: Beim „Lied der Deutschen“ sitzenbleiben!
■ Der Oldenburger Schriftsteller Klaus Dede schrieb ein polemisches Buch gegen die „Die mißbrauchte Hymne“
Durch die Ausreise- und Protestbewegung in der DDR ist die deutsche Einheit wieder überraschend aktuell geworden. Der Zerfall des gesellschaftlichen Systems des Ostblock läßt sie zur Hoffnung vieler in der DDR werden. Ein fast in Vergessenheit geratener Disput wird dadurch wieder ins Leben gerufen: die Auseinandersetzung um die Nationalhymne der Deutschen. Diesem brisanten Thema hat sich der Oldenburger Schriftsteller Klaus Dede in seinem Buch „Die mißbrauchte Hymne“ angenommen.
In seiner polemischen Schrift fordert er die Abschaffung der Nationallhymne, die seiner Meinung nach im Widerspruch zum Grundgesetz steht, und deshalb als verfassungsfeindlich einzustufen sei. Dieser Text ist „tief in der Ignoranz und im Antisemitismus des völkischen Bürgertums verwurzelt“, das Nachkriegsdeutschland aber hat sich im Grundgesetz zur Aufgabe gemacht, „die Würde des Menschen zu achten und zu schützen“. So sei denn auch der klare Bruch mit der deutschen Geschichte nicht vollzogen worden, als Adenauer das Deutschlandlied als Hymne für die Bundesrepublik mit folgender Begründung in Anspruch nahm: „Die innenpolitischen Vorbehalte, die auf den Mißbrauch des Deutschlandliedes durch die Vernichter des alten Deutschlands sich beziehen, haben an Schärfe verloren... Bei staatlichen Veranstaltungen soll die dritte Strophe gesungen werden.“ (aus einem Brief an Theodor Heuss vom 29.4.1952).
Um die Anfänge nationalistischen Denkens im Deutschlandlied aufzuzeigen, geht Dede weit ins 19. Jahrhundert zurück: von der Kaiserhymne bis hin zum echten Preußenlied, vom Lokalpatriotismus bis hin zum nationalen Einheitsgefühl der Deutschen. Hoffmann von Fallersleben dichtete 1841 das „Lied der Deutschen“ auf der damals englischen Insel Helgoland. Klaus Dede begreift die Geschichte der Deutschen als nationale Religion, und zwar als „die wahrscheinlich widerwärtigste, die der menschliche Geist bislang hervorgebracht hat“. Und so schreibt er in seiner Nachbemerkung: „Wer will, daß Verdun und Auschwitz wirklich der Vergangenheit angehören, und wer es mit dem Grundgesetz ernst meint, sollte dann, wenn das Deutschlandlied erklingt, sitzenbleiben und schweigen, bis diese von uns mißbrauchte Hymne endlich in Vergessenheit gerät. Dann, aber erst dann, können wir unsere Geschichte bewältigen, und das heißt: den deutschen Nationalismus überwunden haben.“
rp
„Die mißbrauchte Hymne“, Eigenverlag, zu beziehen für 18 Mark bei: Klaus Dede, Postfach 1546; 29 Oldenburg
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