Wissen der beteiligten Solidaritätsgruppen genaue Informatio-nen zurückgeschickt haben, versuchen die betroffenen Gruppen jetzt herauszubekommen.
Bekannt geworden ist dieser Ausforschungsversuch eher zufällig, als im Kreuzberger Rathaus pflichtbewußte Berliner Beamte schon drauf und dran waren, den Fragebogen auszufüllen. Da das Schreiben der CPDH im Briefkopf die Anschrift Brüssel trug, hatte man sofort auf „EG“ geschaltet und an etwas ganz Offizielles gedacht.
Dabei ist das „Menschenrechtskomitee“ CPDH, das da Auskunft über die Arbeit bundesdeutscher Solidaritätsgruppen verlangte, zwar nicht unbekannt, aber alles andere als offiziell und seriös. Die 1977 gegründete Organisation setzt seit dem Machtwechsel all ihre Aktivitäten
darauf, die sandinistische Regierung zu stürzen. Ihr Präsident Jose Esteban Gonzalez war früher Vizepräsident der christdemokratischen PSC in Nicaragua und einer der wenigen bürgerlichen Politiker, der sich schon vor dem Sturz des Diktators Somoza gegen jegliche Regierungsbeteiligung der Sandinisten gewandt hatte. Seit 1981 steht Gonzalez unter dem dringenden Verdacht, an der Vorbereitung eines Anschlags auf Nicaraguas einzige Ölraffinerie beteiligt gewesen zu sein. Mit Hilfe der venezolanischen Botschaft floh Gonzalez damals aus Nicaragua und lebt seitdem im Exil. Die regelmäßigen Berichte seines Menschenrechtskomitees dienen seitdem vor allem in den USA und der Bundesrepublik den Konservativen als Beweise gegen das „Unrechtsregime in Nicaragua“. Die CPDH selbst macht keinen Hehl daraus, daß sie fast ausschließlich von konservativen Parteien aus dem Ausland finanziert wird. 100 Pro
zent der ausländischen Hilfe für seine Organisation, so berichtete letzte Woche der nicaraguanische Direktor der CPDH, Hernandez, stamme von der CDU-nahen Konrad-Adenauer -Stiftung. Bei anderen Menschenrechtsvereinigungen wie amnesty international und der USamerikanischen Organisation „America's Watch“ gilt die CPDH als äußerst unseriös. Schon mehrfach wurden dem Komitee falsche oder zumindest stark manipulierte Berichte über politische Gefangene und die Zustände in Nicaraguas Gefängnissen nachgewiesen. Erst letzte Woche hatte 'dpa‘ herausgefunden, daß 19 Gefangene, die nach Berichten der CPDH von nicaraguanischen Sicherheitskräften verschleppt worden und seitdem verschwunden seien, zum Zeitpunkt ihres angeblichen „Verschwindens“ in anderen Gefängnissen saßen oder als begnadigt entlassen worden waren. Einige der „Verschleppten“, um deren Leben die
CPDH weltweit in Sorge verfiel, erfuhren gar erst am heimischen Küchentisch bei der Lektüre der Oppositionszeitung 'La Prensa‘ von ihrer „Mißhandlung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen