piwik no script img

Müllhalde Afrika

■ Wie europäischer Abfall in Afrika verschwindet

Baffour Ankomah

Der Ort: Cotonou in Benin. Das Datum: 12.Januar 1988. Das Ereignis: die Unterzeichnung eines Vertrages über 4 Milliarden CFA1 pro Jahr, für deren Zahlung der britischen Firma Sesco, ansässig in Gibraltar, das exklusive Recht eingeräumt wurde, in einem Gesamtzeitraum von zehn Jahren 50 Millionen Tonnen Chemiemüll in Benin zu deponieren.

Die Akteure: Mohammed Souradjou Ibrahim, Minister für Planung und Statistik in Benin; Barnabe Bidouzo, der Finanzminister, und Mrs.Lamia Catche, Exekutiv-Direktorin von Hamilton, einer Chemikalien-Handelsgesellschaft mit Sitz auf den britischen Virgin Islands, kontrolliert von London aus (115 Eaton Square, Belgravia). Vorspiel in Benin

Hamilton ist im Telefonbuch von London verzeichnet als „regionaler Ventilierposten für den Rohölmarkt“. Registriert ist das Unternehmen in Gibraltar, und zwar unter der gleichen Anschrift wie Sesco. Recherchen des britischen Fernsehens (Channel 4) haben bewiesen, daß Sesco und Hamilton in Wirklichkeit miteinander identisch sind; das Ganze ist im Besitz eines Multimillionärs, der zum Verwischen der Spuren viele verschiedene Adressen in mehreren Ländern benutzt. Hamilton hat jeglichen Handel mit Giftmüll dementiert, jedoch ist wohlbekannt, daß die reiselustige Repräsentantin des Unternehmens, Lamia Catche, im Januar 1988 Benins Präsidenten Mathieu Kerekou traf, um den Sesco-Vertrag auszuhandeln (Channel 4 ist im Besitz einer Fotografie, die Kerekou zeigt, wie er sie in seinem Büro in Cotonou begrüßt. Das Foto wurde in der am 22.Februar 1989 gesendeten Dokumentation The Toxic Trail gezeigt.).

Der Vertrag räumte Sesco das ausschließliche Recht ein, Müll nach Benin einzuführen. Der Müll wurde vom Unternehmen beschrieben als „gewöhnliche, organische Abfälle, gewöhnliche Industrieabfälle, einfache Kunststoffe, industrieller und mineralischer Müll“. Weiterhin sichert Sesco zu, „daß das eingeführte Material keinerlei Gefahr für Mensch, Tier oder Umwelt im allgemeinen darstellt“. Allerdings räumt der Vertrag Sesco auch das alleinige Recht ein, Experten zur Harmlosigkeitsbescheinigung des Mülls heranzuziehen. Innerhalb von drei Jahren soll von Sesco eine Anlage erstellt werden, die - kostenlos - den Müll bearbeitet, wiederaufbereitet und schließlich entsorgt. Die Channel-4-Dokumentation jedoch beweist eindeutig, daß Sesco nichts anderes vorhatte, als den Müll in der Nähe eines im Süden des Landes gelegenen Dorfes zu deponieren.

Für das Ganze sollte Sesco an den Staat Benin 2 Dollar und 50 Cent pro transportierter Tonne Müll zahlen, zuzüglich weiterer 50 Cent pro Tonne als Beitrag zur Entwicklung von Landwirtschaft und Tourismus des Landes. Handel perfekt, Lächeln auf allen Gesichtern.

Von den Ministerien für Transport und Justiz wurde eine Erklärung abgegeben, die den „außerordentlichen Gewinn“ lobte, der durch den Sesco-Vertrag zustandegebracht sei. Offiziellen Schätzungen zufolge bedeutet er 200 neu geschaffene Arbeitsplätze, und die leere Staatskasse Benins würde mit 4 Millarden CFA jährlich aufgefüllt. Aber wäre der „Gewinn“ die Umwelt- und Gesundheitsschäden wert, die durch das Projekt angerichtet würden? Recherchen haben ergeben, daß der Löwenanteil des importierten Mülls hochgiftig sei und größte Gefahr für menschliche Gesundheit und Umwelt mit sich bringen würde. In der Euphorie des Vertragabschließens hatten die Beamten von Benin einen Haken übersehen, nämlich Klausel 14, die besagte, daß der Vertrag absolut geheimzuhalten sei und seine Bedingungen nur bei Androhung eines Gerichtsverfahrens öffentlich zu machen seien.

