: Zufällig schwarz
■ Eine Retrospektive auf das Werk des Fotografen Gordon Parks in Münster
Bernd Rasche
Ich bin ein Künstler, der eben zufällig schwarz ist“ - diese harmlos-lakonische Selbsteinschätzung des amerikanischen Fotografen Gordon Parks spielt seine herausragende Rolle für den Bildjournalismus und die Sozialkritik Amerikas in unprätentiöser Selbstbescheidung herunter. Über 20 Jahre ist es nun her, daß sein fotografisches Werk 1966 auf der Photokina in Köln gezeigt wurde und eine der meistbesprochenen Ausstellungen war.
Die nun für eine neue Tournee repräsentativ ausgewählte Retrospektive auf das Ouevre des schwarzen Meisterfotografen legt besonders mit ihren sozialdokumentarischen Schwarzweißbildern der vierziger bis sechziger Jahre Zeugnis ab von der Verbindung zwischen Parks‘ Lebensweg und der amerikanischen Gesellschaft des 20 Jahrhunderts. Der Katalog der Ausstellung trägt dem in intelligenter Weise Rechnung und begleitet die bis in die achtziger Jahre reichende Bildauswahl mit einem ausführlichen Interview des auch als Schriftsteller, Komponist und Filmemacher bekannten Künstlers.
„Gib mir nie deine Hautfarbe als Grund für dein Scheitern an“, hatte der Vater dem jüngsten der insgesamt 15 Kinder zählenden Familie mit auf den Weg gegeben - ein Credo, das der 16jährige Parks dann gleich nach seinem Rausschmiß aus der Wohnung der Schwester in Minneapolis bitter nötig hat. Von hier an liest sich seine Biographie wie eine Klischeeversion des amerikanischen Aufstiegsmythos. Zwischen 1928 und 1937 schlägt sich Parks als Speisewagenkellner, Pianospieler oder Profi-Basketballer durch und fängt nebenbei an, mit einer im Pfandhaus für zwölf Dollar erstandenen Voigtländer Brillant die ersten Fotos zu machen. Dieses bewußte Doppelleben der ersten Jahre: einerseits als Schwarzer überall benachteiligt zu sein, das heißt etwa den Demütigungen eines weißen Stewards während seiner Arbeit als Kellner im Zug ausgeliefert zu sein, und gleichzeitig aber die Wirklichkeit mit der eigenen Kamera (fest-)halten zu können, hat Parks für seine Karriere fruchtbar gemacht.
Seine späteren Milieustudien in brasilianischen Favelas über den kleinen Jungen Flavio oder der Blick auf die sozialen Verhältnisse im schwarzen Harlem während der politisch unruhigen Sechziger sind allesamt Fotos, die nur ein selbst über lange Zeit von Ausgrenzung und Diskriminierung Betroffener wie Parks machen kann. Sie bewegen sich auf der schmalen Grenze von Voyeurismus und Sozialkritik und zeigen eine gelungene Gratwanderung, auf der er sich eben nicht der sentimentalen Geste des „Schaut her - wie schrecklich“ zu bedienen braucht.
Als Gordon Parks 1942 ein Fotografiestipendium der Julius -Rosenwald-Stiftung erhält, steht für ihn endgültig fest, daß seine Waffe gegen soziales Unrecht und Rassismus nicht die Faust, sondern die Kamera sein soll: eine Einsicht, die besonders auch seine spätere Autobiographie A Choice of Weapons bestimmt. Es ist jene Macht der Bilder, die er während der auf das Stipendium folgenden zwei Jahre unter Roy Stryker bei der FSA (Farm Security Administration) kennenlernt und ebenso in Fotos vom einfachen Neu-England -Farmer wie in einer Dokumentation von 1948 über den Harlem -Bandenführer Red Jackson einsetzt.
Die Lehrjahre bei der FSA in Washington D.C., eine Regierungsinstitution, die der amerikanischen Bevölkerung die Armut der Farmer zur Unterstützung von Roosevelts New -Deal-Reformen fotografisch dokumentieren sollte, führt Parks nun auch in die Welt der Weißen ein. Selbst im feinen Washington, auf Tuchfühlung mit einer von den Demokraten gestellten Regierung, erlebt Parks immer wieder, daß er „nur“ Schwarzer ist. Am Anfang, so Parks in dem Interview, habe seine Kamera oft Urteile gefällt, die nicht genügend abgewogen waren. Unter den kritischen, aber wohlwollenden Augen von Stryker begreift er, daß Diskriminierung und Unrecht zeigen heißt, nicht die Täter zu fotografieren, sondern die Opfer. Es entsteht die inzwischen berühmt gewordene Fotografie American Gothic - eine junge schwarze amerikanische Putzfrau, die mit Besen und Schrubber in den Händen vor der amerikanischen Flagge steht. Obwohl sie einen High-school-Abschluß besitzt, muß sie im Regierungsgebäude putzen gehen: bildgewordene Perversion des amerikanischen Traums vom Aufstieg also. Ein Erfolg, den Parks für sich schließlich verwirklicht hat, ohne dessen Kehrseite, den Alptraum des Ausgeschlossenseins, aus dem Kamerasucher zu verlieren.
So erhält er 1949 vom 'Life'-Magazin den Auftrag, nach Paris zu gehen, um für die Zeitschrift neben dokumentarischen Themen auch die Mode der französischen Haute Couture abzulichten. Diese zwei Jahre bedeuten für Parks den Durchbruch. Bis er 'Life‘ 1968 verläßt, entstehen Aufnahmen von Ingrid Bergmann, Winston Churchill, Muhammad Ali oder Fotoreportagen wie über den Freiheitsmarsch der Schwarzen auf Washington. Es sind dies gleichzeitig künstlerische und zeithistorische Dokumente, die die Ausstellung in Stichproben abdeckt. Sie werden durch farbige Stilleben und experimentelle Fotos neueren Datums ergänzt, die teilweise die Grenze zur Malerei überschreiten.
Der inwzischen 77jährige Parks hat seine Allround-Begabung wohl noch lange nicht erschöpft. Nach Romanen, Filmen und Musikkompositionen arbeitet er jetzt an der Verfilmung seines Balletts zu Ehren von Martin Luther King, das 1990 in Münster uraufgeführt werden soll. Die Ausstellung ist noch bis zum 29.September im Westfälischen Landesmuseum Münster zu sehen und geht danach weiter nach Tübingen.
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