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Kriminalbiologie

■ Das Bundeskriminalamt und der genetische Fingerabdruck

Die Gentechnik expandiert rasant in den rechtsfreien Raum. Während in Bonn weiter am umstrittenen Gentechnik-Gesetz gestrickt wird, haben Ministerin Lehr und das Bundesgesundheitsamt in diesem Jahr die erste Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen ohne jede Rechtsgrundlage genehmigt. Jetzt hat das Bundeskriminalamt die Anwendung des genetischen Fingerabdrucks für ihre Ermittlungsarbeit angekündigt. Die Entscheidung für den Blick ins Erbmaterial von Verdächtigen erfolgt erneut gegen das ausdrückliche Votum des Rechtsausschusses des Bundestages, gegen das Karlsruher Urteil zur informellen Selbstbestimmung (Volkszählungsurteil) und vor dem angekündigten Gesetzentwurf zur Genom-Analyse von Justizminister Engelhard. Auch hier läuft die Gesetzesmaschine der normativen Kraft des Faktischen hinterher. Die neue Parole: erst anwenden, dann rechtlich absichern.

Angesichts solcher auffälligen rechtsstaatlichen Lässigkeiten und der wachsenden Kritik an der polizeilichen Aneignung menschlicher Erbsubstanz bleibt auch das BKA defensiv. Nur bei Mördern und Schwerverbrechern wolle man mit dem genetischen Fingerabdruck arbeiten, beteuern die neuen Molekular-Detektive. Mit dieser Einschränkung reagiert das BKA auf die große Sprengkraft, die in dieser neuen Kriminalbiologie steckt. So ganz traut man sich dann doch nicht, aber bei brutalen Morden ist die gesellschaftliche Akzeptanz für die neuen Ermittlungsmethoden noch am ehesten zu erwarten.

Daß es nicht bei dieser eingeschränkten Anwendung bleibt, muß unterstellt werden. Der nächste vorgezeichnete Schritt ist die Speicherung von Gen-Dateien. Wenn das BKA jetzt ankündigt, daß es sinnvoll sei, die Gen-Karten von Schwerverbrechern aufzubewahren, dann ist der Grundstock für solche Dateien schon gelegt.

Um sich eine Vorstellung von den Einsatzmöglichkeiten der neuen Ermittlungsmethode zu machen, muß man sich an die bisherige Praxis im Ausland erinnern. Fast 6.000 Männer mußten im britischen Mordfall Ashworth einen Bluttropfen spenden, um ihr Erbmaterial auszubreiten und mit dem am Tatort analysierten DNA-Profil des Täters zu vergleichen. Die Umkehrung der Unschuldsvermutung (x-beliebige Menschen müssen diese Unschuld nachweisen) und neue Formen der Massenfahndung sind absehbar.

Wichtigster Einwand aber bleibt die Skepsis gegenüber der notwendigen Selbstbeschränkung. Wer will garantieren, daß Ermittler und Richter aus der Genom-Analyse nicht weitergehende Informationen ziehen. Von Genotyp zum Phänotyp. Welchen Menschen haben wir da vor uns? Hat er „gutes“ oder „schlechtes“ Erbmaterial? Der genetische Fingerabdruck eröffnet eine neue Dimension der Täter -Analyse.

Manfred Kriener

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