Diese Klausel war nun gewiß schwerwiegend genug, um von einer verantwortlichen Regierung nicht übersehen zu werden. Aber den Behörden Benins war genau das passiert, und als die Angelegenheit ruchbar wurde, fanden sie sich im Kreuzfeuer der Kritik aus ganz Afrika und darüber hinaus.

Unter großem Druck aus dem Ausland und durch Umweltschützer, die sich um den beherzten Journalisten Rene Ewagnignon (der in einem Ein-Mann-Kreuzzug gegen die Vereinbarung zu Felde gezogen war) gesammelt hatten, sah sich die Kerekou-Regierung genötigt, den Vertrag „auf Eis zu legen“ - vermutlich in der Hoffnung, ihn wieder auftauen zu können, sobald sich im In- und Ausland der Sturm gelegt haben würde.

Benins Gesundheitsminister Andre Atchade, der in einer geheimen Note am 11.März 1988 gegen das Projekt protestiert hatte, wurde aus dem Kabinett rausgeworfen und unter Hausarrest gestellt.

Diese öffentliche Niederlage von Mathieu Kerekou öffnete jedoch eine höchst peinliche Pandora-Büchse - und heraus strömten unzählige Geheimabkommen über Giftmülldeponien in ganz Afrika.

Was in Benin geschehen war, zeigte nur die Spitze eines Eisberges. Guinea, Senegal, Guinea Bissao, Equitorial Guinea, Gabun, Kongo, Djibouti, Marokko, Nigeria, Südafrika

-kein Land hat in bezug auf Giftmüll noch eine wirklich reine Weste. Guinea Bissao

Guinea Bissao zum Beispiel unterschrieb heimlich ein Abkommen mit der in Fribourg ansässigen Schweizer Firma Intercontrat SA, in dem es der Deponierung von Giftmüll in Binta zustimmte, einer recht dicht besiedelten Region (berühmt-berüchtigt für seine Sümpfe) nahe der Grenze zum Senegal.

Das Unternehmen Intercontrat wird geführt von dem Italiener Gianfranco Ambrosini, der zwar behauptet, sein Hauptgeschäft seien vor allem Versicherungen, dessen Beteiligung an der Verschiffung von Giftmüll nach Djibouti (1986) jedoch bekannt ist. Dieser Deal wurde besonders berühmt dadurch, daß mehrere Häfen der „Zanobia“, die das Zeug transportierte, die Anladung verweigerten und sie schließlich leckgeschlagen nach Italien zurückkehren mußte.

Die Verhandlungen für das Abkommen zwischen Guinea Bissao und Intercontrat begannen am 4.Oktober 1987. Vertreter der staatlichen Seite war Filinto Barros, der Minister für natürliche Ressourcen und Industrie; es ging um insgesamt 500.000 Tonnen Müll, die jährliche Erneuerung des Vertrags war vorgesehen.

Im Gegenzug versprach Intercontrat, eine Anlage zur Wiederaufbereitung von Müll zu bauen und der Hauptstadt Bissao drei Spezialfahrzeuge zur Müllabfuhr zu stiften.

Die Tinte auf dem Intercontrat-Abkommen war kaum trocken, da flatterten dem Minister schon weitere „lukrative“ Angebote auf den Tisch. Eines kam vonBis -Import Export, einer „in London ansässigen Firma“, ein anderes vonHobday von der Isle of Man.

Bis-Import Export, weit davon entfernt, in London ansässig zu sein, agierte in Wahrheit für Lindaco, ein Unternehmen aus Detroit, USA, das verzweifelt nach einer Müllhalde für Millionen Tonnen „pharmazeutischer Abfälle“ suchte.

Die Bedingungen waren attraktiv. In diesem neuen Vertrag ging es um drei Millionen Tonnen Müll, die pro Jahr für einen Zeitraum von fünf Jahren von Guinea Bissao zur Deponie abgenommen werden sollten. Jede Tonne brachte dabei dem Land 40 Dollar ein - in fünf Jahren also ein Betrag von 600 Millionen Dollar, dreimal soviel, wie das Bruttosozialprodukt dieses Landes beträgt. Und das Geld wäre doppelt soviel wie benötigt, um die Auslandsschulden der Nation zu begleichen.

