: Moskau kommt Westen bei Abrüstung entgegen
■ Neue Vorschläge Gorbatschows für Wien und Genf / Neue Obergrenzen für Flugzeuge / Kompromisse bei START / Gipfel mit US-Präsident Bush wahrscheinlich in der ersten Hälfte 1990 / Bahr: Verhandlungen über Kurzstrecken-Raketen jetzt vorbereiten
Washington/Berlin (dpa/taz) - Die UdSSR will den Positionen der Nato bzw. der USA bei den Verhandlungen über konventionelle Waffen in Wien (VKSE) sowie atomare Interkontinentalraketen in Genf (START) weiter entgegenkommen, um baldige Vertragsabschlüsse zu ermöglichen. Details sind in dem Schreiben des sowjetischen Staats- und Parteichefs Gorbatschow enthalten, das Außenminister Schewardnadse am Donnerstag abend Präsident Bush in Washington überreichte. Bush und Schewardnadse kündigten nach ihrem Treffen ein Gipfeltreffen des US -Präsidenten mit Gorbatschow voraussichtlich in der ersten Hälfte 1990 in den USA an.
Schewardnadse und sein US-Amtskollege Baker beraten seit gestern in Jackson Hole, Wyoming, neben Menschenrechtsfragen und Regionalkonflikten die gesamte Palette der Rüstungskontrollfragen. Wie der sowjetische Delegationschef in Wien, Grinevski bereits vor Gesprächsbeginn bestätigte, ist Moskau künftig bereit, in die Wiener Verhandlungen weit mehr Flugzeuge als bisher einzubringen.
Zu Moskaus Konzessionen bei den START-Verhandlungen gehört nach Informationen der 'Washington Post‘ auch der vorläufige Verzicht auf die Festlegung von Obergrenzen für konventionell bestückten Cruise Missiles. Außerdem habe die UdSSR ihre Forderung aufgegeben, die weitere Einhaltung des ABM-Vertrages von 1972 auf eine bestimmte Zahl von Jahren festzuschreiben. Gorbatschow soll in seinem Brief weiterhin angeboten haben, die Radaranlage in Krasnojarsk.
Die beiden Außenminister wollen bei ihrem Treffen eine Vereinbarung unterschreiben, die den regelmäßigen Informationsaustausch aller Chemiewaffendaten sowie gegenseitige Routineinspektionen und Verdachtskontrollen ihrer C-Waffendepots vorsehen. Betroffen davon ist auch das C-Waffendepot der USA bei Fischbach in der Pfalz. Nach der Vorlage neuer Nato-Vorschläge bei den Wiener Verhandlungen am Donnerstag äußerten sich gestern in Bonn Außenminister Genscher und der SPD-Abrüstungsexperte Bahr zuversichtlich über die Möglichkeiten eines ersten Teilabkommens bis zum Herbst 1990. Bahr erklärte, da laut Nato-Vorschlag mit einem solchen Abkommen die Fähigkeit zu einem konventionellen Angriffskrieg in Europa beseitigt werden könne, entfielen damit auch die Gründe, die die Nato bislang für die Aufrechterhaltung und „Modernisierung“ ihrer atomaren Kurzstrecken- und Gefechtsfeldwaffen in Westeuropa angeführt habe. Verhandlungen mit dem Ziel, diese Waffenkategorie vollständig abzuschaffen, seien der zwingende nächste Schritt, der nun vorbereitet werden sollte.
Andreas Zumach
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