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Der ungläubige Regisseur

■ James Belushi und Whoopi Goldberg als „Homer und Eddie“

Die Landschaften sind weit und leer. Darüber ein flacher, schwerer Himmel. Der Horizont immer weit weg. Wie ein unsichtbarer Film liegt die flimmernde Luft vor dem Panorama und macht die Amerika-Bilder des Exilrussen Konchalovsky seltsam unwirklich. Trotzdem, man kennt das, von „Go West“ und der Lewis-Reklame. „Home is where I long to be“ heißt der Soundtrack - „Homer und Eddie“: ein Roadmovie.

Natürlich ist das Auto eine Schrottkarre, und seine beiden Insassen sind schräge Vögel. Homer hat als Kind einen Baseball ans Ohr gekriegt, seitdem ist er nicht mehr ganz richtig im Kopf. Homer ist James Belushi. Belushi mit Babyface, kindischen Gesten und unsicherem Schritt. Ein Belushi, der stolpert und nestelt, hopst oder tänzelt, einer der prahlt und im nächsten Moment einen Schmollmund zieht. Er glaubt seine eigenen Lügengeschichten, und er glaubt an Gott. Sein Argument: Polen kann man auch nicht sehen, und es existiert trotzdem.

Eddie war in der geschlossenen Anstalt. Sie ist ausgebrochen, manchmal kriegt sie Tobsuchtsanfälle, manchmal knallt sie jemanden ab. Einfach so. Sie hat einen Tumor im Gehirn, der Arzt gibt ihr noch einen Monat. Eddie ist Whoopi Goldberg. Mit Rasta-Locken, die ihr Gesicht zuhängen, drei Pullovern, Parka, Kapuze und zerlumpten Handschuhen. Burschikos, aggressiv, nichts an ihr ist weiblich. Wenn sie einen ihrer Anfälle kriegt - zum Beispiel weil sie sich die Zähne putzen soll - sieht man ein bißchen was von ihrem Gesicht, ihre Lippen fangen an zu zittern, ganz harmlos fängt es an - ein Vulkan vor der Explosion. Aber Konchalovsky ist das offenbar nicht genug. Er blendet schräge Synthi-Klänge ein, macht hektische Filmschnitte, Überblendungen, schießt mit allen Kanonen. Als habe er nicht begriffen, wen die Kamera da im Visier hat.

Keine Liebe, eine Freundschaft: der hilflose Belushi, die kraftstrotzende Goldberg - ein ungleiches Paar. So sieht es zunächst aus. Der Film erzählt, wie sich ihr Verhältnis umkehrt. Von Homers Überlebenskunst und Eddies Ängstlichkeit. Belushi und Goldberg könnten das spielen. Aber Konchalovsky verhindert, was er zeigen will. Indem er übertreibt. Jede Geste zerrt er in die Großaufnahme, fast immer ist die Kamera zu nah an den Gesichtern, oder sie zeigt die Landschaft in der Totale. Ein immergleicher, allzu schnell ausgereizter Kontrast. Monotonie, falls es Konchalovsky darum ging, kommt nicht so bombastisch daher.

Eddie wird im Lauf ihrer Reise nach Oregon von Homer zum Glauben bekehrt. Konchalovsky glaubt den beiden nichts. Das tragische Ende ist purer Kitsch.

Chp

Andrej Konchalovsky: Homer und Eddie, mit James Belushi und Whoopi Goldberg, USA 1989, 100 Min.

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