Angesichts solcher Versuchung gab die Regierung ihre Zustimmung, und Filinto Barros setzte am 9.Februar 1988 seine Unterschrift unter das Abkommen. Der Abladeplatz für den Müll war, wie immer, Binta. Und die Herren von Lindaco zu Hause in Detroit müssen sich auf dem Weg zu ihrer Bank ins Fäustchen gelacht haben, denn in Europa hätten sie pro Tonne Müll Beträge zwischen 160 und 1.000 Dollar zahlen müssen, je nach Zusammensetzung des Abfalls, für hochgiftigen Müll sogar 2.000 3.000 Dollar pro Tonne.

Diese Geschichte jedoch hat (bisher jedenfalls noch) ein Happy-End. Bis-Import und Lindaco wurden plötzlich aus ihren Träumen gerissen, als nämlich die größte portugiesische Nachrichtenagentur den Deal öffentlich machte und eine bloßgestellte Regierung zum Rücktritt vom Vertrag zwang. Kongo

Dem Skandal von Guinea Bissao folgte ein anderer auf dem Fuße, diesmal im Kongo. Erst kürzlich wurde bekannt, daß Kongo ein dem Guinea-Bissao-Vertrag sehr ähnliches Abkommen schloß, und zwar mit Bauwerk AG, einer Firma aus Vaduz in Liechtenstein.

Ein weiterer Vertrag existiert mit dem niederländischen Unternehmen Van Santen aus Rotterdam, das als Müllverschiebungsagentur für mehrere Firmen in Europa und den USA fungiert; Van Santen gab Mitte 1988 die Existenz eines Müll-Deponierungsabkommens mit Kongo bekannt. (Gleichzeitig hielt man Gespräche mit Niger - zum gleichen Zweck. Niger dementierte umgehend, daß es um Verhandlungen gehe.)

Das Bauwerk-Abkommen mit Kongo wurde abgeschlossen durch die Handelsfirma für Abfälle Luciano Spada. Dabei ging es um insgesamt zwei Millionen Tonnen Müll - jeweils eine Million aus Europa und den USA -, der Preis pro Tonne beträgt 37 Dollar.

Ausgedacht hatten sich diesen Deal Dieudonne Ganga, Berater des Premierministers, Gamissamy Issanga, Sekretär für Umweltfragen, und Abel Tschicou, Sekretär für den Außenhandel; die andere Seite war repräsentiert durch Jean Passi und Vincent Gomes.

Um die Spuren zu verwischen, gründeten Passi und Gomes eine fiktive Dachgesellschaft, die „Congolese Industrial Waste Recovery Company“ (CRDI), und zwar unter Mithilfe eines Bauwerk-Repräsentanten, Pessini Renato. Die erste Müll -Lieferung sollte am 11.Juni 1988 im Kongo eintreffen. Glücklicherweise reagierten belgische Umweltschützer schnell und brachten die Vertragsbedingungen in die Öffentlichkeit; sie zwangen die kongolesische Regierung zu lautstarken Unschuldsbeteuerungen, und die Unterhändler der Regierung, Ganga, Issanga und Tschicou, wurden verhaftet und ins Gefängnis gebracht.

Bis heute ist der zur Untersuchung der Affäre eingesetzte Regierungsausschuß nicht in der Lage gewesen festzustellen, wer eigentlich genau Nutznießer der 74 Millionen Dollar Deponiegebühr gewesen wäre. Allerdings bestehen wohl kaum Zweifel, daß es die Regierung selbst gewesen wäre, wenn man sich nicht unter ausländischem Druck zur Annullierung des Vertrages gezwungen gesehen hätte. Äquatorial-Guinea

Im Dezember 1988 kam in Äquatorial-Guinea ein weiterer Giftmüllskandal ans Licht. Sieben äquatorial-guinesische Ärzte, die im West-berliner Exil leben, hatten an die Zeitschrift 'New African‘ (London) geschrieben und behauptet, Präsident Teodoro Obiang Nguema habe mit einer britischen Firma aus Buckinghamshire vereinbart, zehn Millionen Fässer Giftmüll auf der winzigen küstennahen Insel Annobon zu deponieren. Die Sorge dieser Ärzte muß auch im Zusammenhang anderer Berichte gesehen werden, die - Mitte 1988 in den Zeitschriften 'African Analysis‘ (London) und 'Telex Confidentiel‘ (Paris) veröffentlicht - darauf hinweisen, daß Äquatorial-Guinea bereits vorher einen Vertrag mit einer Firma aus Birmingham unterzeichnet hat; darin verpflichtet sich das Land, zehn Millionen Tonnen Müll im Verlauf von zehn Jahren auf der Insel Pagalu, 470 Kilometer östlich der Hauptstadt Libreville, zu deponieren.

