: Bier für die Götter Ägyptens
■ Diesmal fand die Jahrestagung der deutschsprachigen Ägyptologen erstmals in der DDR statt
Über 400 Studenten und Wissenschaftler der Ägyptologie aus der DDR, der Schweiz, aus Österreich und der Bundesrepublik Deutschland trafen sich vom 14. bis 16.Juli zur Jahrestagung der deutschsprachigen Ägyptologie erstmals in der DDR. Unter den zahlreichen Referaten zur altägyptischen Geschichte und Religion, zum Wirtschaftssystem, zur Verwaltungsstruktur und zu den Lebensbedingungen im Land am Nil erweckte unter anderem ein Vortrag der jungen Heidelberger Ägyptologin Dina Faltings über Bierproduktion im Alten Reich (2635-2155 v.Chr.) im Auditorium größtes Interesse. Der Referentin gelang es, erstmals mit einer größeren Untersuchung diesen Bereich der Nahrungsmittelproduktion äußerst detailliert zu erforschen.
Bier galt im alten Ägypten geradezu als Volksgetränk. Handwerker, Feldarbeiter, Soldaten und Beamte erhielten einen Teil der Entlohnung für ihre Dienste in Form entsprechender Bierrationen.
Aber nicht nur die Lebenden erquickten sich an dem köstlichen Gebräu. Auch den Verstorbenen und vor allem den Göttern wurde Bier als Opfergabe dargebracht. Sehr wohl wußte man die berauschende und entspannende Wirkung dieses Volksgetränks zu schätzen. In der oberägyptischen Stadt Dendera wurde gar jährlich ein Fest der Trunkenheit für die Himmels- und Liebesgöttin Harthor gefeiert. Wein und Bier flossen auch bei anderen Festen reichlich, wie uns zeitgenössische Texte zu berichten wissen. Die Jugend in den größeren Städten wartete auch nicht immer auf bestehende Feste, um sich Zechgelagen bei Wein und Bier hinzugeben.
Selbst der hochangesehene Berufsstand der Schreiber wurde mit diesem Phänomen konfrontiert, wie aus den Aufzeichnungen der alten Schreiber geschlossen werden kann. Demnach betranken sich auch ihre Schüler hin und wieder, irrten durch die Gassen der Stadt, ließen sich mit Dirnen ein und prügelten sich mit anderen Bürgern herum. Aber auch Könige schätzten bisweilen einen kräftigen Rausch. Der griechische Geschichtsschreiber Herodot berichtet uns, daß die leitenden Beamten Ägyptens zur Zeit des Königs Amasis (570-526 v.Chr.) recht ungehalten über die Trunksucht ihres Herrschers waren, der nach durchzechter Nacht oft unfähig war, die Regierungsgeschäfte wahrzunehmen.
Handelt es sich hierbei vielleicht auch um Ausnahmefälle, so kann jedoch an der Beliebtheit des Bieres und an der Freude seiner berauschenden Wirkung in allen Kreisen der altägyptischen Gesellschaft kein Zweifel sein.
Entdeckt wurde das Bier in Ägypten offenbar durch Zufall schon in vorgeschichtlicher Zeit (zirka 4300-3600 v.Chr.). Getreidesorten wie Emmer und Gerste wurden durch Keimen und Wasserzusatz zu einer nahrhaften Suppe verarbeitet. Übriggebliebene Reste hiervon fingen an zu gären und ergaben das alkoholartige Gebräu. Erst einmal auf den Geschmack gekommen, probierte man natürlich verschiedene Verfahren aus, um das begehrte Getränk in größeren Mengen und gleichbleibender Qualität erzeugen zu können. Anhand von hieroglyphischen Inschriften und Wandbildern in den Gräbern altägyptischer Beamten konnte die Referentin ein genaues Bild des Brauereiwesens in Ägypten für die Zeit des Alten Reiches aufzeigen. Demnach wurde Bier zu jener Zeit aus vorgefertigtem Fladenbrot, Datteln und Wasser hergestellt. Die Fladenbrote entstanden aus Weizenmehl. Getrunken wurde also eine Art Weizen- oder Weizenbrotbier. Datteln wurden bei der Produktion einerseits als Geschmacksverstärker für das süßlich schmeckende Bier beigegeben, andererseits übernahmen die Früchte aber auch eine wichtige bautechnische Aufgabe. Neben Zucker lieferten die Datteln vor allem die für die Gärung wichtigen Hefepilze. Diese waren damals nämlich noch nicht domestiziert, kamen aber von Natur aus auf reifen Früchten in besonders starkem Maße vor. Brote und Datteln wurden zerkleinert und mit Wasser übergossen. Ein spezielles Mischungsverhältnis der Grundsubstanzen sorgte für gleichbleibende Qualität des Bieres. Der Hopfen, der unserem heutigen Bier seinen typischen Geschmack verleiht, war unbekannt. Nachdem das Gemisch aus zerstampften Datteln, Weizenbrot und Wasser genügend Zeit zum Gären hatte, wurde es kräftig durchgeseiht und anschließend gepreßt. In einem Braubottich fing man dann das Bier auf, das sogleich in Biertöpfe abgefüllt wurde. Die Biertöpfe wurden unmittelbar nach dem Abfüllen eiligst verschlossen, damit möglichst wenig von der natürlichen Kohlensäure aus dem Getränk entweichen konnte. Lange haltbar war das damalige Bier nicht. Es mußte auch keine längeren Lagerzeiten überstehen; denn nur zu gern erfreuten sich die Niltalbewohner an dem köstlichen Naß. Die Brautechniken wurden in der Folgezeit immer mehr verfeinert und die Produktionskapazität stieg ständig. Auch der Bierkonsum der Ägypter scheint mit der Zeit gestiegen zu sein. In einem Papyrus des Neuen Reiches (1542-1069 v.Chr.) wird nämlich eindringlich vor dem „Bierhaus“, der altägyptischen Kneipe, seinen leichten Mädchen und vor den Wirkungen der Trunkenheit durch Bier gewarnt.
Bernd Scheel
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