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Osteuropa soll „sozialistischen Kadaver“ begraben

US-Handelsminister Mosbacher macht Zusammenarbeit mit osteuropäischen Ländern von deren bedingungslosen Eingliederung in die kapitalistische Weltwirtschaft abhängig / Genschers Forderungen werden von USA abgeblockt / DDR-Minister Ott trifft Mitglied der SDP / Keine Stellungnahme zu Reformen  ■  Aus Frankfurt Andreas Zumach

Als Donald Kendall aus New York an diesem Mittwoch nach einem ausgedehnten Bummel durch das Frankfurter Nachtleben in sein Hotel zurückschlendert, bemüht sich eine Prostituierte, mit dem Chef des Aufsichtsrates von Pepsi -Cola ins Geschäft zu kommen. Nach mehrfacher vergeblicher Ablehnung ihres Angebots gelingt es Kendall schließlich, „die Dame mit der Bemerkung in die Flucht zu schlagen“, er habe „leider keine Dollar oder DM, sondern nur Rubel dabei“.

Die feine Gesellschaft, die Bundesaußenminister Genscher am Donnerstag zum Abendessen mit US-Handelsminister Mosbacher ins Frankfurter Interconti geladen hatte, amüsiert sich köstlich über diese Pointe zur Überlegenheit des westlichen Kapitalismus. In seiner Tischrede beschrieb Mosbacher dann die Voraussetzungen, unter denen die Länder Osteuropas eines Tages vielleicht auch voll an den westlichen Freuden partizipieren dürfen: bedingungslose Eingliederung in die kapitalistische Weltwirtschaft, jegliche Aufgabe von Restbestandteilen sozialistischer Vorstellungen. „Marxistische Ökonomien können nicht funktionieren.“ Die Länder Osteuropas könnten „noch jahrelang vergeblich behaupten, daß der sozialistische Kadaver ein lebender Körper ist“, oder aber sich „jetzt auf den Weg entschlossener Reformen machen“. Ungarn und Polen hätten sich ja bereits zur Aufgabe des Sozialismus „verpflichtet“, die UdSSR komme diesem Ziel „Tag für Tag näher“. Soweit beschreibt Mosbacher den Konsens fast aller Teilnehmer - mit Ausnahme der DDR-Offiziellen - an der Tagung „Sicherheit für die '90er Jahre: Mut zur gemeinsamen Zukunftsverantwortung“, die auf Einladung des NewYorker Instituts für Ost-West -Studien von Donnerstag bis Samstag in Frankfurt stattfand. Auch die sowjetischen Wissenschaftler unter den 200 Prominenten aus Wirtschaft, Politik, Militär und Publizistik Europas, Japans und der USA widersprechen nicht.

Wieweit Europa vom Anliegen der Konferenzveranstalter, der „ökonomischen Stabilität Europas durch die Integration der sozialistischen Staaten in die Weltwirschaft“ entfernt ist, erläuterte der taz der Dirketor des „Instituts für UdSSR und Osteuropa-Studien“ an der Universität Oxford, Michael Kaser: Nur zwei Staaten, Albanien und die DDR, haben seit 1965 einen realen Zuwachs ihrer Außenhandelsbeziehungen mit kapitalistischen Ländern erreicht. Der Rest ist Stagnation oder Abwärtstrend. Was der Westen tun kann und sollte, darüber beteht nur hinsichtlich kurzfristiger Maßnahmen tatsächlich Konsens. Die Forderung Genschers, den reformbereiten Ländern Osteuropas Zugang zu internationalen Institutionen wie dem „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen“ (GATT) zu ermöglichen, lehnte Mosbacher ebenso entschieden ab, wie eine Abkehr von den Cocom -Listen.

Am Rande der Frankfurter Tagung kam es am Donnerstag abend zu einem historischen Ereignis. Zum ersten Mal diskutierte mit dem stellvertretenden DDR-Außenminister Harry Ott ein Mitglied der Ostberliner Regierung direkt mit einem Vertreter der Opposition. Stefan Reiche, Pfarrer und Mitglied der neugegründeten Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP), hatte auf Verwandtenbesuch in der BRD von der Frankfurter Tagung erfahren und sich kurzfristig zur Teilnahme entschlossen. Auf seine im kleinen Kreis an Ott gestellten Fragen antwortete dieser ausweichend, völlig defensiv und im Stil der alten Rhetorik. Auf die Frage nach künftigen Partizipationsmöglichkeiten für die DDR -Oppositionellen reagierte Ott mit einem Hinweis auf den kürzlich im Umfeld der SED gegründeten Freidenkerverband was für Reiche schon allein wegen seiner Tätigkeit als Pfarrer der evangelischen Kirche nicht in Frage kommt. Nichts Konkretes kam von Ott zu Fragen nach wirtschaftlichen Reformen und künftigen Reisebestimmungen. Er empfahl lediglich, die SED-Erklärung zur 40-Jahr-Feier mit der jüngsten Rede von Egon Krenz zu vergleichen.

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