Bis heute hat Äquatorial-Guinea die Existenz dieser Handelsabkommen weder dementiert noch bestätigt. Wenn man bedenkt, welche Geschwindigkeit andere afrikanische Regierungen (die in der Tat solche Verträge geschlossen hatten) mit ihren Dementis an den Tag legten, so muß man wohl davon ausgehen, daß hinter diesem Schweigen beunruhigende Tatsachen stecken. Swapo

Eine weitere mysteriöse Geschichte: Im Februar dieses Jahres dementierte die Swapo (deren Regierungsantritt in Namibia nach der Unabhängigkeit von vielen erwartet wird) Berichte der in Paris ansässigen Zeitschrift 'Jeune Afrique‘, nach denen die Organisation einen Vertrag mit einem Schweizer Agenten über Giftmülldeponie nach Erhalt der Souveränität Namibias unterzeichnet habe.

'Jeune Afrique‘ behauptete, der Swapo-Chef Dam Nujoma habe den Vertrag mit einem gewissen Arnold Andreas Kunzler, einem Schweizer Agenten, geschlossen. In ihrem Dementi führt die Swapo aus, daß dieser Bericht (erschienen am 4.Januar in Paris) „Teil einer südafrikanischen Schmutzkampagne gegen die Organisation“ sei. Im Gegenteil, fährt die Swapo fort, habe man Versuche Südafrikas vereitelt, der Deponie von Atommüll aus der Bundesrepublik Deutschland in der namibischen Wüste (1987) - ein Vier-Milliarden-Dollar -Geschäft - zuzustimmen. Ein Sprecher sagte: „Die Swapo wird sich weder jetzt noch in Zukunft mit Angeboten, Ideen oder Plänen beschäftigen, die zum Nachteil des namibischen Volkes und der namibischen Nation wären, wie attraktiv - finanziell oder anderweitig - sie auch erscheinen mögen.“

Glaubwürdigkeit erhielt dieses Dementi durch die Zeitschrift 'African Business‘ (ein Schwestermagazin der 'New African‘), die einen detaillierten Bericht über den sogenannten Deal in ihrer Märznummer dieses Jahres publizierte; der Artikel wies nach, daß der Handel zwar angeboten, von der Swapo jedoch unmißverständnlich zurückgewiesen worden war. Die Geschichte stammt von dem Nigeria-Korrespondenten der Zeitschrift, dem Swapo -Unterlagen von einem Diplomaten in Lagos zugespielt wurden. Der Bericht nennt Arnold Kunzler als den Mann, der hinter diesem Geschäft steckt. Kunzler sei, so 'African Business‘, lediglich Strohmann für „eine Gruppe internationaler Investoren und Endverbraucher auf der Suche nach Endlager -Kapazitäten für Müll“. Der juristische Repräsentant (dessen Name nicht genannt wird) des Herrn Kunzler soll dem Swapo -Chef Sam Nujoma ein Angebot von zwei Milliarden Dollar gemacht haben.

Aus den der Zeitschrift zugespielten Unterlagen geht hervor, daß Kunzler von der Swapo im Fall ihrer Regierungsübernahme nach Namibias Unabhängigkeit die Erteilung von Lagerungslizenzen an ein von ihm in Namibia zu gründendes Unternehmen forderte, das die Einfuhr von drei Millionen Tonnen Müll jährlich vermitteln soll; diese Lizenz sollte eine Laufzeit von 50 Jahren haben, jeweils erneuerbar zehn Jahre vor Ablauf der Vertragsgültigkeit.

Für Kunzlers neue Firma solle Swapo ein 50.000 Quadratkilometer großes Gelände an Namibias Skelett-Küste zur Verfügung stellen. Ihrerseits würde die Organisation 200 Millionen Dollar erhalten, sobald dieses Gelände gesichert sei - der Haken war allerdings, daß das Geld als Investition sofort wieder in Kunzlers Unternehmen verschwinden sollte.

Zum „Eigenbedarf“ würde man dann der Swapo ein „Geschenk“ von 400 Millionen Dollar machen, das im darauffolgenden Jahr von einer nochmaligen Zahlung desselben Betrags ergänzt würde. Über die nächsten fünf Jahre sollten Beträge von 200 Millionen Dollar pro Jahr folgen.

Außerdem versprach Kunzler den Dokumenten zufolge, in den ersten fünf Jahren der Laufzeit des Vertrages Großprojekte im Land auszuführen. Unter anderem sollte es dabei um den Bau eines Tiefwasserhafens für die Anlandung der Müllschiffe gehen, des weiteren um drei Müllverbrennungsanlagen zur Stromproduktion und eine zweigleisige Eisenbahnlinie zwischen Verbrennungsöfen und den Geländen, auf denen der Müll - unterirdisch - eingelagert wäre. Und zur Abrundung des Ganzen wäre eine nagelneue Kleinstadt dazugekommen, komplett mit Flughafen, um die Angestellten der Kunzlerschen Neugründung zu behausen (Gesamkostenpunkt: 300 Millionen Dollar).

'African Business‘ berichtete, daß Sam Nujoma bei seinem Besuch in Lagos im November 1988 der nigerianischen Regierung Kopien dieser Unterlagen hat zukommen lassen. Weitere Kopien wurden mehreren afrikanischen Staaten zugestellt. Nujoma tat dies offensichtlich, um die Verachtung zu betonnen, die er Kunzlers Offerte entgegenbrachte, und um sich von jeder Verwicklung in den Skandal freizuhalten. Die Geschichte zeigt allerdings deutlich genug, welchem Druck afrikanische Politiker permanent ausgesetzt sind. Angola

Anders als die Swapo hat die angolanische Regierung nie Berichte dementiert - oder bestätigt -, daß sie mit demselben Arnold Kunzler ein Abkommen über die Deponierung von Giftmüll (einige Millionen Tonnen) in Angola geschlossen hat; diese Behauptung war im Januar 1989 von der Europäischen Umwelt-Alliance (die aus Mitgliedern des Europaparlaments besteht) aufgestellt worden.

Nach Angaben der Alliance erhält die angolanische Regierung im Zusammenhang mit diesem Handel einen Betrag von zwei Millionen Dollar, um dringende nationale Projekte zu finanzieren. Auch sollten in den kommenden fünf Jahren drei Müllverarbeitungsanlagen im Lande gebaut werden, finanziert durch drei amerikanische Geldgeber: Texas Alley Bank, Millen Bank und das Versicherungsunternehmen Casualty Agency Insurance Company. Es ist nicht bekannt, ob dieser Deal perfekt ist oder nicht. Senegal und Guinea

Nur belgischen Umweltschützern ist zu verdanken, daß ein Handel zwischenIntercontrat (Schweiz) und einer privaten senegalesischen Firma, der Societe de Developpement Industrial de Louga (Solido), rechtzeitig aufgedeckt wurde. In dem Vertrag ging es wiederum um Giftmüll-Lagerung, in diesem Fall im Norden Senegals. Nach Aufdeckung des Deals beeilte sich die bloßgestellte Regierung des Landes, den Vertrag zu annullieren.

Durch ein ähnlich privat gehaltenes Arrangement gelang es Bulkhandling, einer Tochtergesellschaft der norwegischen Gruppe Klaveness, am 16.Februar 1988 auf der küstennahen Insel Kassa gegenüber der Landeshauptstadt Guineas, Konakry, 14.500 Tonnen vorbehandelten Haushaltsmüll aus der städtischen Verbrennungsanlage von Philadelphia zu deponieren. Dieser Handel war hinter dem Rücken der guineischen Regierung zustande gekommen, und zwar durch die in Guinea ansässige Firma Guinomar, die anteilig der norwegischen und guineischen Regierung gehört. Diese Firma hatte vereinbarungsgemäß vorgegeben, Sand zur Ziegelsteinherstellung zu importieren. Man sollte vielleicht noch erwähnen, daß dieser Abfall vorher schon von der Regierung Panamas abgelehnt worden war. Als der „Sand“ ankam, fing es an zu stinken, und die Bewohner von Kassa mußten bald mitansehen, wie Bäume und andere Vegetation auf der Insel abstarben.Bulkhandling hatte vor, weitere 70.000 Tonnen dieses Mülls auf Kassa abzuladen, zu einem Preis von 50 Dollar pro Tonne.

Präsident Lansana Conte handelte schnell: Er ordnete die Verhaftung des norwegischen Generalkonsuls in Konakry an Sigmund Stromme, der als Manager von Guinomar eine Einfuhrerlaubnis gefälscht hatte und so dem Unternehmen den Import des Mülls ermöglicht hatte.

Mehrere Beamte des Handelsministeriums, des Zolls, der Polizei und einige Grenzbeamte, die in dem Skandal mitgespielt hatten, wurden ebenfalls verhaftet. Eine Zwickmühle für alle

Obwohl das letzte Gipfeltreffen der OAU (Organisation für Afrikanische Einheit) im Mai 1988 beschlossen hatte, die Einfuhr von Giftmüll durch afrikanische Staaten zu verbieten, muß man weiterhin befürchten, daß Afrikas Politiker im verzweifelten Wettlauf nach Geldzufuhr für ihre Ökonomie sich auf geheime, aber lukrative Verträge einlassen werden - ohne sich um Umweltschäden zu kümmern.

Das ist auch der Grund, warum zur großen Überraschung und Enttäuschung vieler die Umweltminister Afrikas bei einem Treffen mit europäischen Amtskollegen am 27.Januar 1989 einer gemeinsamen Erklärung nicht zustimmen, die eine weltweite Kontrolle der Transportbewegungen des Müllhandels forderte.

Das Argument der europäischen Minister war, daß eine Unterlassung strikter Kontrollen äußerst gefährliche Rückwirkungen auf die - legalen und illegalen Giftmülltransporte in der ganzen Welt (und nicht nur für Afrika) hätten.

Den afrikanischen Ministern fiel als Antwort nichts Besseres ein als zu sagen, daß durch das OAU-Verbot jeglicher Gilftmülleinfuhr nach Afrika zusätzliche Kontrollen obsolet seien. Ein Ruf nach solche Kontrollen sei eine Beleidigung Afrikas. So auch der Umweltminister Togos, Yao Komlavi: „Wenn Afrika sagt, daß es keinen Giftmüll importiert, dann brauchen wir auch keine Kontrollen für solche Importe.“ Und doch: Nur zwei Wochen nach der Konferenz in Dakar unterzeichnete Senegal (das gleiche Land, das erst kürzlich mit stolzgeschwellter Brust einen privaten Müll-Deal öffentlich angeprangert und mit Strafverfolgung reagiert hatte) eine „Absichtserklärung“ mit der Schweiz, in der es um Informationsaustausch über „Probleme“ der Müllbeseitigung geht. Diesem Abkommen zufolge wird die Schweiz zwei Studien über die Beseitigung von Chemie- und Haushaltsmüll in Senegal finanzieren. Haben die afrikanischen Minister striktere Kontrollen abgelehnt, um für zukünftige Einfuhren ein Schlupfloch zu haben?

Die Antwort liegt vielleicht in der Komplexität des Benin -Vertrags, mit dem wir begannen. Obwohl Mathieu Kerekou angeblich aus dem Vertrag heraus will (dank internationalen Drucks), weisen letzte Informationen darauf hin, daß er in der Falle sitzt: Ihm fehlt das Geld, um Vorauszahlungen auf den Vertrag zurückzuzahlen.

Angesichts von Benins derzeitiger finanzieller Krise (seit mehr als einem halben Jahr haben die Arbeiter des öffentlichen Dienstes ihre Löhne nicht ausgezahlt bekommen), kann man wohl mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß Mathieu Kerekou versuchen wird, den Vertrag in aller Stille doch noch zu erfüllen. Das allerdings wäre gewiß dazu angetan, sämtliche Restriktionen der OAU gegen Giftmülleinfuhren wieder null und nichtig zu machen.

Der Autor Baffour Ankomah ist Journalist in Ghana.

(1) CFA - Zentralafrikanischer Franc, gültige Währungseinheit in mehreren afrikanischen Staaten, die früher französische Kolonien waren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen